Potenzmittel gibt es in Deutschland aufgrund von Nebenwirkungen bislang nur mit ärztlichem Rezept. Die Arzneimittelbehörde empfiehlt, das auch so zu belassen.
Der Viagra-Wirkstoff Sildenafil bleibt rezeptpflichtig. Ein Expertengremium der Arzneimittelbehörde BfArM in Bonn empfahl am Dienstag, den Wirkstoff nicht aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichte die Empfehlung des Expertengremiums auf seiner Internetseite. Dort heißt es: "Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Sildenafil 50 mg zur oralen Anwendung abzulehnen."
Über die Rezeptpflicht für Viagra und und andere Potenzmittel war zuvor heftig debattiert worden. Prof. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit, sieht Vor- und Nachteile. Das größte Pro einer Rezeptfreiheit wäre in seinen Augen, dass dem Schwarzmarkt im Internet der Boden entzogen würde.
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Risiko von Herzschädigungen durch gefälschte Produkte
"Wir haben vor einigen Jahren eine Studie gemacht, da haben wir 22 Produkte untersucht, die man im Internet frei bestellen kann, und festgestellt, dass bei über 80 Prozent nicht das drin war, was angegeben war. Wir hatten zum Beispiel eine Gruppe, da war die Dosis viermal so hoch."
Wenn man das regelmäßig einnehme, habe man ein sehr hohes Risiko für Herzschädigungen. Zudem stellten die Wissenschaftler Verunreinigungen etwa mit Schwermetallen fest.
Vom Schwarzmarkt mit gefälschten Markenprodukten zu unterscheiden sind Online-Angebote von Ärzten, bei denen der Interessent zunächst einen medizinischen Fragebogen ausfüllt und dann gegebenenfalls Viagra oder ein anderes Mittel verschrieben und aus dem Ausland zugeschickt bekommt.
Zahl der Arztbesuche von Männern könnte sinken
Dabei kann man laut Sommer im Regelfall zumindest davon ausgehen, dass man das Originalprodukt erhält. Allerdings: Vier der blauen Viagra-Rautentabletten können ungefähr 60 Euro kosten.
Sommer, der 2005 als erster Arzt zum Professor für Männergesundheit berufen wurde, sieht auch einige Nachteile eines rezeptfreien Sildenafil:
"Wir erkennen das bei der Untersuchung der Blutgefäße ungefähr acht Jahre vorher. Und da hat man dann eben noch Zeit, entsprechend gegenzusteuern", erläutert Sommer weiter. "Kommt es aber erst gar nicht zum Arztbesuch, fällt das weg."
Die Mehrheit der Männer erlebt mal eine längere Erektionsstörung. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Problem mit Wechselwirkungen
Werde die Grunderkrankung nicht behandelt, so Sommer, verschlimmere sich die Erektionsschwäche und das eigentliche Leiden immer weiter. "Man braucht deshalb eine immer höhere Dosis, um doch noch eine Erektion zu erreichen. Bis irgendwann auch die höchste nicht mehr reicht. Wenn man aber dann erst zum Arzt geht, ist es für eine Heilung oft zu spät."
Ein weiteres Risiko: Der Patient hat möglicherweise keinen Überblick darüber, welche Medikamente mit Sildenafil nicht verträglich sind. "Es gibt Herzmedikamente, die Nitrate haben." Wenn diese gemeinsam mit Sildenafil eingenommen würden, könne ein zum Tod führender sogenannter hypotoner Schock die Folge sein.
Freigabe mit Risiken und Nebenwirkungen
Die Entscheidung über die Entlassung aus der Rezeptpflicht stellt also eine schwierige Abwägung dar. "Ich würde dazu raten, sich beide Seiten anzuhören", sagt Sommer. "Die Pharmaseite, die die Freigabe befürwortet, aber eben auch die unabhängigen Wissenschaftler."
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Insgesamt sei die Entdeckung von Sildenafil als Potenzmittel durch den US-Konzern Pfizer "ein Geschenk des Himmels" gewesen, sagt Sommer. Zum einen deshalb, weil das Thema Erektionsschwäche infolge der umfangreichen Berichterstattung in den Medien aus der Tabuzone herausgekommen sei.
Potenzmittel als Antrieb für medizinische Forschung
Und zum zweiten, weil dies eine Serie von wissenschaftlichen Untersuchungen zur Folge gehabt habe. "Da hat sich dann eben erst gezeigt, dass der Zustand der Penisgefäße einen Herzinfarkt voraussagen kann." Und:
Noch in den 80er Jahren herrschte dagegen die Ansicht vor, dass 90 Prozent der Erektionsstörungen psychisch bedingt seien. "Heute ist Stand der Wissenschaft, dass es genau umgekehrt ist: 80 bis 90 Prozent haben körperliche Ursachen, und dann kommt die Versagensangst vielleicht noch oben drauf."