Bei Schlafstörungen: Besser schlafen mit App auf Rezept

    Interview

    Hilfe bei Schlafstörungen:Besser schlafen durch App auf Rezept?

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    Wenn schlechter Schlaf das Leben bestimmt, sollte man den Arzt aufsuchen. Wird eine chronische Schlafstörung diagnostiziert, kann eine App verschrieben werden - was bringt das?

    Digitale Hilfen bei Schlafstörungen
    Helfen digitale Anwendungen bei Schlafstörungen? Markus Specht leitet das Schlaflabor in der DKD in Wiesbaden und erklärt, wie diese funktionieren und wie sie den Arzt ergänzen können.17.03.2023 | 8:34 min
    Sechs Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter chronischer Insomnie: Sie haben mindestens dreimal pro Woche über einen Zeitraum von drei Monaten Ein- bzw. Durschlafstörungen und/oder wachen zu früh auf. Doch wer Hilfe braucht, muss auf einen Platz beim Therapeuten oft lange warten.
    Mittlerweile können bei der Therapie auch neuartige Apps zum Einsatz kommen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat zwei ins Verzeichnis für Digitale Anwendungen, kurz DiGA, aufgenommen: "Somnio" und "HelloBetter Schlafen". Bei chronischen Schlafstörungen sollen sie den Schlaf-Therapeuten unterstützen oder ersetzen.

    Wann bekommt man eine Schlaf-App auf Rezept?

    Verordnen kann sie jeder, der ein Kassenrezept ausstellen darf. Voraussetzung ist die Diagnose "Chronische Insomnie". Die Apps informieren über Schlaf, Schlafhygiene und Methoden, die z.B. die Bettzeit verkürzen und so den Schlafdruck erhöhen. Zudem zeigen sie zahlreiche Entspannungsübungen. Zentral ist das Schlaftagebuch, das digital geführt wird.
    Eine Therapie mit der App dauert acht Wochen. Sie kann bei Bedarf auch ein zweites Mal verordnet werden. Schlafmediziner Markus B. Specht erklärt, was die DiGA-Schlaf-Apps können und für wen sie geeignet sind.
    ZDFheute: Abends digitale Medien nutzen, davon wird abgeraten. Wie passt das zu einer Schlaf-App?
    Markus B. Specht: Die Schlaf-App mache ich natürlich nicht im Bett, die mache ich mit weitem Abstand, bevor ich ins Bett gehe. Ich spiele ja nicht nur mit meiner App ein bisschen, sondern ich arbeite da richtig. Ich muss mich entscheiden: Wie soll ich mein Leben weiter strukturieren?

    Eine Behandlung von Schlafstörungen fängt nicht beim Schlaf an, sondern ich muss auch meinen Tag verändern, eben den Lebens- und damit den Schlafrhythmus neu anpassen.

    Markus B. Specht, Schlafmediziner

    Das bedeutet auch: Das Handy oder alle anderen Medien gehen gerade nicht mehr mit ins Bett.

    Markus B. Specht ist Schlafmediziner.
    Quelle: DKD Helios Klinik Wiesbaden

    … ist Diplom-Psychologe, Somnologe und leitet das Zentrum für interdisziplinäre Schlafmedizin an der DKD HELIOS Klinik Wiesbaden. Er beschäftigt sich vor allem mit komplexen Schlafstörungen und im Speziellen mit Insomnie. Seit 2022 gehört er zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM).

    ZDFheute: Der Mangel an Therapeuten ist schon lange ein Problem. Warum kam man nicht schon früher auf die Idee einer App?
    Specht: Diese digitalen Gesundheits-Anwendungen sind ja ein Medizinprodukt. Und wenn wir uns die Entwicklung z.B. von einem Medikament anschauen, geht das meistens über Jahre. Man muss zuverlässige Studien machen, um die Wirksamkeit nachzuweisen.
    Auch die Hersteller der DiGA-Apps müssen durch Studien belegen, dass diese funktionieren. Und diese Studien kann ich nicht innerhalb von einem Jahr machen. Die müssen vorbereitet sein. Und das muss alles programmiert, ausgewertet und die Datensicherheit gewährleistet sein.

    • Die Patientin/der Patient sucht den Arzt auf, der die DiGA verordnet.
    • Die Patientin/der Patient reicht das Rezept dann bei der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Diese bestätigt den Leistungsanspruch und generiert einen Freischaltcode.
    • Die Patientin/der Patient hat bereits eine ärztliche Diagnose, sucht sich eigenständig die spezifische DiGA heraus und sendet einen Antrag an die gesetzliche Krankenversicherung. Diese bestätigt den Leistungsanspruch und generiert einen Freischaltcode.

    Weitere Informationen gibt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

    Quelle: BfArM

    ZDFheute: Was sind Ihre Erfahrungen mit den Apps?
    Specht: Tatsächlich schlägt so ein Programm am besten an, wenn Patienten relativ gut mitmachen. Wenn das nur so ein bisschen nebenher läuft, man sein Tagebuch nicht richtig führt, dann läuft die Therapie nicht gut.
    Man muss sich auch die Patienten genau anschauen. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine schwere Depression übersehe, bei der klar ist, dass man kaum noch Energie hat, überhaupt irgendetwas zu machen, dann bezweifle ich auch, dass der Betroffene die Energie hat, mit einer der beiden Apps wirklich zurecht zu kommen.
    Bei einem großen Teil der Patienten funktioniert das aber wunderbar. Nicht nur in den Studien kann man das sehen, sondern auch an dem, was Patienten einem sagen.
    Es gibt aber auch einen gewissen Teil, rund 20 bis 30 Prozent der Patienten, die das Programm irgendwann abbrechen.
    ZDFheute: Wie groß sind die Heilungschancen mit App?
    Specht: Sowohl für eine Therapie als auch für DiGA gilt:

    Schaut man sich Studien für die Effektivität dieser kognitiven Verhaltenstherapie an, kommen wir auf Effekte von 70 bis 80 Prozent, und zwar anhaltende.

    Markus B. Specht

    Und das ist der große Unterschied zu Medikamenten. Manche Medikamente bewirken sogar eine Insomnie, wenn ich sie absetze. Medikamente haben nur dann einen Effekt, solange ich sie nehme.
    Das Interview führte Julia Tschakert, Redakteurin im Gesundheits-Team der "Vollen Kanne".

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