Mit dem heimischen Corona-Impfstoff Sputnik V kommen russische Bürger nicht weit. Viele lassen sich deshalb jetzt in Europa Vakzine, die anerkannt sind, spritzen.
Wazlaw hat Glück: Der 31 Jahre alte Moskauer hat einen deutschen Arbeitgeber und konnte so eine kostenlose Biontech-Impfung bei seinem Betriebsarzt in Köln ergattern. Er wollte einen getesteten Impfstoff, "der von der WHO grünes Licht bekommen hat", sagt er.
Nur wenige Länder in Europa erkennen Sputnik V an
Nun hat Wazlaw ein EU-Zertifikat - und das wollen andere Landsleute auch. Der Nachweis über eine Immunisierung mit dem russischen Corona-Impfstoff Sputnik V ist in vielen ihrer Lieblings-Reiseländer nämlich nicht anerkannt.
Sputnik selbst zugelassen haben in Europa nur wenige Länder, Ungarn etwa oder die Slowakei. Um einfacher reisen zu können, wollen viele sich lieber mit einem westlichen Präparat impfen lassen. Die aber sind in Russland wiederum nicht zugelassen.
Nachfrage nach Impftouren steigt
Diese Nische haben einige russische Reiseanbieter nun für sich entdeckt - und bieten Impftouren in den Westen an. Das Angebot boomt: Insgesamt fünf Reisebüros haben solche Reisen seit Mitte September im Programm. Die Nachfrage steige, heißt es bei der Vereinigung russischer Reiseanbieter.
Organisiert werden Flug, Übernachtung und Impftermin in einer medizinischen Einrichtung - alles zusammen ab 1.000 Euro. Besonders beliebt sei das Präparat von Johnson & Johnson, weil da nur eine Injektion nötig ist. Viele Menschen organisieren sich zudem auf eigene Faust den Abstecher zur Impfung.
Auch nach Deutschland werden Impfreisen angeboten, allerdings kostet der Piks hier über die Reiseanbieter für Russen noch einmal 500 Euro extra.
Keiner der fünf russischen Impfstoffe anerkannt
Russland selbst verfügt zwar mittlerweile über fünf eigene Impfstoffe - doch keiner davon ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) anerkannt.
Eigentlich hätte aus russischer Sicht alles genau andersherum laufen sollen: Sputnik V, von Präsident Wladimir Putin einst als weltbester Impfstoff angepriesen, sollte die Welt erobern - und westliche Impfwillige anlocken.
Doch längst erinnert sich kaum noch jemand an die Bilder, die das Staatsfernsehen Anfang des Jahres sendete: von Europäern, die in Moskau eintrafen, um sich dort ihre erste Spritze abzuholen. Als Putin im Juni auf dem internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg Sputnik-Immunisierungen offiziell für Ausländer freigab, war der Zug längst abgefahren.
EMA und WHO prüfen russische Impfstoffe noch
Seit Monaten prüfen EMA und WHO eine mögliche Zulassung von Sputnik - bislang ohne Ergebnis. Die fehlende Anerkennung im Westen befeuert die ohnehin hohe Skepsis in der russischen Bevölkerung gegenüber dem Präparat noch zusätzlich.
Nachdem russische Politiker immer wieder über eine angeblich politisch motivierte Verzögerung wetterten, räumte der Kreml nun ein, dass Moskau es bislang versäumt habe, notwendige Zulassungsunterlagen bei der WHO einzureichen.
Im flächenmäßig größten Land der Erde mit seinen 146 Millionen Einwohnern ist die Quote der vollständig Geimpften mit 46 Prozent noch immer recht niedrig. Immerhin: Russen, die ein ausländisches Vakzin bekommen haben, können künftig einen Antikörper-Test machen und dann ein für sechs Monate gültiges Corona-Zertifikat erhalten. Ein kleines Plus für die Impfquote.