Viele Gläubige und Bischöfe in Deutschland wollen die katholische Kirche reformieren. Papst Franziskus zeigt sich in einem Interview besorgt, dass sie übers Ziel hinausschießen.
"Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen." Das sagte Papst Franziskus nach eigenen Worten dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, als sie über den "Synodalen Weg" gesprochen haben. Mehrfach schon zeigte sich Franziskus besorgt, dass der Dialogprozess, mit dem Laien und Bischöfe in Deutschland Reformen herbeiführen möchten, zu weit gehen könnte.
Jetzt hat er in einem Interview mit mehreren Zeitschriften des Jesuitenordens seine Kritik erneuert. Er erklärte, wann es problematisch werde:
Wann der Papst kirchenpolitische Debatten beendet
Hier zeigt sich ein Grundprinzip dieses Papstes. Wenn er den Eindruck gewinnt, dass eine theologische Debatte zu stark von kirchenpolitischen und strategischen Überlegungen geprägt ist, wird ihm diese suspekt und er blockt ab.
Das zeigte sich etwa bei einer Beratung von Bischöfen aus dem Amazonasgebiet im Oktober 2019 im Vatikan. Damals forderten viele Teilnehmer die Lockerung des Zölibats und die Weihe so genannter "viri probati - bewährter verheirateter Männer". Sie sahen sich bestätigt durch den Papst, der vor der Versammlung mutige Schritte angemahnt hatte. Doch am Ende rüttelte Franziskus nicht am Pflichtzölibat mit der Begründung, die Debatte sei zu stark von kirchenpolitischen Grabenkämpfen bestimmt gewesen.
Unter Druck will dieser Papst nicht entscheiden. Deshalb wünscht er sich für den Synodalen Weg weniger Kirchenpolitik und Eile, dafür mehr Einbeziehung der Gläubigen.
Papst will keine Entscheidungen treffen, solange es Druck gibt
Unter Druck will Franziskus auch in einer anderen Sache nicht entscheiden. In dem Interview äußert er sich zu den Vorgängen im Erzbistum Köln. Er stellt klar, dass nicht Kardinal Rainer Maria Woelki ihn auf dem Höhepunkt der Krise im Herbst 2021 um eine Auszeit gebeten habe, sondern Franziskus ihm diese auferlegt hat. Der Papst macht auch deutlich, dass er das Rücktrittsgesuch, dass Woelki auf seine Bitte hin verfasst habe, jederzeit annehmen kann.
Viele Gruppen machten Druck in der Causa Köln. "Aber unter Druck ist es nicht möglich, zu unterscheiden", gibt Franziskus zu bedenken. Er werde erst dann entscheiden, wenn es keinen Druck mehr gebe. Auch behalte er sich eine weitere Visitation vor, um finanzielle Vorgänge prüfen zu lassen.
Wie steht Franziskus zum Reformprozess in Deutschland?
In den vergangenen Monaten gab es unter anderem eine Debatte über die Finanzierung einer Theologischen Hochschule im Erzbistum. Anfang Mai hieß es aus dem Vatikan, dass hier alles in Ordnung sei. Worauf sich der Papst bei der Ankündigung einer möglichen zweiten Visitation bezieht, ließ er in dem Interview offen.
Das Vorgehen in Köln erinnert an die Vorgänge im Erzbistum Lyon. Dort war der Erzbischof, Kardinal Philippe Barbarin, wegen Vertuschung in einem Missbrauchsfall angeklagt, verurteilt und später im Berufungsverfahren freigesprochen worden. Barbarin hatte im März 2019 nach der Verurteilung seinen Rücktritt angeboten. Franziskus nahm ihn erst ein Jahr später an, kurz nach dem Freispruch.
Der Papst ist in der katholischen Kirche frei in seinen Entscheidungen. Diese Freiheit lässt sich Franziskus nicht nehmen. Er handelt dann, wenn er es für geboten hält. In Köln scheint die Zeit noch nicht reif dafür. Was den Synodalen Weg betrifft, mahnt Franziskus, aber er stoppt ihn nicht. Seine Kritik zielt mehr auf die Vorgehensweise als auf die Inhalte. Entscheidend wird sein, wie er mit den Reformbeschlüssen aus Deutschland umgehen wird. Die werden für Frühjahr 2023 erwartet.
Mehr Hintergründiges und Interessantes aus dem Vatikan lesen Sie im Vatikan-Blog "Papstgeflüster".
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