Olympia-Attentat 1972:Das holprige Gedenken von München
05.09.2022 | 05:56
|
In München wird des palästinensischen Attentats während der Olympischen Spiele 1972 gedacht. Überschattet wird das Gedenken noch immer von israelischen Vorwürfen.
"Das wird ein historischer Moment", sagt Shlomo Levy am Telefon über seine anstehende Reise nach München. Mit rund 40 weiteren Überlebenden und Hinterbliebenen des Olympia-Attentats von 1972 reist er am Sonntag zu den Gedenkfeiern an den Orten des Geschehens.
Nur knapp entkam Levy, damals Dolmetscher des israelischen Olympiateams, dem blutigen Attentat der palästinensischen Terroristen. Connollystraße 31, so lautete die berühmt gewordene Adresse des Olympiateams in Münchens Olympischen Dorf.
In die Häuser 1-3 drangen die Terroristen ein, Levy bewohnte Haus 6. Das rettete ihm das Leben. Montag kehrt er ins Olympische Dorf zurück. "Das ist sehr emotional für mich", sagt er.
Beginn der Spiele in München
Am 26. August 1972 nimmt die israelische Mannschaft an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in München teil. Wenige Tage später, am Morgen des 5. September, kommt es zu einer Tragödie.
Quelle: AP
Die Hinterbliebenen der Opfer des Olympia-Attentats fühlten sich wie "Bettler"
Selbstverständlich war der München-Besuch der israelischen Delegation von Hinterbliebenen und Überlebenden nicht. Lange war unklar, ob die israelische Seite bei den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des Attentats überhaupt vertreten sein würde - zu groß war dort die Wut über das deutsche Versagen im Umgang mit Entschädigung, Aufarbeitung und Schuld.
"Ein Trinkgeld" sei das Angebot der Bundesregierung gewesen, das den Hinterbliebenen im August gemacht wurde, um den 50 Jahre währenden Streit beizulegen.
Hinterbliebenen-Sprecherin Ankie Spitzer hat ihren Mann André, Fechttrainer der israelischen Mannschaft beim dem Attentat verloren. Sie sagt:
Wir lassen uns nicht zu Bettlern degradieren.
Ankie Spitzer, Hinterbliebenen-Sprecherin
In einem Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagten die Vertreter der Angehörigen die Gedenkfeiern in München ab. Auch die Teilnahme des israelischen Präsidenten Izchak Herzog schien fraglich.
Akzeptables Entschädigungsangebot in letzter Minute
Diese Woche dann die Wende, in letzter Minute legte die Bundesregierung ein Angebot vor, das die Hinterbliebenen annahmen - der Eklat in letzter Minute abgewendet. Mit einer Chartermaschine werden sie nun nach München reisen und an beiden Gedenkfeiern teilnehmen: morgens im Olympiapark, nachmittags auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck vor den Toren Münchens.
Dort endete in den späten Abendstunden des 5. September 1972 die Geiselnahme mit dem tragischen Tod aller elf israelischen Geiseln und eines deutschen Polizisten bei einer völlig missglückten Befreiungsaktion der deutschen Behörden.
Überfordert, dilettantisch, beratungsresistent - so lauten die Urteile über das Agieren der deutschen Sicherheitsbehörden beim Olympia-Attentat.
50 Jahre lang keine Entschuldigung aus Deutschland
Auf das Staatsversagen am 5. September 1972 folgte in den Jahren danach ein zweites: 50 Jahre lang brachte es die Bundesrepublik nicht zustande, sich bei den Hinterbliebenen zu entschuldigen, die Fehler aufzuarbeiten und die Opferfamilien angemessen zu entschädigen.
Der 5. September 2022 steht im Zeichen dieses Versagens - und soll zugleich die Wunden heilen. Zum einen mit der diese Woche getroffenen Einigung über eine Entschädigungssumme von 28 Millionen Euro, mit der Gründung einer deutsch-israelischen Historikerkommission sowie einem Bekenntnis des Bundespräsidenten zur deutschen Verantwortung.
Alles schaut auf Bundespräsident Steinmeier
Mit Spannung wird die Rede von Frank-Walter Steinmeier am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck erwartet, eine Bitte um Vergebung ist Wunsch und Erwartung vieler auf beiden Seiten, der deutschen wie der israelischen gleichermaßen.
50 Jahre sind eine beschämend lange Zeit.
Bundespräsidialamt
Aus Sicht Steinmeiers trägt der deutsche Staat in dreierlei Hinsicht Verantwortung: Er sei bei den Olympischen Spielen seiner Schutzpflicht für die israelischen Sportler nicht nachgekommen, die Befreiungsaktion sei katastrophal verlaufen. Angeschlossen daran habe sich die Weigerung, die Vorgänge aufzuklären und den Angehörigen der Opfer die Wahrheit über das Geschehene und Schiefgelaufene zu sagen.
Dieser Verantwortung will Deutschland nun gerecht werden: durch die Worte, die am 5. September gesprochen werden, durch die Entschädigungszahlungen und durch konsequente Aufarbeitung. 50 Jahre nach dem Attentat. Spät, sehr spät, aber nicht zu spät.
Stefan Leifert leitet das ZDF-Studio in München.
Olympia in München vor 50 Jahren:Heiter bis schrecklich
von Maik Rosner