Papst Franziskus ist in Kanada eingetroffen. Im Mittelpunkt seiner Reise stehen die Verbrechen der katholischen Kirche an indigenen Kindern.
Es ist die erste Reise, seitdem ihn sein Knieleiden in den Rollstuhl gezwungen hat, und deshalb ist die Aufmerksamkeit über den Wolken groß, als Papst Franziskus im Flugzeug nach Kanada an diesem Sonntag zur Begrüßung ans Mikrofon kommt. Wird der 85-Jährige sitzen, kann er durch die Reihen gehen und wie üblich jeden Journalisten persönlich begrüßen?
Diese apostolische Reise nach Kanada ist körperlich anstrengend. Schwer wiegt aber vor allem der Grund dieser Reise. Es sei eine Reise der Buße, so Papst Franziskus auf dem Hinflug: "Gehen wir sie in diesem Geiste an."
Auf seiner sechstägigen Reise sind Stationen in Edmonton, Québec und Iqaluit am Nordpolarkreis geplant. Das katholische Kirchenoberhaupt trifft sich in erster Linie mit indigenen Vertretern der First Nations, Metis und Inuit und wird sie um Vergebung bitten. In Kanada wurden im 19. und 20. Jahrhundert indigene Kinder von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in sogenannten Residential Schools umerzogen, misshandelt und auch sexuell missbraucht. Tausende starben an Krankheiten oder Unterernährung. Für Entsetzen sorgten im vergangenen Jahr Funde Hunderter anonymer Kindergräber.
Über Jahrzehnte hinweg wurden Kinder indigener Familien in Kanada in Internate gesteckt. Mehr als 4.100 von ihnen starben an Gewalt und Missbrauch.
Indigene Gruppen fordern eine Entschuldigung auf kanadischem Boden
Die Schulen wurden vom Staat finanziert. Für die Beteiligung der katholischen Kirche, die eine Vielzahl dieser Schulen betrieb, fordern indigene Gruppen eine päpstliche Entschuldigungsbitte auf kanadischem Boden. Im März kam es bereits zu einer Begegnung mehrerer indigener Delegationen mit dem Papst in Rom.
Eine Inuit-Organisation in Nordwest-Kanada will dagegen aber auch jetzt keinen Vertreter zur Begegnung mit dem Papst nach Iqaluit entsenden. Zwar erkenne man die Geste der Papstreise an, aber solange die römisch-katholische Kirche keine eindeutige Verpflichtungserklärung zur Aufarbeitung des Unrechts abgebe, würden sich die Vertreter der Inuvialuit Regional Corporation zurückhalten. Die Inuvialuit, so heißt es in ihrer Erklärung, tragen nach wie vor die Last des generationsübergreifenden Traumas, das von den Internatsschulen herrührt, und werden diese Gräueltaten niemals vergessen.
Das Schicksal der Ureinwohner weltweit im Blick behalten
Das Schicksal der Indigenen geht Papst Franziskus nahe und die Dimension dieser Reise geht weit über Kanada hinaus. Es gilt, das Schicksal der Ureinwohner weltweit im Blick zu behalten. Die Reise ist ihm ein inniges Bedürfnis, trotz seines angeschlagenen Knies. Seit Wochen absolviert der 85-Jährige Termine im Rollstuhl. Eine geplante Afrika-Reise musste kurzfristig wieder abgesagt werden. Die Kanada-Reise findet statt - und auch das ist eine Botschaft.
Papst Franziskus mag körperlich angeschlagen sein, aber von Amtsmüdigkeit kann auch im zehnten Jahr seines Pontifikats nicht die Rede sein. Als er auf dem Hinflug einen Sonntagsgruß "Buona Domenica a tutti" ins Mikrofon spricht, steht er gestützt auf einen Stock. Aber er steht und seine Verfassung lässt es ebenfalls zu, dass er im Anschluss durch die Sitzreihen geht, bei uns Journalisten stehen bleibt und sich zuweilen munter und interessiert unterhält.
Das Programm nimmt Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Pontifex. Zwei Termine pro Tag, mit längeren Ruhepausen. Es wird viel davon abhängen, wie die Kanada-Reise verläuft, ob und wann Papst Franziskus wie angekündigt nach Kiew reisen kann. Viele meinen, das wird bald geschehen. Vorbereitet werde eine solche Reise aber erst nach der Rückkehr aus Kanada - und die hat ja gerade erst begonnen.
Andreas Postel leitet das ZDF-Studio in Rom und begleitet Papst Franziskus auf seiner Kanada-Reise.