Schielen bei Kindern: Keine harmlose Fehlstellung der Augen

    Fehlstellung der Augen:Gar nicht harmlos: Schielen bei Kindern

    von Lena Mosebach und Bianca Koch
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    Schielt ein Kind, sollte das korrigiert werden. Denn unbehandelt kann es unter anderem zu einer Schwachsichtigkeit führen. Für die Therapie gibt es verschiedene Möglichkeiten.

    Kleinkind schielt
    Kinder, die nach dem vierten Monat noch schielen, sollten von einem Augenarzt untersucht werden.
    Quelle: picture alliance / Westend61

    In den ersten Lebenswochen kann ein Baby die Bewegung seiner Augen noch nicht richtig koordinieren. Das gezielte Fixieren einer Person oder eines Gegenstandes muss es noch lernen. Gelegentliches Schielen ist in diesem Alter also erst einmal kein Grund zur Sorge. Doch Kinder, die nach dem vierten Monat noch schielen, sollten von einem Augenarzt untersucht werden.

    Schielen ist komplett heilbar, aber es ist abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose.

    Abdul Fatah Fahri, Augenarzt

    "Wenn das Schielen rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird, dann sind die Erfolgsaussichten sehr gut", erklärt Augenarzt Abdul Fatah Fahri.

    Was passiert beim Schielen?

    Schielen oder auch Strabismus ist die dauerhafte oder immer wieder auftretende Fehlstellung eines oder beider Augen. Dadurch entstehen störende Doppelbilder. Das Gehirn kann sich gegen die Doppelbilder wehren, indem es das vom schielenden Auge übermittelte Bild einfach unterdrückt. In der Folge bleibt das betroffene Auge in der Sehentwicklung zurück. Es kommt zu einer Sehschwäche, einer Amblyopie. In Mitteleuropa schielen etwa sechs Prozent der Bevölkerung, bei Kindern sind es etwa drei Prozent.
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    Was sind die Ursachen?

    Schielen kann viele Ursachen haben. Bei Kindern ist es meist angeboren. Vor allem, wenn ein Elternteil schielt oder wegen Schielen behandelt wurde, sollte das Kind schon im Alter von sechs Monaten von einem Augenarzt untersucht werden. Auch Probleme, die während der Schwangerschaft oder Geburt auftreten, zum Beispiel eine Frühgeburt, können Schielen auslösen.

    Welche Formen gibt es?

    Jedes Auge wird im Wesentlichen durch sechs Augenmuskeln bewegt. Ist ein Muskel zu kurz, zu lang, verletzt, gelähmt oder fehlgesteuert, ist das Zusammenspiel beider Augen gestört. Je nachdem welcher Muskel betroffen ist, kommt es zum Innenschielen, Außenschielen oder Höhenschielen. Auch Müdigkeit kann vorübergehendes Schielen auslösen. Ist das kindliche Schielen so gering, dass es kaum erkennbar ist, spricht man von Mikrostrabismus. Dieser wird häufig erst spät festgestellt.

    Schielen kann psychische Probleme für das Kind verursachen und sich auf die soziale Integration des Kindes auswirken.

    Abdul Fatah Fahri, Augenarzt

    Die Orthoptik ist ein spezieller Bereich der Augenheilkunde und widmet sich der Vorsorge, Diagnostik und Therapie von Sehstörungen wie z.B. Schielerkrankungen oder Störungen des ein- oder beidäugigen Sehens. Man nennt diese Einrichtungen auch "Sehschule". Dort untersuchen und behandeln speziell ausgebildete Orthoptist*nnen unter anderem Sehschwächen, die Augenstellung, die Beweglichkeit und die Zusammenarbeit der beiden Augen. Präventiv werden vorwiegend Kinder im Säuglings- und Kleinkindalter untersucht. Das Ziel der Orthoptik ist die Verhütung und Besserung von Seh- und Schielstörungen sowie deren Dauerschäden.

    Was sind die Folgen von Schielen?

    Unbehandelt hat Schielen langfristige Folgen. Es kommt zu einer Schwachsichtigkeit, welche in den späteren Lebensjahren nur schwer oder gar nicht mehr verbessert werden kann. Auch die Fähigkeit zum dreidimensionalen Sehen fehlt. Dadurch sind einige Kinder in ihren Hobbys, später sogar in der Berufswahl eingeschränkt, wenn das räumliche Sehvermögen fehlt. Schulische Leistungen können nachlassen, wenn das Kind nicht erkennen kann, was auf der Tafel steht oder Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren. Häufig werden schielende Kinder von anderen Kindern gehänselt, was zu psychischen Problemen führen kann.
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    Wie wird Schielen behandelt?

    "Die Zusammenarbeit zwischen Familie und Arzt ist sehr wichtig," erklärt Augenarzt Fahri.

    Brille

    Innenschielen wird bei mehr als der Hälfte der Kinder durch nicht korrigierte Fehlsichtigkeit verursacht. Dabei handelt es sich meist um eine stärker ausgeprägte Weitsichtigkeit. Mit einer Brille kann bei vielen betroffenen Kindern das Schielen behoben oder zumindest verringert werden.
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    Okklusionstherapie

    Zur Verhinderung oder Behandlung einer Sehschwäche dient die Abdeck- oder Okklusionstherapie, bei der in einem bestimmten Rhythmus das gesunde Auge mit einem Pflaster abgedeckt wird. Dadurch soll das schielende Auge trainiert werden. Das Pflaster wird individuell unterschiedlich, aber in der Regel für mehrere Stunden täglich getragen. Die Behandlung dauert zwischen einigen Wochen und mehreren Jahren. Weil bei rechtzeitiger Okklusionsbehandlung die Sehschwäche zwar behoben bzw. verhindert werden kann, das Schielen selbst allerdings bestehen bleibt, ist eine Schiel-Operation meist trotzdem notwendig.

    Operation

    Ist der Schielwinkel sehr groß, sollte die Fehlstellung durch eine Operation an den äußeren Augenmuskeln beseitigt werden.

    Im Allgemeinen sind die Schiel-Operationen sicher und die Komplikationsrate sehr niedrig.

    Augenarzt Abdul Fatah Fahri

    Die OP ist Routine und dauert rund 30 bis 45 Minuten. Bei einfachen Schielformen ist meist nur ein Eingriff nötig. Bei anderen Schielformen müssen manchmal mehrere Operationen vorgenommen werden.

    Eltern sollten aufmerksam werden und einen Augenarzt aufsuchen, wenn ihr Kind:
    • nach dem vierten Lebensmonat noch häufig schielt
    • oft blinzelt, die Augen reibt oder zusammenkneift
    • häufig den Kopf schief hält
    • Schwierigkeiten beim Malen, Basteln, Schneiden oder Lesen hat
    • ungeschicktes oder ängstliches Verhalten zeigt
    • häufig stolpert
    • schnell ermüdet
    • häufig unter Kopfschmerzen leidet
    • an Dingen vorbei greift
    • lichtempfindlich ist

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