Terra-X-Kolumne:Warum jeder zum Meeresexperten werden sollte

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Warum jeder zum Meeresexperten werden sollte

    von Uli Kunz
    05.06.2022 | 08:59
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    Der Ozean erstickt im Müll. Unser ausgestoßenes Kohlendioxid macht ihn immer saurer. Der Hunger auf Fisch fegt ihn leer. Drei von vielen Problemen, die wir dringend lösen müssen.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Uli Kunz

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
    Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, Meeresforscher*in zu werden und die Welt zu retten? Wenigstens ein bisschen? Nein? Dann tun Sie das!
    Was gibt es zu gewinnen? Alles. Sauberes Wasser für ein gesundes Leben, Ökosysteme im Meer, die uns Menschen nachhaltig Nahrung liefern könnten, damit wir den Raubbau an Tier und Boden an Land in den Griff bekommen. Und irgendwann vielleicht weniger potentiell schädliche Kunststoffpartikel in unserem Blut.
    Die drängendsten Probleme, die wir lösen müssen:

    Problem Überfischung:

    Der Großteil der Fischbestände weltweit ist bis an die Grenze befischt und meistens schon massiv überfischt. Das heißt, wir nehmen viel mehr aus dem Meer, als nachwachsen kann. Aber Nahrung aus dem Meer muss nicht "Fisch" sein. Algen könnten einen Teil dieser Rolle übernehmen. Sie brauchen kein Wasser, keine zugefügten Düngemittel. Selbst im Lachs-Land Norwegen beginnen Initiativen, Braun- und Rotalgen im größeren Stil zu züchten, wie ich bei einem Besuch einer Algenfarm sehen durfte. Wohltuend, extrem ästhetisch und darüber hinaus lecker.

    Problem Kohlendioxid:

    Das berüchtigte Klimagas trägt zur Erwärmung der Atmosphäre bei, die wiederum den Ozean aufwärmt. Im Wasser gelöstes CO2 lässt die Meere saurer werden, was besonders kalkbildenden Organismen wie Muscheln, Schnecken, Korallen, aber auch winzigen Kalk-Algen das Leben schwer macht. Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen, wie durch aktives Eingreifen in Wasserbewegungen bzw. die Meerwasserchemie mehr CO2 aus der Atmosphäre durch natürliche Prozesse in der Tiefsee gespeichert werden könnte. Solche Vorhaben werden in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, da wir die gesteckten Temperatur- und Klimaziele nur durch die Reduktion des CO2-Ausstoßes alleine nicht mehr erreichen können.
    Die Meere speichern große Mengen Kohlendioxid, dadurch steigt der Säuregrad des Meerwassers. Das ist nicht nur für viele Meeresbewohner eine Katastrophe.05.02.2020 | 6:23 min

    Problem Plastikmüll:

    Selbst auf den entferntesten Inseln, im Pazifik oder der Arktis, findet man beim Tauchen, Schnorcheln, Bootfahren oder Laufen Unmengen von Müll. Jedes Jahr kommen geschätzt zwischen 8 und 12 Millionen Tonnen Plastikmüll dazu, die im Meer landen! Getränkedosen, Trinkflaschen und Plastiktüten gelangen über die Strömungen an jede Küste. Tiere verheddern sich darin, fressen die Überreste auf und sterben oft qualvoll an den Folgen der Vermüllung. Der Kunststoff zerreibt sich immer weiter in kleinste Partikel, wird wieder an Land transportiert und endet schließlich auch in unserem Körper, wie aktuelle Studien zeigen.
    Wie lösen wir dieses Problem?
    • Indem schlaue Köpfe einen Stoff erfinden, der nicht mehr aus Erdöl hergestellt wird und der vollständig kompostierbar ist.
    • Zusätzlich muss die Industrie, die zurzeit jedes Jahr Millionen Tonnen Plastik auf den Markt wirft und sich auf "gutes Recycling" beruft, viel weniger "Plastik-von-gestern" produzieren.

    Ziel muss sein, weniger Plastik zu verbrauchen

    Und wir müssen es schaffen, weniger Plastik zu verbrauchen, den Verpackungswahnsinn zu beenden und auch unseren Kindern viel weniger Plastik(müll) zu schenken. Gelänge eine solche Kunststoff-Revolution, würden diejenigen, die sie ins Leben rufen, zu den herausragendsten Meeresschützern unserer Zeit gezählt werden!
    Aus Meeresverschmutzung Mode machen? – es klingt nach einem nachhaltigen Konzept. Doch wie glaubwürdig ist dieses "Greenwashing- Modell", und wie umweltfreundlich ist Kleidung aus Meeresplastik?19.02.2020 | 3:12 min
    Nicht nur für die genannten Probleme wird rund um die Welt an Lösungen geforscht und gearbeitet. Es gibt unzählige Projekte und Menschen, die sich für die Rettung der Meere einsetzen.
    Toter Tölpel im Wasser mit Plastikmüll um den Schnabel.
    Seetang im Wasser
    Seetang in einer Halle aufgehängt
    Menschen in einem Boot lassen den Mesokosmos ins Wasser
    Taucher arbeitet unter Wasser am Mesokosmos
    Mesokosmos über und unter Wasser

    Toter Basstölpel

    Plastikmüll im Ozean ist an letzter Stelle ein ästhetisches Problem. In erster Linie tötet es sinnlos unzählige Tiere - wie diesen Basstölpel.

    Quelle: Uli Kunz


    Eins meiner Ziele als Meeresbiologe und Forschungstaucher ist es, den Funken in (jungen) Menschen zu zünden. Bei Vorträgen in Schulen oder Firmen, nach Terra-X-Sendungen und über verschiedene Social-Media-Kanäle werde ich häufig nach dem idealen und typischen Weg zum "Meeresforscher" oder "Meeresschützer" gefragt. Da muss ich gleich den Begriff zerlegen - "typisch" ist in diesem Bereich gar nichts.

    Zur Rettung des Ozeans müssen viele Experten forschen

    Zu vielfältig sind die Arbeiten, zu komplex die Zusammenhänge in den Ozeanen, als dass sie ein Typus "Forscher*in" erledigen und verstehen könnte. Daher wird der Ozean, sein Zusammenspiel mit der Atmosphäre und den Kontinenten, seine Nutzung und der Schutz von einer Armada an Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und Techniker*innen untersucht und umgesetzt. Aber auch Matros*innen, Köch*innen, Logistiker*innen, Geolog*innen und viele andere Berufe und Aktivitäten auf und unter dem Wasser, in Instituten und Ministerien, an Universitäten, in Werkstätten oder Naturschutzorganisationen tragen zum besseren Verständnis und Schutz der Ozeane bei.
    Es liegt also nicht nur am Studium oder an der Ausbildung, sondern in höchstem Maße daran, ob wir uns für die Ozeane einsetzen wollen. Wenn ja, ist es nie zu spät, das zu tun! Und überlassen Sie das Feld nicht nur den vermeintlich "professionell" Ausgebildeten - Meeresschutz ist für uns alle von überragender Bedeutung. Also sollten wir ihn auch gemeinsam angehen.
    Meeresbiologe und Forschungstaucher Uli Kunz ist in der Ostsee unterwegs und entdeckt Erstaunliches. Von tödlichen Geisternetzen, steigenden Wassertemperaturen und CO2-Speichern.10.04.2022 | 43:30 min

    … ist Meeresbiologe, Forschungstaucher und Terra-X-Moderator. Die Ozeane sind seine große Leidenschaft, wie er auch für Terra X Instagram regelmäßig zeigt. Eigentlich wollte er mal Neurochirurg werden, heute sammelt er Walkacke und taucht mit großer Freude auch in kalten und schlammigen Gewässern.

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