Sie sehen asiatisch aus - und für manche sind sie allein deshalb eine Gefahr: Drei Betroffene erzählen von Diskriminierung, befeuert durch die Ausbreitung des Coronavirus.
In ganz China grassiert die Angst, sich mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken. Es trat zum ersten Mal in der Provinz Hubei auf. Menschen, die die Provinz besucht haben, sehen sich massiven Restriktionen und Anfeindungen ausgesetzt.
Das Coronavirus breitet sich aus - und mit ihm die Anfeindungen gegen asiatisch aussehende Menschen. In Frankreich, Japan und auch in Deutschland. In sozialen Netzwerken berichten Betroffene davon, dass sie in der Öffentlichkeit gemieden werden oder "Chinese" zum Schimpfwort wird.
Aus der Angst sich anzustecken resultiert Ausgrenzung. Youtuberin Hazel, Journalist Marvin Xi Ku und die Politikwissenschaftlerin Liya Yu berichten von ihren Erfahrungen und welchen Umgang sie sich wünschen würden.
Aufklären gegen Anfeindungen in den Kommentarspalten
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Youtuberin
Eigentlich veröffentlicht die Youtuberin Hazel auf ihrem Kanal lustige Videos. Comedy und Parodien zum Beispiel. Ihr aktuellstes Video mit dem Titel "Hast du Corona? - Die Wahrheit" ist anders. Sie beginnt sachlich, nennt Fakten zum Coronavirus und zitiert Studien des Robert-Koch-Instituts.
Junge Zuschauer hätten ihr von Rassismus auf dem Schulhof berichtet, wo das Wort "Chinese" zum Schimpfwort geworden ist. "Ein Freund von mir war in der Bibliothek und er saß relativ in der Mitte des Tisches. Dann hat er angefangen zu husten. Dann wurde er komisch angestarrt und dann saß er plötzlich alleine da", erzählt Hazel.
Auch Hazel erlebt in den Kommentaren unter ihren Videos zunehmend Anfeindungen aufgrund des Coronavirus. Sie verdeutlichen, wie jegliches asiatisches Erscheinungsbild pauschal als Gefahr dargestellt wird. Ganz egal ob man aus China kommt oder - wie Hazel - aus Vietnam.
In ihrem Video reagiert Hazel souverän und mit Ironie auf einige der Hass-Kommentare. Denn: Bei vielen dieser Reaktionen würde man merken, wie sich Angst und Panik in Diskriminierung verwandeln, sagt sie. "Ich bin davon überzeugt, dass Bildung hilft, die Angst davor zu minimieren."
Und ihr Video scheint gut anzukommen: Innerhalb von 24 Stunden hat es mehr als 145.000 Aufrufe. Das ist mehr als einige Videos, die bereits seit Wochen oder Monaten auf ihrem Kanal zu sehen sind.
Mehr Sensibilität: #IchBinKeinVirus
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Journalist
Dass Marvin Ku aufgrund seines Aussehens gefragt wird, wo er herkommt, kennt er. Dann erzählt er, er sei aus Nordhessen und dass seine Familie aus Shanghai käme. Dass ihm Gesprächspartner aber bewusst aus dem Weg gehen, ist neu. Der Grund: das Coronavirus.
Für ihn ist klar: "Auch wenn sich die Krankheit in Deutschland noch nicht arg verbreitet hat, ist der Rassismus schon da", schreibt Ku im Tagesspiegel. Dort erzählt der Journalist von einer Recherche im Berliner Zoo.
"Als ich eine Mitarbeiterin ansprach, trat sie zwei Schritte zurück und schaute irritiert." Auch bei einem anderen Mitarbeiter sei ihm das so gegangen. "Er wirkte, als wolle er ganz schnell weg von mir. Und ich hörte, wie seine Kollegin ihn noch fragte: 'Haste ooch Angst, dich mit Corona anzustecken?'"
"In dem Moment konnte ich das gar nicht realisieren", erinnert er sich im Gespräch mit dem ZDF. Zu dem Zeitpunkt hatte er von Rassismus in Verbindung mit dem Coronavirus noch nicht gehört.
Erst am nächsten Tag sei er Online auf die Erfahrungsberichte andere Betroffenen gestoßen, die vor allem in Japan und Frankreich leben. Sie werden unter den Hashtags #JeNeSuisPasUnVirus und #IAmNotAVirus gesammelt. Ku rief daraufhin #IchbinkeinVirus ins Leben. "Ich sah ihn als Bindemittel, um auch auf Fälle in Deutschland aufmerksam zu machen."
Die Reaktionen auf Kus Erfahrungsbericht sind zweigeteilt. Die einen nehmen ihn zum Anlass von ähnlichen Anfeindungen zu erzählen. Andere sind der Meinung, dass sein Erlebtes kein Rassismus, sondern Prävention sei. "Ich kann es durchaus verstehen, wenn Leute vorsichtig sind", sagt Ku.
In seinem Text fordert Ku deswegen vor allem eins: Sensibilität. Die helfe nicht nur gegen das Virus, sondern auch gegen Rassismus.
Menschen als Menschen wahrnehmen
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Politikwissenschaftlerin
Wenn Liya Yu sich in Berlin mit anderen Chinesen trifft, wird sie oft gefragt, ob sie in den letzten Wochen in China war. Auch sie stellt diese Frage ganz selbstverständlich. "Das ist ein sinnvoller Schutz gegen das Corona-Virus", sagt sie und wünscht sich diesen Umgang auch Menschen außerhalb der chinesischen Community. "Als Deutsch-Asiatin werden mir häufig gar keine Fragen gestellt. Stattdessen kommt das Urteil sofort."
Yu sieht darin ein Problem, dass in Deutschland nicht nur Menschen, die aus Wuhan kommen als potenzielle Gefahr angesehen würden, sondern alle Asiaten.
Sie kann verstehen, dass das Coronavirus viele verunsichert und einigen Angst macht. "Aber deshalb sollte ich die Menschen immer noch als Menschen wahrnehmen, die durch meine Reaktion verletzt werden können."
Die Politikwissenschaftlerin hat zu Rassismus und der daraus resultierenden Entmenschlichung geforscht. "Asiaten werden eher als Maschinen angesehen. Ohne Emotionen und ohne Kreativität." Wenn sie nun auch noch mit einem Virus gleichgesetzt werden, wird dieses Stereotyp verstärkt.
Deshalb hat Yu auch ein Problem mit großen Teilen der deutschen Berichterstattung, wie zum Beispiel dem aktuellen Spiegel-Cover. Es zeigt einen vermummten Mensch mit Gasmaske und trägt den Titel "Made in China".
"Die Medien dürfen die Angst vor dem Virus und vor uns asiatisch-aussehenden Menschen nicht noch weiter anstacheln", fordert Yu. Sie sollten eher deutsch-asiatische Menschen als Teil der Gesellschaft darstellen.
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