Nobelpreisträger Pääbo erforscht die Anfänge des Menschen

    Medizin-Nobelpreisträger Pääbo:Auf der Suche nach den Anfängen des Menschen

    |

    Was macht den Menschen einzigartig - und wie viel Neandertaler steckt in uns? Diesen Fragen geht Svante Pääbo auf den Grund. Jetzt wurde er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

    Medizin-Nobelpreis geht an Leipziger Forscher Svante Pääbo
    Evolutionsforscher Svante Pääbo hat mit seinen Arbeiten das bisherige Verständnis der Evolutionsgeschichte des modernen Menschen revolutioniert.
    Quelle: dpa

    Svante Pääbo (67) posiert schon mal für ein Foto mit einem menschlichen Schädel. "Die Neandertaler und wir" hat der in Leipzig forschende schwedische Genetiker 2014 ein Buch über seine Jagd nach dem Erbgut des Neandertalers und seine Begeisterung für Mumien und jahrtausendealte DNA überschrieben. Am Montag sprach ihm die Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm den Medizin-Nobelpreis zu.
    Pääbo, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in der sächsischen Messestadt, gilt als einer der meist zitierten Forscher der Gegenwart. Er studierte an der Universität Uppsala Ägyptologie und Medizin. Mit der Paläogenetik hat er eine Forschungsrichtung auf den Weg gebracht hat, die immer wieder mit faszinierenden Erkenntnissen aufwartet. Paläogenetiker erforschen die Genome alter Organismen und ziehen daraus Rückschlüsse auf den Verlauf der Evolution.

    Was macht Menschen zu Menschen?

    Pääbos Anspruch: Er will herausfinden, was den Menschen zum Menschen macht. Dass sich Erbgut überhaupt über Jahrtausende erhält, galt lange als undenkbar. "Noch 2006 habe ich das nicht einmal selbst geglaubt" sagte der Wissenschaftler 2014 in einem "Spiegel"-Interview.

    Als ich in den frühen Achtzigern anfing, nach der DNA in den Knochenresten ausgestorbener Lebewesen zu suchen, hielten die meisten Experten das ganze Unternehmen für ziemlich verrückt.

    Svante Pääbo

    1984 gelang ihm als Doktorand erstmals die Klonierung der DNA einer ägyptischen Mumie. 1997 sequenzierten Pääbo und sein Team erstmals kleine Teile der DNA eines Neandertalers. Ein gigantisches Puzzle.

    Genom des Neandertalers rekonstruiert

    Die Schwierigkeit dabei: Die Knochen von Neandertalern sind nach Jahrtausenden im Boden von Bakterien und Pilzen derart stark besiedelt, dass bis zu 99,9 Prozent der darin gefundenen DNA von Mikroben stammt. Zudem liegen die geringen Mengen verbliebener Neandertaler-DNA nur in kurzen Bruchstücken vor, die zusammengesetzt werden müssen.
    Das Ergebnis: Die DNA des Neandertalers unterschied sich deutlich von der heutiger Menschen, womit erwiesen war, dass Neandertaler nicht die direkten Vorfahren jetziger Menschen sind. 2010 rekonstruierte das Team eine erste Version des Genoms der Neandertaler aus Knochen. 2014 wurde diese Arbeit abgeschlossen.

    Neandertaler-DNA auch in modernem Menschen

    2012 gelang Pääbos Team ein weiterer Durchbruch: Es entschlüsselte das Genom aus einem Knochen, den es in der Denisova-Höhle im westsibirischen Altai-Gebirge gefunden hatte, und entdeckte, dass er von einer bis dahin unbekannten Urmenschen-Gruppe stammte. Die so getauften Denisova-Menschen waren entfernt mit den Neandertalern verwandt.
    Pääbos Vergleiche des Neandertaler-Genoms mit dem Erbgut moderner Menschen ergaben, dass sie bei ihrem Zusammentreffen vor rund 50.000 Jahren gemeinsamen Nachwuchs gezeugt haben müssen, zu einem Zeitpunkt, als moderne Menschen Afrika verließen und nach Europa und Asien auswanderten. Die Folge:

    Jeder von uns trägt etwa ein bis zwei Prozent vom Neandertaler in sich.

    Svante Pääbo

    Auf der Suche nach dem "Rezept der Menschwerdung"

    "Wenn wir wissen wollen, was an unserem Erbgut exklusiv menschlich ist, dann sollten wir uns fragen: Welches sind die genetischen Veränderungen, die wir alle gemeinsam haben, nicht aber der Neandertaler?", beschreibt der Wissenschaftler seine Herangehensweise. Etwa 31.000 solcher Unterschiede gibt es. "Das Rezept der Menschwerdung muss in diesen Veränderungen verborgen sein."
    Forscher präsentiert Neandertaler-Erbgut.
    In einer spanischen Höhle wurden zahlreiche Knochen von Neandertalern gefunden, 49.000 Jahre alt. Sie könnten eine Antwort auf die Frage geben, warum der Neandertaler ausgestorben ist.15.09.2020 | 43:49 min
    Doch wie es aussieht, bleibt unklar: "Ich denke, dass wir mindestens noch zehn oder zwanzig Jahre lang damit beschäftigt sein werden, diese entscheidenden DNA-Unterschiede zu identifizieren, die uns einzigartig machen", glaubt der Wissenschaftler.
    Dabei könnte auch geklärt werden, warum moderne Menschen eine komplexe Kultur und Technik entwickelten, die ihnen ermöglichten, fast die ganze Welt zu kolonisieren. "Die Neandertaler haben in Hunderttausenden Jahren ihr Steinwerkzeug kaum weiterentwickelt.
    Sie hatten wohl auch kein Interesse daran, Höhlenwände zu bemalen. Und sie haben nie das Meer überquert", sagt Pääbo. Der moderne Mensch dagegen besiedelte innerhalb von nur 65.000 Jahren jede Insel im Pazifik. "Irgendwie ist das doch verrückt - wir sind verrückt! Als Nächstes fliegen wir zum Mars. Wir können nie aufhören."
    Quelle: KNA, Christoph Arens

    Mehr zu den Ursprüngen des Menschen