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Schweigeminute bei Filmpreis:Große Trauer um Holocaust-Überlebende Friedländer
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Nach dem Tod von Margot Friedländer mahnt Bundespräsident Steinmeier, die jüdische Gemeinschaft nicht im Stich zu lassen. Beim Deutschen Filmpreis gab es eine Schweigeminute.
Der Tod der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer (103) hat große Trauer ausgelöst. "Sie war ein Wunder von Mensch", sagte Starpianist Igor Levit in Berlin bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises.
Die Nachricht habe ihn kurz vor der Laudatio überrollt, sagte Levit, der jüdische Wurzeln hat, mit Tränen in den Augen. Er rief das sichtlich bewegte Publikum zu einem Moment des Schweigens auf.
Starpianist: Friedländer gab "Gefühl von Sinnhaftigkeit"
Mit ihrem Händedruck habe Friedländer vielen, auch ihm selbst, ein Gefühl von Sinnhaftigkeit gegeben, sagte Levit anschließend. Er habe sie vor, auf und hinter der Bühne erlebt, wo sie an die Menschlichkeit appellierte.
Ihre Existenz, ihr Leben, war eine Aufforderung, ihr gerecht zu werden. Ihre nicht mehr reale Existenz unter uns ist eine noch viel größere Aufforderung, ihr gerecht zu werden.
Igor Levit, Starpianist
Andernfalls bleibe nicht viel von Friedländer, so Levit. "Das darf keiner von uns, der noch an Menschlichkeit glaubt, zulassen. Möge ihre Seele in Frieden ruhen", schloss er.
Steinmeier: "Unserem Land Versöhnung geschenkt"
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich betroffen. "Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt - trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein", sagte er über Friedländer.
Am selben Tag wollte er der Holocaust-Überlebenden eigentlich das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik verleihen. Der Termin war schon im Vorfeld abgesagt worden - auf Bitten von Friedländer, wie es hieß.
Margot Friedländers Vermächtnis ist uns Mahnung und Verpflichtung.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
"Gerade in einer Zeit, in der die Demokratie angefochten wird und sich Antisemitismus wieder unverhohlen zeigt, bleibt es unsere Verantwortung, die jüdische Gemeinschaft in unserem Land nie wieder im Stich zu lassen", erklärte der Bundespräsident.
"Gesellschaft ohne sie kaum vorstellbar"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, würdigte Friedländer als mutige und starke Frau. "Eine Gesellschaft ohne sie ist für mich kaum vorstellbar." Friedländer habe das Menschsein zu ihrem zentralen Anliegen gemacht. "Sie war nicht nur eine mahnende Stimme unserer Zeit, sondern besaß auch die Gabe, stets das Beste in ihrem Gegenüber zu sehen", betonte Schuster.
Margot Friedländers Tod zeigt uns die Vergänglichkeit der Erinnerung; er verweist auf die große Verantwortung, die wir gegenüber dieser mutigen und starken Frau und ihrer ganzen Generation haben.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden
Die Überlebende habe den Glauben an eine gerechte, friedliche Welt niemals aufgegeben. "Ehren wir sie, indem wir diesen Glauben weitertragen."
Kondolenzbuch im Bundestag
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bezeichnete Friedländer auf der Plattform X als eine "der stärksten Stimmen unserer Zeit". Sie sei für ein friedliches Miteinander, gegen Antisemitismus und Vergessen eingetreten.
Posting von Kanzler Merz
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Sein Vorgänger Olaf Scholz (SPD) mahnte auf X, nicht zu vergessen, wie Friedländer Deutschland die Hand gereicht habe. "Ein großes Glück für unser Land", schrieb Scholz.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner betonte, Friedländer habe ihre Erinnerungen als einen Auftrag für die Zukunft verstanden: "'Seid Menschen!' - mit dieser schlichten aber eindringlichen Botschaft verdichtete sich ihre Lebensweisheit, gewonnen im Angesicht von Unmenschlichkeit." Im Bundestag werde ab der kommenden Woche ein Kondolenzbuch ausgelegt, kündigte Klöckner an.
"Versuche, dein Leben zu machen"
Friedländer war am Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben, wie die Margot Friedländer Stiftung mitteilte. Ihre Familie hatte vergeblich versucht, vor den Nationalsozialisten in die USA zu fliehen - sie wurde in Auschwitz ermordet. Friedländer selbst überlebte und wurde 1944 nach Theresienstadt gebracht. Ihre Erlebnisse schrieb sie in ihrer Autobiografie "Versuche, dein Leben zu machen" nieder.
Quelle: dpa
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Quelle: KNA, ZDF
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