Mit dem E-Auto in den Urlaub - kann das gut gehen? Wie sind die Ladezeiten, reichen die Tankmöglichkeiten? Unser Autor wagt den Selbstversuch und fährt vom Niederrhein ins Allgäu.
Lautlos und ohne Emissionen in den Urlaub. Lothar Becker wagt den Selbstversuch: Von Düsseldorf geht es ins Allgäu und das ausschließlich elektrisch.
Keine Reichweite. Keine Ladepunkte. Keine Werkstätten. Da kann man doch nicht mit in den Urlaub fahren. So oder ähnlich klingt es, wenn Menschen laut überlegen, sich Elektroautos zuzulegen. In einem Selbstversuch mache ich eine dazu passende Testfahrt.
Unterwegs mit einem E-Auto mit Dachzelt
Mit einem günstigen E-Auto geht's zum Campen, vom Niederrhein ins Allgäu. Gut 650 Kilometer. Die Besonderheit: Das E-Auto hat ein Dachzelt. Das verringert die Reichweite durch den erhöhten Luftwiderstand zusätzlich - macht das Campen aber angenehmer.
Auf der Fahrt nutze ich verschiedene Schnellladeanbieter; ganz wie die Route es ergibt - im Zufallsprinzip.
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Eine gute Nachricht zu Beginn. Es gibt deutlich mehr frei zugängliche Schnellladesäulen als noch vor einem Jahr. Denn der US-amerikanische Branchen-Primus Tesla öffnet sukzessive seine Supercharger-Standorte für alle E-Autos.
Navigationsapp plant Strecke und Ladestopps
Eine Navigationsapp verbindet Smartphone und E-Auto und berechnet den tatsächlichen Verbrauch während der Fahrt mit ein. Mit den Daten plant sie die Strecke samt passender Ladestopps, zeigt auch an, ob einzelne Ladesäulen gerade frei oder belegt sind.
Für einen Kurzurlaub beladen und einem 74 Kilogramm schweren Dachzelt in einer Box auf dem Dachgepäckträger stellt sich das E-Auto einer urlaubstypischen Herausforderung. Der Testwagen ist ein - derzeit inkl. Förderung - rund 36.000 Euro teurer SUV. Der U 5 des chinesischen Herstellers Aiways. Mit einer Reichweite von gut 400 Kilometern und einem Verbrauch von 17 kWh (Kilowattstunden) auf 100 Kilometern (Herstellerangabe laut WLTP).
Im Windschatten der Wohnmobile auf der Autobahn
Mit der "Urlaubsausstattung" klettert der Verbrauch auf 23 Kilowattstunden pro 100 Kilometern. Gemessen am tatsächlich nachgeladenen Strom für die knapp 1.400 Kilometer lange Fahrt. Auf der Autobahn bin ich meist mit 105 bis 115 km/h unterwegs und nutze phasenweise mit Sicherheitsabstand den Windschatten vorausfahrender Wohnmobile.
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Sehr oft jedoch stockt und stoppt der Verkehr urlaubstypisch. Der Freitagnachmittagsverkehr bietet alles, was zu einer Tag-Fahrt in den Urlaub gehört - von überfüllten Autobahnen über Baustellensperrungen bis zu brütender Hitze.
Am Anfang Aufladen mit dem Supercharger
Weil es weder zuhause noch am Arbeitsplatz möglich ist, lade ich den Wagen zuerst am Supercharger in Hilden auf 80 Prozent. Am Ladepark Seed&Greet sind nur wenige der insgesamt 38 Tesla-Ladesäulen belegt. Per App wähle ich eine Säule aus und starte die Ladung. In 33 Minuten fließt Strom für weitere 200 Kilometer in den Akku. Das ist nicht besonders schnell, aber auch nicht langsam.
Auf geht's Richtung Süden, auf der A3, mit dem bereits erwähnten Freitagsverkehr. Der stockende Verkehr spart Strom und so komme ich mit ordentlichen 23 Prozent Rest-Akku an der von der Navigationsapp vorgeschlagenen nächsten Ladestation nahe Limburg an.
Gemütlich im Restaurant essen, während das Auto lädt
Beim niederländischen Anbieter Fastned nutze ich das Laden per Abo. 11,99 Euro monatliche Grundgebühr, der Preis pro Kilowattstunde Strom sinkt dann von 69 Cent auf 45 Cent, andere Anbieter haben vergleichbare Abo-Angebote.
Während des Ladens kann ich im Restaurant nebenan ohne Stress essen, Nachrichten im Smartphone abarbeiten und kostenlos die Waschräume aufsuchen. Mir fällt auf, dass der bei Tankstopps übliche "Jetzt-aber-schnell-weiter-Drang" vergangener Urlaubsfahrten mit einem Verbrenner fehlt - angenehm.
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Die App erinnert mich, als der Akku zu 80 Prozent mit Ökostrom beladen ist und als ich zum Fahrzeug zurückkomme, warten schon andere darauf, dass eine der vier Ladesäulen frei wird.
Ladesäulen je nach Anbieter unterschiedlich
Nächster Stopp nach 160 Kilometern: Tank & Rast bei Bruchsal, diesmal eine EnBW-Ladesäule, auch mit 100 Prozent Ökostrom. Ohne Kundentarif kommt hier zum Standard-Schnellladepreis von 69 Cent pro Kilowattstunde noch eine Parkgebühr von sechs Cent hinzu, pro Minute! Die Ladeleistung ist mit 75 Kilowattstunden auch nicht besonders, also fahre ich weiter, sobald es bis zum nächsten Stopp reicht.
Doch auf der Schwäbischen Alb mit 15 Prozent Reichweite angekommen zeigt die Navigationsapp an, dass alle vier Schnellladesäulen von Aral an der A8 nahe Merklingen belegt sind.
Leicht nervös zur nächsten Ladesäule
Ich will nicht warten und es sind nur wenige Kilometer bis zu einem Supercharger bei Ulm. Mit verbliebenen neun Prozent Strom und leicht nervös komme ich dort an, die meisten Säulen sind frei. Ohne Tesla-Lade-Abo kostet mich der Strom 71 Cent pro Kilowattstunde, fließt dafür mit maximaler Leistung ins Auto.
Mein Ziel ist der Forggensee im Allgäu. Der Blick aus dem Dachzelt am nächsten Morgen: unbezahlbar. Und das Fazit: Mit dem E-Auto in den Urlaub geht ziemlich stressfrei.
Lothar Becker ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.