Bei seinem Zug durch Europa bekommt Deutschland die Wucht von "Zeynep" zu spüren. Menschen sterben. Nun werden Schäden gesichtet - und alles für den nächsten Sturm vorbereitet.
Orkan "Zeynep" hat sich über Deutschland ausgetobt und für eine schwere Sturmflut an der Nordseeküste gesorgt. In Nordrhein-Westfalen starben laut Innenminister Herbert Reul (CDU) zwei Menschen wegen des Sturms, in Niedersachsen ein Mann.
Weiter Sturmböen erwartet
Das Orkantief soll nun über das Baltikum nach Russland weiterziehen, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Am frühen Vormittag hob der DWD alle Unwetterwarnungen vor Orkanböen auf. Allerdings sei am heutigen Samstag noch mit Sturmböen zu rechnen, sagt ZDF-Meteorologe Özden Terli. Mindestens bis mittags an den Küsten, vor allem Richtung Ostsee werde es noch sehr windig mit vereinzelt orkanartigen Böen um die 110 Kilometer pro Stunde.
Im Binnen- und Inland sei mit 70-80 Stundenkilometern zu rechnen. "Das klingt jetzt wenig, aber die Bäume sind vielleicht angeknackst und das könnte dann den Rest geben", betonte er. Deshalb:
Nur kurze Atempause
Vorübergehend soll es ruhiger werden, bis am Sonntag vor allem im Süden und in der Mitte noch mal stärkere Böen erwartet werden - verbreitet mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde, auf höheren Bergen auch teils schwere Sturmböen bis 100 Kilometer pro Stunde. In der Nacht waren am Nordsee-Leuchtturm "Alte Weser" in der Spitze rund 162 Kilometer pro Stunde gemessen worden - nach Angaben des DWD der höchste Wert Deutschlands in dieser Nacht.
Am Morgen hob der DWD seine Warnung vor extremen Orkanböen an der Nordsee auf. In Hamburg erreichte die Elbe am Pegel St. Pauli am Samstagmorgen gegen 5.30 Uhr 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mitteilte. Damit erreichte die Hansestadt erstmals seit 2013 wieder eine sehr schwere Sturmflut mit mehr als 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser.
In der überfluteten Speicherstadt rettete die Feuerwehr am frühen Samstagmorgen zwei Männer, die mit ihrem Auto eingeschlossen waren. Laut Polizei waren die Männer stark unterkühlt und wurden vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht. An vielen Pegeln an der niedersächsischen Nordseeküste überschritten die Wasserstände die Schwelle zur schweren Sturmflut, was einem Wasserstand von mehr als 2,5 Meter über dem mittleren Hochwasser entspricht.
Sturm fordert Todesopfer
In der niedersächsischen Gemeinde Wurster Nordseeküste war zuvor ein Mann während des Sturms von einem Dach gestürzt und gestorben. Der 68-Jährige habe in der Nacht auf Samstag versucht, das beschädigte Dach eines Stalls zu reparieren, teilte die Polizei mit. Dabei sei er durch das Dach gebrochen und rund zehn Meter in die Tiefe gestürzt.
Ein Autofahrer starb nach Angaben der Polizei am Freitagabend bei Altenberge in Nordrhein-Westfalen, als er mit dem Auto gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum prallte. Das zweite Sturmopfer ist nach Angaben von Innenminister Reul nach vorläufigen Erkenntnissen ein 17 Jahre alter Beifahrer, der mit zwei Gleichaltrigen in Hopsten im Kreis Steinfurt unterwegs gewesen war. Der Fahrer war nach Polizei-Angaben möglicherweise einem Ast ausgewichen und dadurch von der Fahrbahn abgekommen.
Baukran stürzt um, Sattelzug-Tank läuft aus
Feuerwehren und Polizei meldeten bis Samstagmorgen zahlreiche Einsätze. In Bremen stürzte ein 55 Meter großer Baukran in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude. "Es sieht verheerend aus", sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch ein gerade vorbeifahrender Laster sei in der Nacht auf den Samstag von dem Kran erwischt worden. Der Fahrer sei aber unverletzt geblieben.
In Gronau bei Hildesheim wehte der Sturm eine rund 80 Kilogramm schwere Kupferplatte von einem Kirchturm. Sie etwa 80 Meter weiter in ein Haus eingeschlagen, sagte ein Sprecher der Feuerwehr am Samstagmorgen. Schäden wurden zunächst nicht bekannt. Einige Kilometer entfernt, auf der Autobahn 7 bei Hildesheim, fiel nach Angaben der Polizei am Freitagabend eine Verkehrstafel wegen des Sturmes auf die Fahrbahn. Ein Sattelzugfahrer habe nicht mehr ausweichen können und sei über die Hindernisse gefahren. Dabei riss der Tank auf und 400 Liter Diesel-Kraftstoff ergossen sich über die Fahrbahn. Durch den starken Wind habe sich die Flüssigkeit immer weiter verteilt, berichtete die Polizei.
In Hamburg stürzten bei einem viergeschossigen Wohnhaus im Stadtteil Eilbek am Freitagabend Teile der Fassade ein. Insgesamt seien im Giebelbereich rund 25 Quadratmeter Mauerwerk abgefallen, sagte ein Feuerwehrsprecher.
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Nach Sturmtief "Ylenia" fegt "Zeynep" über Deutschland. Der Wetterdienst warnt vor dem Orkantief. Die aktuellen Entwicklungen hier im Liveblog.
Bahnverkehr noch eingeschränkt
Der Bahnverkehr im Norden Deutschlands und in den nördlichen Teilen Nordrhein-Westfalens war auch am Samstag stark eingeschränkt, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Nördlich von Dortmund, Hannover und Berlin sollten bis mindestens 18 Uhr keine Fernverkehrszüge fahren. Bis mindestens 13 Uhr sollten auch in Nordrhein-Westfalen (mit Ausnahme einzelner Züge auf der Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt) sowie zwischen Berlin und Halle (Saale)/Leipzig weiter keine Fernverkehrszüge unterwegs sein. Die ICE- und IC-Verbindungen von Frankfurt (Main) und Berlin nach Amsterdam fallen demnach am Samstag aus.
Am Vormittag war auch der Regionalverkehr weiter flächendeckend ausgefallen. Vor der Wiederaufnahme seien umfangreiche Erkundungsfahrten nötig, hieß es von der Bahn. Fahrgäste können ihre für den Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag gebuchten Fahrkarten bis zum 27. Februar flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren, wenn sie Reisen wegen des Sturms verschieben.
Strand weggerissen
Die Nordseeinsel Wangerooge büßte im Sturm etwa 90 Prozent ihres Badestrandes ein. "Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand", sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr am Samstagmorgen. Die Schutzdünen vor dem Trinkwasserschutzgebiet hätten kein Deckwerk mehr, dies müsse wie der Strand neu aufgeschüttet werden. Dennoch sei der Sturm glimpflich ausgegangen.
In dem vorherigen Orkantief "Ylenia" waren mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.