Exotische Knollen: Klimaerwärmung verändert Landwirtschaft

    Exotische Knollen in Deutschland:Klimaerwärmung verändert die Landwirtschaft

    Autorin Christina Gantner
    von Christina Gantner
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    Die Klimaerwärmung macht deutschen Landwirten zu schaffen. Doch sie birgt auch Chancen. So gedeihen hierzulande inzwischen ganz neue Pflanzen - zum Beispiel Süßkartoffeln.

    Süßkartoffel-Anbau in Deutschland wird erprobt.
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    Was auf Sönke Strampes Acker wächst, ist eine kleine Sensation. Der 34-jährige Landwirt aus Bad Bevensen in der Lüneburger Heide muss nur ein paar Zentimeter tief in der Erde graben, um die länglichen und dicken, orange-braunen Knollen in Händen zu halten: frische Süßkartoffeln - aus Norddeutschland.
    Noch vor ein paar Jahrzehnten wäre das kaum denkbar gewesen. Denn die Bataten mögen es warm, wachsen vor allem in tropischen und subtropischen Regionen wie Mittel- und Südamerika, wo sie ursprünglich herstammen. Bei unter zehn Grad stellt die Pflanze ihr Wachstum ein, bei Frost stirbt sie ab.

    Neue Kulturen durch höhere Temperaturen

    Doch das Klima in Deutschland verändert sich. Seit den 1950er-Jahren hat sich die Anzahl der "heißen Tage" mit über 30 Grad von etwa drei auf derzeit durchschnittlich neun Tage pro Jahr verdreifacht. Das Temperaturmittel hat sich nach oben verschoben. Damit wird auch hier der Anbau von Pflanzen möglich, denen es früher zu kalt war.
    Trotzdem: Neue Kulturen zu etablieren ist immer noch ein Wagnis, das Mut und Geld erfordert. "Das teuerste ist einfach das Pflanzgut", erklärt Sönke Strampe beim Rundgang über seine Äcker. "Dieses Jahr haben wir so um die 80.000 Euro für das Pflanzgut ausgegeben, die jetzt auf den zehn Hektar hier stecken. Und ja, das ist schon eine Menge Holz, was man investieren muss zu Anfang, um die Ernte einzufahren. Und es ist auch ein gewisses Risiko dabei."

    Wandelndes Klima bleibt Herausforderung

    Denn das Klima in Deutschland hat sich zwar erwärmt, aber noch immer können Spätfröste auftreten, die alles zerstören. Genau das ist im Mai 2019 passiert. Da sanken die Temperaturen nachts unter den Gefrierpunkt, sodass alle jungen Triebe auf Strampes Feldern erfroren. Damals belief sich der Schaden für den Süßkartoffel-Pionier auf 15.000 Euro. Dennoch geht er das Risiko gerne ein:

    Das ist eine Herausforderung. Aber wir müssen doch trotzdem mit den neuen Bedingungen klarkommen und das machen wir damit.

    Sönke Strampe, Landwirt

    Gesellschaft | plan b
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    Als Strampe 2016 den Betrieb seines Vaters übernahm, stellte er ihn auf Bioanbau um und suchte nach Alternativen zu klassischen Kulturen. Dabei stolperte er über die Süßkartoffel und baute sie zunächst testweise im Hausgarten an. "Nach dem ersten Jahr haben wir festgestellt, die wächst auch hier bei uns. Wir haben dann immer weiter expandier. Dieses Jahr sind wir bei guten zehn Hektar Süßkartoffel angekommen."

    Anspruchsvolle Kunden

    Seine Süßkartoffeln kann Sönkes Kundschaft im Onlineshop bestellen. Zwar sind die Knollen aus Norddeutschland noch teurer als die Importware, haben aber einen entscheidenden Vorteil: Durch die kurzen Lieferwege verursachen sie kaum CO2 und die Kundinnen und Kunden wissen, woher sie stammen.
    "Die Verbraucher hinterfragen mittlerweile sehr, wo ihr Essen herkommt und deswegen wollen wir einfach zeigen, wie wir das mit dem Anbau manchen", erklärt Anna Strampe. Sönkes Ehefrau ist im Betrieb für das Marketing zuständig und veröffentlicht auf den Socialmedia-Kanälen nicht nur Rezeptideen, sondern auch Neuigkeiten vom Hof und zur Ernte. Die ist nämlich immer noch eine Herausforderung.
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    "Biolandwirt des Jahres"

    Als Strampes anfingen, gab es in Deutschland fast niemanden, der die Knollen im großen Stil anbaute - und daher auch keine geeigneten Erntemaschinen. Herkömmliche Kartoffelroder sind ohne Umbau nicht einsetzbar, da die Bataten empfindlicher sind als normale Kartoffeln. Wenn ihre dünne Schale bei der Ernte verletzt wird, können sie austrocknen oder schimmeln. Sönke Strampe musste daher viel improvisieren und experimentieren. Mit einem selbst umgebauten Frühkartoffelroder läuft es inzwischen gut.
    Rund 165 Tonnen Süßkartoffeln hat das Paar dieses Jahr aus der Erde holen können. Aus ihrer Sicht ein voller Erfolg. Dass sich der Einsatz gelohnt hat, befand kürzlich auch eine Fachjury und kürte den Junglandwirt Strampe aus Norddeutschland zum "Biolandwirt des Jahres".
    Quelle: ZDF