Viele Windkraftprojekte scheitern am Rotmilan. Der werde von den Rotorblättern erschlagen, warnen Naturschützer. Jetzt kommt ein Forschungsprojekt zu einem überraschenden Ergebnis.
Der Rotmilan - ein angeblich von Windrädern bedrohter Greifvogel.
"Vorsicht, er beißt!" - vorsichtig hält Rainer Raab den Rotmilan fest. Der Biologe kniet am Rande der Pyrenäen am Boden und hält den Greifvogel fest. Neben ihm stehen Papierkisten. In jeder Kiste wartet ein vor Kurzem gefangener Rotmilan darauf, mit einem GPS-Sender ausgestattet zu werden, und dann wieder loszufliegen - die meisten kehren im Frühjahr nach Deutschland zurück.
Hierzulande ist der Rotmilan berühmt geworden als angebliches Opfer von Windrädern. Er wurde zum Hauptdarsteller vieler Gerichtsverfahren gegen Windräder, weil deren Rotorblätter den Rotmilan erschlagen könnten. So argumentieren bis heute viele Kläger und Naturschutzverbände, häufig mit Erfolg. Nicht zuletzt wegen des Rotmilans ist der Ausbau der Windkraft in Deutschland eingebrochen.
Forschungsprojekt: Todesursachen des Rotmilans
Doch wie gefährlich sind Windräder tatsächlich für den Rotmilan? Das will Rainer Raab herausfinden. Er leitet ein Forschungsprojekt der EU-Kommission, das die wichtigsten Todesursachen herausfinden soll. Stirbt einer der mit GPS versehenen Rotmilane, rückt sofort ein Team aus, um den toten Vogel zu bergen und die Todesursache festzustellen.
700 tote Rotmilane mit GPS-Sender hat Raab mittlerweile analysiert. Exklusiv für das ZDF-Magazin frontal präsentiert der Leiter des Forschungsprojekts jetzt sein erstes Zwischenergebnis.
Klimaschutzminister Habeck will den Ausbau der Windkraft vorantreiben, doch dagegen protestieren vielerorts Bürgerinitiativen. Im niedersächsischen Jühnde stockt der Weiterbau einer Anlage seit Jahren.
Vergiftung und illegaler Abschuss
Die größte menschengemachte Gefahr für den Greifvogel ist nicht das Windrad, sondern Gift. "Das ist schockierend", sagt Rainer Raab. Rotmilane sterben, wenn sie tote Ratten oder Mäuse fressen, die an Giftködern verendet sind. Giftköder werden in der Landwirtschaft genutzt - zum Schutz von Ställen, Ernten oder Saatgut.
Aber auch manche Jäger setzen Giftköder ein, obwohl das verboten ist. "Dann kommt der Straßenverkehr", erklärt Raab, "dass sie zu Tode kommen auf irgendeiner Autobahn oder Schnellstraße. Der nächste Grund ist dann Abschuss." Auch der Abschuss ist illegal.
Raab: Tod durch Windrad "äußerst seltenes Ereignis"
"Und dann haben wir auch, was viele nicht erwarten würden: Stromschlag durch Stromleitungen". Raab fährt fort: "Als nächstes kommt was wirklich Skurriles. Dass sie von Zügen erfasst werden." Und Windräder?
Dank GPS kann Rainer Raab die Flugbewegungen der Rotmilane in Deutschland nachvollziehen, die in der Nähe von Windparks brüten.
Wenn ein Rotmilan mit einem Windrad kollidiert, dann meistens in einer dem Rotmilan unbekannten Gegend, wenn der Vogel nach langem Flug erschöpft oder die Sicht schlecht ist, erläutert Raab. "Also das heißt: An einem Windrad zu sterben, ist ein äußerst seltenes Ereignis, wirklich extrem selten."
Population des Rotmilans wächst und gedeiht
Tatsächlich hat sich der Rotmilan in Europa hervorragend entwickelt. Die Vogelschützer von BirdLife Europe nennen das eine "bemerkenswerte Erfolgsstory", so steht es in deren aktueller Roten Liste der Brutvögel. Dort wurde der Rotmilan in die beste Kategorie hochgestuft: "least concern", das heißt so viel wie "geringste Sorge".
Auch in Deutschland hat sich die Zahl der Rotmilan-Brutpaare positiv entwickelt. Die Rotmilane vermehrten sich ausgerechnet in der Zeit, in der fast 30.000 Windräder aufgestellt wurden.
Das Tempo beim Windkraftausbau in Deutschland müsste mehr als verdreifacht werden, wenn Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen will. Das hat der neue Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, erst kürzlich deutlich gemacht. Dem Ausbau steht häufig der Rotmilan im Wege. Dabei ist die Windkraft des Rotmilans kleinstes Problem.
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