Die Band Silbermond hat ihre Wurzeln in Bautzen und will nicht länger zusehen, was in ihrer Heimatstadt geschieht. Im Interview zeigt sie klare Kante gegen Corona-"Spaziergänger".
Seit Wochen stehen Bautzen und andere sächsische Städte im Fokus. Weil eine gewaltbereite und aggressive Minderheit, als sogenannte Corona-Spaziergänger getarnt, das System herausfordert.
Mit einem offenen Brief "Bautzen gemeinsam" stellt sich die bislang leise Mehrheit der lauten Minderheit entgegen. Über 12.000 Menschen haben inzwischen unterschrieben. Darunter auch eine der erfolgreichsten deutschen Bands: Silbermond.
Die Musiker wollen nicht länger zusehen, was in ihrer Heimatstadt geschieht und zeigen im ZDF-Interview klare Kante gegen Hetze und rechte Gewalt.
ZDFheute: Ihr seid Erstunterzeichner der Bautzner Initiative. Habt Ihr gezögert, Euch so eindeutig politisch zu exponieren?
Johannes Stolle: Mich hat ein alter Freund aus Bautzen angerufen, einer der Initiatoren. Keine drei Minuten, nachdem ich den Aufruf gelesen habe, hab‘ ich zu meinen Bandkollegen gesagt: "Ich finde, das müssen wir unbedingt unterstützen, weil es genau zur richtigen Zeit kommt."
Stefanie Kloß: Es war keine Frage, ob wir das unterstützen. Denn auch wenn wir mittlerweile in Berlin leben, sind unsere Wurzeln in Bautzen, unsere Familien leben da und das, was da gerade passiert, darf man einfach nicht hinnehmen.
ZDFheute: Politiker fordern, dass sich die Zivilgesellschaft, die sogenannte "Schweigende Mehrheit", endlich lauter äußert. Woran liegt es denn, dass so wenige Bürgerinnen und Bürger aktiv werden?
Stolle: Ich würde nicht pauschal sagen, dass die Mehrheit zu leise ist. Nur diese extrem kleine Minderheit, von der wir reden, die ist einfach extrem laut. Sie verbreitet besonders viel Hass und Hetze. Wir als Mehrheit, als Mitte der Gesellschaft, wir müssen deshalb noch lauter werden.
Kloß: Viele Menschen denken so wie wir, dass die Maßnahmen einfach nötig sind.
Das schüchtert die Leute ein. Man bekommt Angst. Wenn ein Mob von 50 schwarz angezogenen Leuten durch Bautzen zieht und dabei irgendwelche Parolen ruft, dann verstehe ich:
Es ist unheimlich schlimm und traurig, weil wir unsere Heimatstadt anders kennen und weil wir eben genau wissen, dass die Mehrheit der Menschen dort genauso denkt wie wir.
ZDFheute: Was ist passiert, dass nun plötzlich an vielen verschiedenen Orten Initiativen aktiv werden?
Stolle: Manchmal reicht ja ein Funken, um das Feuer zu entfachen. Und wir hoffen natürlich, dass sich die stille Mehrheit auch in anderen Städten inspiriert fühlt von solch einer Aktion wie dem offenen Brief "Bautzen gemeinsam".
Dass eine Bewegung entsteht. Dass wir die deutliche Mehrheit sind und versuchen, vernünftig, empathisch und solidarisch durch die Pandemie zu kommen.
Kloß: Vielleicht liegt es ja auch an der gestiegenen Aggressivität, die von diesen Gruppen ausgeht. Mit Fackeln vor die Häuser von Politikern zu gehen oder grölend durch Bautzen zu ziehen – da fragt man sich: In welcher Zeit leben wir denn eigentlich?
Anderer Meinung zu sein, ist das eine Ding. Aber die Art und Weise, wie es gemacht wird, ist immer noch etwas anderes.
ZDFheute: Was passiert mit uns, wenn wir im kommenden Jahr Welle fünf und sechs erleben?
Stolle: Ich werde depressiv, wenn ich mir vorstelle, das alles noch ein Jahr oder länger ertragen zu müssen. Wir haben das große Glück, dass die Lösung des Problems auf dem Tisch liegt.
ZDFheute: Wie geht’s denn der Band Silbermond nach fast zwei Jahren Pandemie?
Kloß: Man kann nichts planen, man kann keine Veranstaltungen sicher planen. Natürlich wollen auch wir, dass sich die Leute sicher fühlen und wenn die Lust da ist, auch wieder auf Veranstaltungen zu gehen. Und im Moment steht allen der Sinn vielleicht nicht so sehr danach, weil wir alle nicht wissen, was kommt noch auf uns zu.
Aber wir sind sächsische Frohnaturen und deshalb reden wir hier auch über das Thema. Denn wir wissen, dass es in unserer Heimat auch anders geht.
ZDFheute: Was ist mit den Sachsen los? Warum sind wir Schlusslicht bei den Impfungen, aber ganz vorne mit dabei bei den Demos gegen die Corona-Maßnahmen?
Stolle: Ich habe keine Erklärung, warum das so ist, aber es macht mich traurig. Wir als Band machen immer wieder deutlich, dass man trotz aller Probleme mit dem rechten Rand nicht alle Sachsen oder alle ostdeutschen Mitmenschen über einen Kamm scheren darf.
Das Interview wurde von Stefan Kelch geführt und von Cornelia Schiemenz aufgearbeitet für die ZDFheute.
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