Was Clubs gegen sexuelle Belästigung unternehmen

    Schulungen und Gütesiegel:Was Clubs gegen sexuelle Belästigung tun

    von Stephanie Schmidt
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    Jede siebte Frau in Deutschland hat sexualisierte Gewalt erlebt, viele davon beim Ausgehen. Belästigungen im Nachtleben häufen sich. Doch es gibt ein Umdenken in der Clubszene.

    VK-Beitrag
    Wird Angrabschen in Clubs zur Normalität?19.10.2022 | 13:56 min
    Mirjam Spies arbeitet beim Frauennotruf in München und schult in Deutschland Clubs und Diskotheken im Umgang mit sexueller Belästigung. Wer heute feiert, muss einiges aushalten. Sexuelle Belästigung scheint fast normal - ab einer bestimmten Uhrzeit und besonders ab einem gewissen Alkoholpegel.

    Catcalling: Ein weit verbreitetes Problem

    "Angrabschen ist verbreitet wie eh und je. Es ist nur so, dass Betroffene mittlerweile besser informiert sind und Worte für das haben, was ihnen passiert, zum Beispiel Catcalling", weiß Mirjam Spies aus den Beratungsgesprächen. Für sie ist ein generelles Umdenken wichtig:

    Wir reden immer noch davon, wie sich Frauen am besten verhalten oder empfehlen Gadgets, die davor schützen, dass K.-o.-Tropfen nicht ins Glas gelangen, dabei ist es ein strukturelles Problem.

    Mirjam Spies, Frauennotruf München

    Schutz auch für Mitarbeitende

    Bei Ihren Schulungen geht es nicht nur um Gäste, es geht auch um den Schutz der Mitarbeiter*innen. "Wenn eine Barfrau mit vollen Kisten durch den Raum läuft und ihre dabei etliche Männer ungeniert an den Po fassen und nichts passiert, dann ist das in meinen Augen einfach falsch. Täter werden davon nicht abgeschreckt."



    Club in Leipzig geht neuen Weg

    Zum Glück haben auch die Club-Betreiber das Problem zum Teil erkannt. Das IFZ in Leipzig versucht dabei neue Wege zu gehen und nimmt das Thema sehr ernst. "Wir versuchen, möglichst divers zu sein. Alle sichtbaren Positionen im Club sind beispielsweise nicht nur mit Männern besetzt – das fängt bereits an der Tür an:

    Wir haben auch überall im Club gut sichtbar Ansprechpartner*innen, an die man sich wenden kann, wenn es ein Problem gibt. Außerdem ist die klare Devise: Wer sich daneben benimmt, fliegt sofort raus.

    Pressestelle IFZ Leipzig

    Der Club hat außerdem ein "Awareness"-Team und spezielle Arbeitsgruppen, die sich unter anderem mit dem Thema Sicherheit beschäftigen. Dieser besondere Umgang mit dem Thema ist auch für die Gäste des Clubs in Leipzig spürbar.
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    Wieder befreit tanzen gehen

    Alina hat bereits als Schülerin in einem offenen Brief auf das Problem in den Clubs aufmerksam gemacht und ist froh, dass sich etwas an der Haltung verändert Das IFZ ist für sie der erste Ort, wo sie wieder befreit tanzen geht.
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    "Also es hat schon angefangen an der Tür, dass einem Menschen einen Zettel in die Hand gedrückt haben und gesagt haben: 'Ja, das und das ist hier nicht okay und das wollen wir hier nicht. Und wenn du dich nicht wohlfühlst, kannst du da und da hinkommen.' Und das hat sich sehr, sehr schön angefühlt und man hat es direkt in der Clubatmosphäre gemerkt.“

    Hautfarbe und Geschlechtsidentität spielen eine Rolle

    Sexuelle Belästigung im Nachleben betrifft besonders Frauen, aber nicht nur, so Mirjam Spies. Alle, die nicht der "Mehrheitsgesellschaft entsprechen" seien besonders gefährdet Diskriminierungen und Gewalt zu erleben, kritisiert sie.

    Hautfarbe, Geschlechtsidentität, ethnische Zugehörigkeit und vieles andere erhöhen leider auch im Nachtleben das Risiko, Gewalt zu erleben.

    Mirjam Spies, Frauennotruf München

    Deswegen sei es wichtig, das Thema zu benennen und neue Umgehensweisen auch mit den Clubs zu erarbeiten, erklärt Spies.

    Gütesiegel für Clubs in Baden-Württemberg

    In Baden Württemberg bekommen die geschulten Clubs ein eignes Siegel. Das Land hat eine Koordinierungsstelle für das Thema eingerichtet. "Nachtsam" heißt das Projekt und nimmt dadurch eine Vorreiterrolle in Deutschland ein. "Ein Siegel ist wichtig, es ist wie ein Aushängeschild", findet Katrin Brüninghold, Bundessprecherin der Gleichstellungsbeauftragten, "es wäre an der Zeit, bundesweit Mittel in die Hand zu nehmen und das Siegel überall anzubieten. Angrabschen im Club darf keine Normalität mehr bleiben."