Heute beginnt der erste Schritt für mehr Geld in der Pflege. Was bringt die Erhöhung des Mindestlohns Pflegekräften finanziell? Und: Hilft sie, um die Pflegeprobleme zu lösen?
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12,55 Euro für Pflegehilfskräfte. 13,20 Euro für qualifizierte Pflegehilfskräfte. 15,40 Euro für Pflegefachkräfte. Das sind die neuen Mindestlöhne, die ab heute in der Pflege gelten. Das Plus von 55 Cent (Pflegehilfskräfte), 70 Cent (qualifizierte Pflegehilfskräfte) und 40 Cent (Pflegefachkräfte) ist für Christine Vogler allenfalls ein schlechter Aprilscherz.
Der von der Pflegekommission ausgehandelte Pflege-Mindestlohn, der bis zum 1. Dezember 2023 in drei Schritten steigen soll, ist für die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR) schlichtweg eines: indiskutabel. Vorgesehen sind am 1. Dezember 2023 dann: 14,15 Euro für Pflegehilfskräfte, 15,25 Euro für qualifizierte Pflegehilfskräfte und 18,25 Euro für Pflegefachkräfte.
Meist wird bereits über dem Mindestlohn bezahlt
Vogler kritisiert:
Die aktuelle Erhöhung ist für die engagierte Pflegepolitikerin auch aus einem anderen Grund wertlos: "Die meisten Pflegekräfte betrifft diese Erhöhung ohnehin nicht, weil bereits meist über diesem Mindestlohn gezahlt wird." Ihre Forderung:
Pflegekräfte besser zu bezahlen ist auch nach Ansicht von Simon Reif sinnvoll und nötig. "Aus wirtschaftlicher Sicht ist es paradox, dass wir auf der einen Seite einen enormen Mangel an Pflegekräften haben, anderseits die Menschen, die in diesem Beruf arbeiten, vergleichsweise niedrige Gehälter bekommen", so der promovierte Gesundheitsökonom am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim.
Durch die vielen Neuinfektionen fällt in Krankenhäusern immer mehr Personal aus. Kann das Leistungs-Angebot einigermaßen aufrechterhalten werden?
Es braucht bessere Rahmenbedingungen, nicht nur mehr Geld
Ein Grund, warum dennoch nicht mehr gezahlt wird, liegt für Simon Reif auf der Hand: "Die Pflegeheime können nur das ausgeben, was sie durch Sozialversicherung und Eigenanteile einnehmen. Sowohl Erhöhungen in den Sozialversicherungsbeiträgen als auch höhere Eigenbeteiligungen werden von den meisten abgelehnt, während sie im gleichen Atemzug eine bessere Bezahlung im Gesundheitswesen fordern."
Neben einer finanziellen Aufwertung sind sowohl für Christine Vogler als auch für Simon Reif bessere Arbeitsbedingungen entscheidend, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen.
Ein Ansatzpunkt für ihn: die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit. "Viele Pflegekräfte reduzieren freiwillig, nur um ihren Beruf weiterhin so ausüben zu können, dass er sie körperlich nicht kaputt macht. Das kann nicht die Lösung für ein nachhaltiges Gesundheitssystem sein", so Simon Reif.
Gesundheitssystem zu krankenhauslastig
Dass dadurch weniger Pflegekräfte zur Verfügung stehen würden, ist aus seiner Sicht kein Problem: "Im internationalen Vergleich haben wir sehr viele Pflegekräfte pro Einwohner, allerdings schneiden wir schlecht ab, was die Anzahl der Pflegekräfte pro Bett betrifft. Unser Gesundheitssystem ist zu krankenhauslastig." Reif weiter:
Zu guten Arbeitsbedingungen gehört für Christine Vogler auch ein Mehr an Mitbestimmung: "Pflegende müssen die Mitgestalter werden in den Einrichtungen." Zudem plädiert sie für mehr Autonomie in der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an ausgebildete Pflegekräfte:
Ziel bei alledem: den menschlichen Aspekt in der Pflege zu unterstützen. Denn Pflege lebt davon, dass sie menschlich ist. Auch für die Beschäftigten.
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