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Terra X - die Wissens-Kolumne : Schmerz ist nicht gleich Schmerz

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"Tut es sehr weh?" - das kann jeder eigentlich nur persönlich beurteilen. Wie Medizin auch ohne objektive Schmerzmessung gerechter werden könnte.

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Mai Thi Nguyen-Kim

Schmerzt der barfüßige Tritt auf einen Legostein zehnmal so sehr wie ein Wespenstich? Das könnte mit einer objektiven Schmerzskala endlich empirisch bewiesen werden! Die entsprechende Studie zum Erstellen einer solchen Skala gibt es bereits. Sie stammt aus dem Jahr 1948. Der quantifizierbaren Einheit für Schmerz wurde der Name "dol” gegeben. Die Intensität eines gerade noch spürbaren Schmerzreizes wäre dabei ein halbes dol und zehn dol wäre der stärkste Schmerz, den man jemals erlebt hat. Subjektiv ausgedrückt also vielleicht: zehn dol = in ein ganzes Lego-Schloss treten.

Schmerzempfinden variiert von Mensch zu Mensch

Nur leider ist es - wie so oft - nicht ganz so einfach: Bereits in der Studie selbst rätselten die Autor*innen über die Angaben mancher Teilnehmenden, die überhaupt nicht in das Erleben passten, das andere berichteten.

Heute wissen wir: Das Schmerzerleben hängt von vielen Dingen ab, wie zum Beispiel unserer Stimmung und Aufmerksamkeit oder auch welchen Schmerz wir vorher erwarten. In der falschen Situation kann schon eine Kleinigkeit wehtun und in einer anderen sind wir so schmerzfrei, als hätten wir Haut aus Leder.

Eine objektive Schmerzskala ist also kompletter Unfug. Stattdessen messen wir Schmerz subjektiv, indem wir das Erlebte abfragen.

Forscher sind dem Placebo-Effekt auf der Spur, denn er verändert nachweislich das Schmerzempfinden und aktiviert die köpereigene "Anti-Schmerz-Apotheke" der Opioide. Eine Chance für Schmerzpatienten, weniger Schmerzmittel einsetzen zu müssen.

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6 min
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Vertrauen statt messbare Beweise

So etwas gefällt Naturwissenschaftler*innen natürlich gar nicht: Hier sind objektiv messbare Werte beliebt, weil man sich über sie einig werden kann: Sie unterscheiden sich nicht plötzlich. Eine 10 bleibt eine 10, bleibt eine 10 - egal, welche Stimmung! Über das subjektive Erleben hingegen streiten wir Menschen gerne. (Fragt einfach mal rum, ob Lakritz gut schmeckt oder nicht - ihr werdet im hitzigen Wortgefecht vermutlich Freund*innen verlieren.)

Die Subjektivität des Schmerzes macht nicht nur in der Forschung, sondern auch im medizinischen Alltag Probleme: Denn wenn ich etwas nicht objektiv nachweisen kann, muss ich mich auf das verlassen, was mein Gegenüber mir erzählt. Das führt zu einer spannenden Frage: Inwiefern hängt die Behandlung von Patient*innen mit (chronischen) Schmerzen von der Glaubwürdigkeit ab?

Wie beurteilen Ärzte das Schmerzempfinden ihrer Patienten?

Genau das sollte 2016 in einer Studie geklärt werden: Expert*innen für Schmerzbehandlung sowie Studierende der Medizin bekamen Informationen über fiktive Schmerzpatient*innen, darunter Videomaterial und medizinische Berichte. Diese Inhalte wurden spezifisch für die Studie erstellt, um zu sehen, wovon das ärztliche Urteil abhängt: Zum Beispiel wurde manchen Patient*innen eine Depressionsdiagnose zugeschrieben, um zu schauen, ob dann eher Psychopharmaka statt Schmerzmittel verschrieben würden. Und auch die Vertrauenswürdigkeit der Patient*innen wurde je nach Fall verschieden angegeben.

Was tun, wenn sich chronische Schmerzen nicht mit einer körperlichen Ursache erklären oder behandeln lassen? Ein Expertenteam in Heidelberg macht sich auf ganzheitliche Suche und verschafft Linderung mit unkonventionellen Lösungen.

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6 min
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Männer erhalten Schmerzmittel - Frauen übertreiben?

Die Ergebnisse der Studie waren für die Forschenden "unerwartet": Die Angaben zu Depression und Vertrauenswürdigkeit schienen nur eine kleine Rolle zu spielen. Was wirklich einen Unterschied machte, war das Geschlecht der Hilfesuchenden: Männern wurde durchweg mehr Schmerz zugeschrieben als Frauen.

Die Forschungsgruppe der Studierenden schrieb Frauen eher eine Übertreibung des Schmerzerlebens zu als den Männern. Entsprechend wurde bei Männern auch häufiger eine Behandlung mit Schmerzmitteln empfohlen als bei Frauen. Und noch mal: Das tatsächlich beschriebene Schmerzerleben war bei Männern und Frauen gleich!

Sexismus auch in der Medizin

Es gibt so viel Beunruhigendes an dieser Studie, man weiß kaum, wo man anfangen soll. Zunächst natürlich, dass Patientinnen hier weniger ernst genommen wurden und daher auch schlechter medizinisch behandelt worden wären als die männlichen Patienten. Aber auch, dass manche Aspekte des medizinischen Sexismus bei den Studierenden noch stärker ausgeprägt waren als bei der Expert*innengruppe.

Krank ist nicht gleich krank - Vera Regitz-Zagrosek von der Charité Berlin erklärt, wieso Frauen und Männer in der Medizin unterschieden werden müssen.

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4 min
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Seximus besonders deutlich bei Endometriose

Eine Krankheit, bei der dieses Problem besonders deutlich wird, ist die Endometriose: Zum einen kann diese Erkrankung zu schwer messbaren chronischen Schmerzen führen, sodass das Vertrauen der Ärztin und des Arztes in die Patientin eine große Rolle spielt. Zum anderen sind ihre Symptome vom hormonellen Monatszyklus abhängig, den männliche Ärzte oft nunmal schwerlich nachempfinden können.

Medizinischer Sexismus kann bei der Endometriose dazu führen, dass Diagnosen später gestellt und Behandlungen zu spät gestartet werden - und die Ärzteschaft ist es ihren Patientinnen schuldig, gegen diese Voreingenommenheit anzukämpfen.

Unvorstellbare Schmerzen - für Endometriosepatientinnen "normal". Trotz zwei Millionen Betroffenen in Deutschland vergehen oft Jahre, bis zu dieser Diagnose. Darum widmet sich Mai Thi in ihrer Show der noch weitgehend unbekannten Krankheit.

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29 min
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