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Nach FPÖ-Sieg in Österreich:Wo Rechtspopulisten in Europa zulegen
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Der Wahlsieg der rechtspopulistischen FPÖ am Wochenende verdeutlicht einmal mehr: Rechte Parteien sind in immer mehr europäischen Parlamenten vertreten.
Rechtspopulisten in Europa gehen gestärkt aus Wahlen hervor. Geert Wilder und Marine le Pen, Archivbild
Quelle: dpa
Als die österreichische Rechtsaußen-Partei FPÖ vor knapp einem Vierteljahrhundert erstmals eine Koalition mit der konservativen ÖVP einging, löste dies eine Schockwelle in Europa aus. Heute stellen Rechtspopulisten in Italien, Ungarn und den Niederlanden die führende Regierungspartei. Und auch in Österreich wurde die rechtspopulistische FPÖ am Sonntag erstmals zur stärksten Kraft im Parlament gewählt.
Experten sehen in dem Zulauf zu Rechtsaußen-Parteien auch eine Reaktion auf eine wachsende Verunsicherung der Gesellschaft, etwa durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und die Folgen des Klimawandels. Ein Überblick:
Österreich
Die FPÖ galt Rechtspopulisten in ganz Europa häufig als Vorbild. Das erste Bündnis mit der konservativen ÖVP im Jahr 2000 unter dem damaligen Parteichef Jörg Haider hatte noch Proteste und sogar EU-Sanktionen ausgelöst.
Die FPÖ war damals auf knapp 27 Prozent der Stimmen gekommen. Seitdem war sie mehrmals an der Regierung beteiligt gewesen, hatte bislang aber noch nie eine landesweite Wahl gewonnen.
2019 stand die Partei kurz vor dem Zusammenbruch: In der Ibiza-Affäre waren heimlich gefilmte Videos bekannt geworden, die zeigen, wie der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellte.
Seit dem vergangenen Jahr lag die FPÖ in Umfragen jedoch konstant vorn und wurde bei der Europawahl die stärkste Kraft. Nach dem jüngsten Erfolg bei der Parlamentswahl erhebt Parteichef Herbert Kickl nun Anspruch auf das Kanzleramt in Wien, allerdings wollen die anderen Parteien bisher nicht mit ihm koalieren.
Italien
Schon seit Mitte der 1990er Jahre waren Rechtspopulisten mehrfach an der Regierung beteiligt. Seit 2022 ist Giorgia Meloni von der ultrarechten Partei Fratelli d’Italia Ministerpräsidentin.
Giorgia Meloni ist Italiens Ministerpräsidentin und Mitglied der ultrarechten Partei Fratelli d'Italia.
Quelle: AFP
Ihre Partei lag mit 26 Prozent klar vorn. Mit ihren Bündnispartnern Forza Italia und Matteo Salvinis Lega bildet Meloni eine weit rechts stehende Drei-Parteien-Koalition, die häufig Migranten zum Feindbild macht.
So hat Melonis Regierung etwa ein umstrittenes Abkommen mit Libyen erneuert und ein neues Abkommen mit Tunesien abgeschlossen, um mehr Flüchtlinge abschieben zu können.
Frankreich
In Frankreich ist die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen stärker denn je: Zwar hat der RN bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Juli nicht den erwarteten Sieg errungen, was auch am gemeinsamen Widerstand der anderen Parteien gegen die RN-Kandidaten lag.
Doch das Überleben der neuen Regierung unter dem konservativen Premierminister Michel Barnier hängt nun vor allem davon ab, dass der RN darauf verzichtet, für ein Misstrauensvotum der Linken gegen ihn zu stimmen.
Den Wahlsieg hat Marine Le Pens Rassemblement National bei den Parlamentswahlen 2024 knapp verpasst.
Quelle: DPA
Die RN-Fraktion ist derzeit die größte Einzelfraktion in der Nationalversammlung. Die Partei gibt sich staatstragend und arbeitet an einem seriösen Image.
Seine ausländerfeindliche und europaskeptische Linie hat der RN nicht geändert. RN-Fraktionschefin Marine Le Pen will bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 zum vierten Mal antreten und hat nach Umfragen gute Chance, diesmal zu gewinnen.
Ein Prozess gegen sie und 24 weitere Angeklagte wegen der Veruntreuung von EU-Geldern könnte diese Aussichten im Fall einer Verurteilung jedoch vorzeitig zunichte machen.
Niederlande
Die niederländische Rechtsaußen-Partei PVV von Geert Wilders kam nach ihrer Gründung 2006 aus dem Stand auf knapp sechs Prozent der Stimmen bei der Parlamentswahl. 2010 beteiligten sie sich erstmals an der Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte.
Seit der vorgezogene Parlamentswahl im November 2023 ist die PVV die stärkste Kraft im Parlament. Wilders wollte eigentlich selbst Regierungschef werden, seine islam- und europafeindlichen Haltungen erschwerten jedoch die Koalitionsbildung.
Nachdem er seinen Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten erklärt hatte, bildet die PVV eine Koalition mit drei weiteren rechten Parteien und einem parteilosen Regierungschef. Die Niederlande kündigten kürzlich an, sich künftig nicht mehr an die EU-Asylregeln halten zu wollen.
Deutschland
Die 2013 als europaskeptische Partei gegründete AfD entwickelte sich nach internen Machtkämpfen immer weiter nach rechts.
Der Verfassungsschutz stuft Teile der Partei inzwischen als erwiesen rechtsextremistisch ein, allen voran den thüringischen Landesverband unter Björn Höcke. Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten will demnächst ein Parteiverbotsverfahren in Gang bringen.
Bei der Landtagswahl in Thüringen am 1. September wurde die AfD erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland. In Sachsen unterlag die AfD knapp der CDU. Die Bildung der Landesregierung in Thüringen gestaltet sich allerdings schwierig, weil keine der anderen im Landtag vertretenen Parteien mit der AfD koalieren will.
Wenig später kam die AfD am 22. September in Brandenburg mit gut 29 Prozent auf Platz zwei hinter der SPD und hat nun eine Sperrminorität in dem Landtag. Unterdessen strebt AfD-Parteichefin Alice Weidel im kommenden Jahr eine Kanzlerkandidatur an.
Umfragen zufolge kann die Partei bei der Bundestagswahl in einem Jahr mit Zuwächsen rechnen. Zuletzt lag sie bei 17 bis 20 Prozent und damit auf Platz zwei hinter der Union. Alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien schlossen eine Koalition mit der Partei bislang aus.
Quelle: dpa
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Quelle: AFP
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