Nach nur zweimonatiger Testzeit lässt Russland als erstes Land der Welt einen Corona-Impfstoff zu. Allerdings gibt es große Zweifel an der Wirksamkeit und Sicherheit.
Im Wettlauf um einen Corona-Impfstoff überrascht Russland mit einer ersten Zulassung. Allerdings wurde der russische Impfstoff bisher offenbar nur an wenigen Menschen auf Nebenwirkungen getestet. Wissenschaftler kritisieren die Anwendung als verfrüht.
Die ganze Welt arbeitet mit Hochdruck an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Nun hat das russische Gesundheitsministerium - weit vor allen anderen - die Freigabe für einen Corona-Impfstoff erteilt. Das Moskauer Gamaleya-Institut hat diesen im Eilverfahren entwickelt, in weniger als zwei Monaten an Menschen getestet.
Doch Putin gibt sich zuversichtlich, eine seiner Töchter habe den Impfstoff bereits bekommen. "Ich weiß, dass er sehr wirksam ist und eine hohe Immunität erzeugt und ich wiederhole, er hat alle erforderlichen Prüfungen bestanden", versichert der Präsident im russischen Staatsfernsehen.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Zulassung des weltweit ersten Corona-Impfstoffes verkündet. Die Weltgesundheitsorganisation reagiert zurückhaltend.
Zweifel an Wirksamkeit des Impfstoffes
Quelle: Uni Tübingen
Das sehen Wissenschaftler aber anders. Peter Kremsner, Professor am Institut für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, testet dort selbst gerade einen Corona-Impfstoff der deutschen Biotechfirma CureVac. "Üblicherweise sammelt man erst alle Daten und reicht dann das Dossier für die Zulassung ein." Aber in diesen Zeiten scheine alles anders.
Warum es Putin so eilig hat, erklärt ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa.
Medienberichten zufolge soll Russland den neuen Impfstoff nämlich nur an maximal 50 Personen getestet haben. In Deutschland betrage die Zahl der Probanden in der Regel mehrere Tausend bis Zehntausende, erzählt Kremsner. "Wenn die Annahmen stimmen, würden wir diesen Impfstoff in Deutschland auch nie einsetzen. Das wäre unzumutbar."
Keine Transparenz aus Russland
Russland hält sich hingegen weiter bedeckt, es liegen keine Ergebnisse der klinischen Studien vor. Medien berichten von einem so genannten Vektorimpfstoff. Dabei schleusen harmlose Viren Teile des Erbguts von Erregern in den Körper. Dieser bildet im Idealfall dann Antikörper, der Abwehrmechanismus wird in Gang gesetzt. Aber so ganz genau weiß das keiner - weil die Russen ihr Verfahren nicht transparent gemacht haben. Allgemein ist über den Impfstoff und seine Wirksamkeit zu wenig bekannt. Das bestätigt auch Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, dem ZDF:
Für die Zulassung eines Impfstoffes braucht es normalerweise mehrere Erprobungsstufen - das ist internationaler Standard. Üblicherweise sind nach Prüfungen im Labor und an Tieren drei Phasen am Menschen vorgesehen, ehe ein Impfstoff bei uns zugelassen wird. Zuerst wird die allgemeine Verträglichkeit getestet, im Anschluss die Dosierung und die Reaktion des Immunsystems, in der letzten Phase geht es dann um die Zuverlässigkeit. Das ist der entscheidende Punkt - erst danach ist eine Zulassung des Impfstoffes möglich.
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Ärzte und Lehrer zuerst
Auch deswegen zeigen sich Experten hierzulande beunruhigt. "Ganz grundsätzlich, aber besonders in Zeiten wie diesen, würde ich mich nicht mit einer Medizin, die nur in China, Russland oder den USA zugelassen wurde, behandeln oder impfen lassen. Stattdessen zähle ich auf die soliden Verfahren in der Europäischen Union", sagt Kremsner.
Russland will demnach bereits im Oktober mit der ersten Massenimpfkampagne gegen das Coronavirus beginnen. Ärzte und Lehrer sollten als erste geimpft werden. Russland ist ein Land unter vielen, auch bei uns gibt es große Fortschritte in Sachen Corona-Impfung. "Es sieht sehr gut aus. Es gibt einige Impfstoffe, die schon sehr weit gekommen sind, die auch schon in den letzten Phasen sind. Ich gehe davon aus, dass es auch bei uns Zulassungen in absehbarer Zeit geben wird", so Kremsner. Konkret meint er damit noch diesen Winter.
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