Diversität: Queere Literatur kämpft um Platz im Buchregal

    Diversität in der Literatur:Queere Literatur kämpft um Platz im Buchregal

    von Stefanie Lungu, Frankfurt
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    Die Literaturwelt befindet sich im Wandel und das Thema "Diversität" findet Gehör. Vor allem in der Jugendliteratur spielen queere Protagonist*innen eine immer größere Rolle.

    Ein Bücherstapel vor einem Bücherregal
    Nur langsam findet queere Literatur den Einzug in den Buchhandel. (Symbolbild)
    Quelle: dpa, Frank Rumpenhorst

    Romeo und Julia, Elizabeth Bennett und Fitzwilliam Darcy, Bella Swan und Edward Cullen - die berühmtesten Liebespaare der Weltliteratur bilden alle das heteronormative Geschlechtermodell ab. Doch könnte sich dies bald ändern? Nachdem viele Jahrhunderte lang heteronormative Erzählungen die Literatur dominiert haben, erhalten nun queere Protagonist*innen immer mehr Raum in der Verlagswelt.

    Buchpreis für Roman mit non-binärer Erzählfigur

    Viel Aufmerksamkeit bekam queere Literatur bereits zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse: Kim de l'Horizon ist für den Roman "Blutbuch" mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. Die Hauptfigur identifiziert sich weder als Mann noch als Frau und lehnt gängige Geschlechterbenennungen ab. Auch Kim de l'Horizon selbst versteht sich als non-binäre Person:

    Große Verlage wagen sich aus der Deckung

    Vor allem in der Jugendliteratur wird die Thematik stärker repräsentiert. So sorgen Autorinnen wie Sarah Sprinz und Marie Graßhoff auf der Frankfurter Buchmesse mit ihren queeren Jugendromanen für Sichtbarkeit.
    Auch Jim Baker, Mitgründer des ersten lesbisch-schwulen Verlags, dem Berliner Querverlag, kämpft seit fast 30 Jahren für diese Sichtbarkeit. "Jetzt langsam kommen auch Großverlage mit LGBTQ-Büchern", beschreibt er die Veränderung in der Verlagswelt. Doch Baker wünscht sich mehr Sichtbarkeit für die kleinen Verlage:

    Sobald ein Großverlag so einen Titel bringt, dann wird er gelobt für den Mut, für das, was wir schon seit Jahrzehnten machen, und das taucht in der Wahrnehmung der meisten Medien kaum auf.

    Jim Baker, Mitgründer des ersten lesbisch-schwulen Verlags, dem Berliner Querverlag

    Vor allem in den kleinen Verlagen wachse eine neue Generation nach, deren Schauplatz sich mit Geschlechtsidentität beschäftige. Doch trotz der sich verändernden Gesellschaft und dem damit einhergehenden Wunsch nach Vielfalt, wird in Bakers Augen die Anerkennung für Queerness in der Literatur nicht einfacher. "Es ist nach wie vor ein Kampf um jedes Regal, um jede Buchhandlung, um Sichtbarkeit", beschreibt er die Situation.
    Jim Baker, Mitgründer des ersten lesbisch-schwulen Verlags, dem Berliner Querverlag
    Jim Baker kämpft seit fast 30 Jahren für die Sichtbarkeit queerer Literatur.
    Quelle: ZDF

    Queere Bücher: Oft bloß Nischenliteratur

    Obwohl Jugendromane wie "Am Ende sterben wir sowieso" oder "Heartstopper" die Spiegel-Bestsellerlisten schmücken, werden queere Bücher weiterhin oft als Nischenliteratur angesehen. Deshalb würde er sich ein bisschen mehr Offenheit und Risikofreude seitens der Buchhändler wünschen.
    Dass sich im Bereich der Jugendliteratur ein Fortschritt feststellen lässt, freue ihn. "Die Jugendbuchlektorate sind viel mutiger als im erwachsenen Bereich", beschreibt Baker das steigende Angebot. Die Bereitschaft sich andere Gedankenideen anzuhören sei seiner Meinung nach in dem Alter zwischen 12-18 Jahren eher gegeben.

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    FAQ

    Autoren schreiben nun, was sie "als Jugendliche gebraucht hätten"

    Der britische Autor George Lester schließt sich dem an: "Es ist ein langsamer Fortschritt zu verzeichnen, aber es ist ein Fortschritt." Im Jahr 2021 veröffentlichte er das queere Jugendbuch "In all seinen Farben", die die Geschichte des queeren Protagonisten Robin über Selbstfindung, Mut, Freundschaft und wahre Liebe erzählt. Das steigende Angebot in der Jugendliteratur erklärt er sich wie folgt:

    Heutzutage gibt es eine Menge Autorinnen und Autoren, die Geschichten schreiben, die sie als Jugendliche gebraucht hätten.

    George Lester, Autor

    Er selbst spricht aus eigener Erfahrung, denn ihm habe eine literarische Identifikationsperson während seiner Jugend gefehlt. "Es ist unglaublich wichtig, dass man sich in den Büchern, die man liest, wiederfindet", so Lester.
    Der britische Autor George Leste
    Der britische Autor George Leste sieht einen Fortschritt bei queerer Literatur - wenn auch nur einen geringen.
    Quelle: ZDF

    Auch im Buchwesen: Kampf für Gleichberechtigung

    Nachdem er seinen ersten queeren Roman gelesen hat, habe sich seine Welt verändert:

    Ich konnte in einem Buch jemanden sehen, der so war wie ich, und das bedeutete mir alles.

    George Lester, Autor

    Dies gab ihm die Motivation sein eigenes Buch zu schreiben, um junge Menschen zu erreichen, die sich selbst in den Geschichten widergespiegelt sehen müssen.
    Doch auch ihm mangelt es weiterhin an Unterstützung im Verlagswesen: "Es ist eine Sache, solche Bücher zu veröffentlichen, aber wenn sie nicht in gleichem Maße durch Marketing- und PR-Maßnahmen unterstützt werden wie heterosexuelle Bücher, dann ist die Veröffentlichung queerer Bücher eben nur ein Haken auf der To-Do-Liste der Verlage."

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