Seit 70 Jahren steht Königin Elizabeth II. an der Spitze des englischen Königshauses. Ein Leben für die Pflicht, mit Höhen und Tiefen.
Es sind diese wenigen Momente, wo ihr trockener Humor aufblitzt: Zum 65. Thronjubiläum betrachtete die Queen eine Insignie ihrer Macht. Vor ihr die Krone der Königin, ihre Krone. Schwer sei sie, erklärt Elizabeth II., könne einem das Genick brechen, wenn man runter schaue. "Kronen haben ein paar Nachteile, aber ansonsten sind sie schon von einiger Bedeutung."
Nun wieder ein Meilenstein, 6. Februar - 70 Jahre auf dem Thron. Die fast 96-Jährige schaut sich erste Geschenke aus der Bevölkerung an. Ein Video, zur Eröffnung des Jubeljahres. Mit dabei erste Bewerber um den Titel Platin-Jubiläums-Pudding, einem Wettbewerb zu ihren Ehren. Die Königin amused, alles very british und royal. Traditionell, und doch irgendwie Teil der Moderne.
"Wandel, ohne zu viel zu verändern"
Diesen Spagat, erklärt Prof. Anna Whitelock, Historikerin an der City-Universität London, habe sie hinbekommen. "Wandel, ohne zu viel zu verändern. Eine Gratwanderung, da ja Monarchie eben für Standfestigkeit, etwas Unveränderbares steht." Doch ohne Veränderung drohe eben Irrelevanz. "Andere Institutionen sind unter die Räder gekommen, die Queen hat die Monarchie bewahrt und populär gehalten", so Whitelock. "Ihr vielleicht größter Verdienst."
Der 6. Februar, ein Tag der Trauer, das hat Elizabeth immer betont. Ihr geliebter Vater stirbt, mit 25 wird sie ins Rampenlicht der Verantwortung katapultiert. Pflichterfüllung stehe über allem, das hat sie schon als junge Prinzessin in einer Ansprache betont. Und beherzigt, bis heute. Abdankung ist ausgeschlossen. Auch wenn die Sorgenfalten der royalen Beobachter tiefer werden.
Schreckensjahr 2021 für die Queen
Mehrere hochkarätige Events hat die Queen jüngst absagen müssen. Das Schreckensjahr 2021 liegt hinter ihr. Der Verlust von Prinz Philip, ihrem Gefährten, fast 75 Jahre waren sie verheiratet. Harry und Meghan brechen mit dem Königshaus. Die einstigen Hoffnungsträger werfen der royalen Familie Rassismus vor. Lieblingssohn Andrew ist tief verstrickt in den Missbrauchsskandal Jeffrey Epstein. Nun droht gar ein Gerichtsprozess wegen Sex mit einer Minderjährigen.
"Erstaunlich, wie sie das alles wegsteckt, auch nach der langen Zeit der Corona-Isolation auf Schloss Windsor", findet Katie Nicholl, Königshaus-Korrespondentin der "Vanity Fair". "Gerade im Jubiläumsjahr wird vielen Briten klar, wie wichtig sie gerade für die Nation ist."
Versöhnen und zusammenhalten
Der Brexit hat das Vereinigte Königreich gespalten hinterlassen. Die Wunden der Corona-Pandemie sind noch frisch. "Gerade in dieser schweren Zeit", so Nicholl, "hat die Queen mit ihren Reden an die Nation Trost und Hoffnung gespendet." Eben den Laden zusammengehalten, wie nur sie das könne. Mit all ihrer Erfahrung, mit ihrer Popularität als Großmutter der Nation. Kaum einer kennt eine andere auf dem Thron, und kaum einer kann sich das vorstellen.
Und die Zweifel, dass Thronfolger Charles auch nur ansatzweise in diese riesigen Fußspuren wird treten können, seien groß und berechtigt, fürchtet Nicholl. Dabei hat auch der Thronfolger an Profil gewonnen, aber auf ihm lastet der lange Schatten der Diana-Jahre. Die öffentliche Schlammschlacht, der Weg vom Traum- zum Albtraumpaar hat der Monarchie geschadet, sogar die Queen hat einen seltenen Fehler gemacht. Die Stimmung nach Dianas Unfalltod 1997 falsch eingeschätzt, ihr wurde Herzlosigkeit attestiert.
Die Rekord-Königin
Die Queen, die Monarchie hat gelernt. William und Kate, der nächsten Generation, wurde Zeit gegeben. Doch auch hier bleibt die große Frage: Kann die Monarchie relevant bleiben, in der Zeit nach der Jahrhundert-Königin? Der wohl meistfotografierten Frau der Welt. Die das Commonwealth, den losen Staatenbund, Überbleibsel des Empires, zusammengehalten hat.
In 15 Ländern ist Elizabeth II. noch immer Staatsoberhaupt. 250 Auslandsreisen hat sie gemacht, Schurken, Diktatoren, Hoffnungsträger empfangen. 14 Premierminister, von Churchill über Thatcher bis Johnson, hat sie bei den wöchentlichen Audienzen genossen oder ertragen. Sie ist als Versöhnerin aufgetreten: Bei der Überwindung des Apartheidregimes in Südafrika, im schwierigen Verhältnis mit Irland, bei der Wiederannäherung an die Bundesrepublik nach dem Krieg. Und. Und. Und.
Eine bescheidene Queen?
Eine Königin der Rekorde. Die seit 70 Jahren unermüdlich ihr Motto abarbeitet. "Man muss mich sehen, um an mich glauben zu können." Nicht nur viele Briten hoffen, dass man sie noch sehr oft sehen wird. Über ihr Jubiläum hinaus. "Die Queen selbst", so Historikerin Whitelock, "dürfte sich am wenigsten dafür begeistern können. Zu viel Aufhebens um solche Formalitäten - das war noch nie ihre Sache."