Überschwemmungen in Pakistan: Das Wasser steigt weiter
Überschwemmungen in Pakistan:Das Wasser steigt - die Verzweiflung auch
von Norman Odenthal
02.09.2022 | 17:26
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Wasser schießt die Berge herunter, reißt Schneisen in die Städte, bildet Flüsse, riesige Seen. Satellitenbilder zeigen: Pakistan ist nicht dasselbe Land wie vor der Flut.
Die Katastrophe bahnt sich weiter ihren Weg. Von den Bergen des Himalaya strömen Wassermassen Richtung Arabisches Meer im Süden. Allein durch den Fluss Indus peitschen 20.000 Kubikmeter – jede Sekunde.
Das hat der pakistanische Katastrophenschutz berechnet. Dort, in der Provinz Sindh, sind seit Wochen heftigste Monsunregen heruntergegangen. Bis zu 60 Prozent der Provinz sollen bereits überflutet sein. Mit dem Wasser, das jetzt unablässig aus dem Norden kommt, steigt die Verzweiflung der Menschen.
Pakistan ist weltweit vom Klimawandel mit am meisten betroffen
Das Land ist den Naturgewalten ausgesetzt, immer wieder wird es hart getroffen. Pakistan zähle zu den acht Staaten weltweit, die wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels sind, erklärt Farzana Altaf Shah, Generaldirektorin der "Pakistan Environment Protection Agency".
So hat sich Pakistan sich bereits verändert (Vorher/Nachher):
Die Lage zwischen Meer und Bergen, die Gletscher im Norden, die lange Küstenlinie im Süden – dazwischen toben Stürme, Regen, Hitze. Und jetzt also Überschwemmungen – wieder einmal. Das Ausmaß und die Häufung solcher Katastrophen sind für Farzana Altaf Shah Beweis genug, dass der Klimawandel die Ursache ist.
Und sie betont, dass Pakistan hart leide, selbst aber kaum zur Erderwärmung beitrage, weil die CO2-Emissionen im Vergleich zu anderen Industrienationen gering sind.
Viel Kritik an der pakistanischen Regierung
Trotzdem bleibt die Frage nach Verantwortung. Viele der Betroffenen kritisieren die pakistanische Regierung, weil sie so lange vergeblich auf Hilfe warten. Bahadur Khan, der sein Haus, sein komplettes Hab und Gut in den Fluten verloren hat, ist einer von ihnen.
Von der Regierung ist nichts gekommen und wird auch nichts kommen. Die Politiker interessieren sich nicht für uns. Nur Allah, der Allmächtige, kann uns helfen.
Bahadur Khan
Tatsächlich steckt die pakistanische Politik gerade wieder im großen Durcheinander. Ein Premierminister löst den anderen ab, alle werfen sich Korruption vor, die Lager stehen sich verfeindet gegenüber, obwohl das Land gerade nichts mehr braucht als Zusammenhalt.
Mehr als 1.200 Menschenleben haben die Überschwmmungen in Pakstian bislang gefordert
33 Millionen Menschen, heißt es, sind von den Überschwemmungen betroffen. Vielerorts ist die Infrastruktur zerstört, Straßen, Brücken, Strommasten, Wasserleitungen.
Unter den mehr als 1.200 Toten, die man bisher gefunden hat, sollen etwa 400 Kinder sein.
Eine Katastrophe diesen Ausmaßes kann man mit menschlichen Mitteln nicht kontrollieren. Das ist nicht zu schaffen,
erklärt die Klimaexpertin Farzana Altaf Shah. "Das einzige, was Menschen proaktiv unternehmen können, ist die Evakuierung großer Regionen. Wenn sich eine solche Sintflut erstmal in Bewegung gesetzt hat und von Nord bis Süd über das Land rollt, dann hält nichts sie auf, bis das Wasser ins Meer abgeflossen ist."
Das Ausmaß der Schäden in Pakistan wird erst noch zu sehen sein.
Die Monsun-Saison ist nicht vorbei, noch bis tief in den September kann es weiter stark regnen. Und dann erst kommt der Moment, wo erkennbar wird, wie groß die Schäden wirklich sind.
Klar ist: Große Teile der Ernte sind nicht zu retten, viele Nutztiere jämmerlich ertrunken. Wovon sollen die Menschen leben, was soll sie ernähren? Krankheiten breiten sich aus, Cholera, Malaria, Dengue-Fieber. Die Zustände in vielen Notunterkünften sind erbärmlich. Internationale Hilfe ist angelaufen - und sie wird dringend benötigt.
Wer kümmert sich um die Angehörigen?
Es wird lange dauern, bis die Schäden behoben sind. Und es wird teuer: von zig-Milliarden ist die Rede. Aber nicht alles lässt sich beziffern: Menschenleben sind unwiederbringlich verloren.
Auch davor warnt die Klimaexpertin Farzana Altaf Shah.
Vor allem die Angehörigen, die um ihre Liebsten trauern, ihre Kinder in den Fluten verloren haben, sind traumatisiert. Diesen Menschen zur Seite zu stehen, wird eine große Aufgabe für uns alle in Pakistan.
Altaf Shah, Klimaexpertin
Eine enorme Herausforderung – wenn das Wasser längst schon wieder abgeflossen ist.
Normen Odenthal ist Leiter des ZDF-Auslandsstudios in Singapur.