Täglich kommen mehr geflüchtete ukrainische Kinder an die deutschen Schulen. Wie sollen sie unterrichtet werden - und vor allem: von wem? Diese Fragen treiben die Schulpolitik um.
Nach den Schrecken des Krieges versuchen viele ukrainische Geflüchtete, durch Arbeit in einen neuen Alltag zu finden. Auch die Kinder sollen schnell wieder in die Schule gehen.
Maxim liebt Zahlen und ist in seine Matheaufgaben abgetaucht. Der Neunjährige ist Anfang März mit Bruder und Mutter aus dem ukrainischen Dnipro geflohen. Jetzt sitzt er in Klasse 4b in der Overbergschule Selm im Ruhrgebiet und löst Zahlenrätsel. Seine Sitznachbarin Jana kann Russisch - zum Glück: "Wir verstehen uns, und ich helfe ihm einfach." Obwohl er noch kaum Deutsch kann, ist Maxim so direkt Teil der Klasse.
"Go In" nennt der zuständige Kreis Unna das Konzept:
Um die richtige Klasse für ein Kind zu finden, erhebt sie vorab den Lernstand, erklärt Steffi Stelzer vom Kommunalen Integrationszentrum. Das Modell funktioniere gut.
Mehrheit der Länder setzt auf "Willkommensklassen"
Auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz empfiehlt, geflüchtete Kinder in Grundschulen und niedrigen weiterführenden Stufen in Regelklassen zu integrieren. Und doch ist das eher die Ausnahme: Auf ZDF-Anfrage geben elf der 16 Bundesländer an, dass sie für neu ankommende Kinder spezielle Lerngruppen einrichten.
Fünf dieser Bundesländer nutzen eine Mischform: Sie integrieren die Kinder zumindest in Fächern wie Musik oder Sport in die Regelklassen. Doch hauptsächlich lernen sie in den gesonderten Gruppen zunächst intensiv Deutsch und sollen so gut vorbereitet sein, wenn sie nach ein bis zwei Jahren in die Regelklassen wechseln.
Das kann funktionieren. Allerdings, so die Wissenschaftliche Kommission: In diesen "Willkommensklassen" herrsche oft hohe Fluktuation und die Lernstände der Kinder variierten stark - das könne "systematisches Lernen" erschweren. Harte Daten dazu, welche Form für die Kinder am besten funktioniert, fehlen - und so arbeitet jedes Bundesland anders.
Gesucht: Personal für die Sprachförderung
Unabhängig vom Modell braucht es genügend Personal für die Sprachförderung. Maxim und andere ukrainische Kinder an der Overbergschule haben morgens zwei Stunden "Deutsch als Zweitsprache", bevor es in die Klassen geht. Dank der Kreativität der Schulleiterin Christine Jücker - und einem Zufall: "Wir hatten für ein Corona-Aufholprogramm eine Studentin engagiert, die mit den Kindern Sprachförderung macht", erzählt Jücker.
Wäre die Ehrenamtlerin nicht, hätte die Schule ein Problem, denn: Es fehlt Personal.
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Schätzungen gehen von tausenden fehlenden Lehrkräften aus
Bundesweit, schätzen Bildungsverbände, fehlen tausende Lehrkräfte, um die ukrainischen Kinder zu beschulen. Die Kultusministerkonferenz schreibt dazu: "Alle 16 Länder sind sich der Lage bewusst und ergreifen landesspezifische Maßnahmen." Vielerorts werden gerade etwa Pensionär*innen und Student*innen reaktiviert. Diskutiert wird auch, inwiefern die Kinder weiter nach ukrainischem Lehrplan lernen sollten, falls sie schon bald in ihre Heimat zurückkehren sollten.
Doch während sich etwa Rheinland-Pfalz und Niedersachsen dafür offen zeigen und ukrainische Kinder aus ihren Klassenräumen an laufendem Onlineunterricht ukrainischer Schulen teilnehmen lassen, sind andere skeptisch: "Es ist unrealistisch, hier ein paralleles ukrainisches Schulsystem für hunderttausende Kinder und Jugendliche aufzubauen. Die Mehrzahl sollte ins deutsche System integriert werden", so Karin Prien, Vorsitzende der Kultusministerkonferenz.
Nach der Schule wird Maxim, der schon erste Freunde gefunden hat, von seiner Mutter abgeholt. Auch sie weiß noch nicht, wie lange sie bleiben - sie vermissen den Vater in der Ukraine. Doch sie sagt:
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