Mord wegen Maskenpflicht? Im Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Tankstellenmitarbeiter hat der Angeklagte gestanden. Die Corona-Regeln hätten ihm zunehmend zugesetzt.
Ein halbes Jahr nach dem tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Corona-Maskenpflicht hat der Angeklagte die Tat gestanden. "Ich bereue sie zutiefst", erklärte der 50-Jährige vor dem Landgericht Bad Kreuznach in einer schriftlichen Stellungnahme, die von seinem Anwalt verlesen wurde. Erklären könne er sich sein Handeln bis heute nicht. Er sei sich der Schwere der Tat bewusst und bitte die Angehörigen des 20 Jahre alten Opfers um Entschuldigung.
Die Mutter des Getöteten verfolgte die Aussage des Angeklagten sichtlich erschüttert. Sie ist in dem Prozess als Nebenklägerin zugelassen.
Opfer forderte Angeklagten auf, Mundschutz zu tragen
Der Schütze schilderte, was sich am Abend des 18. September 2021 aus seiner Sicht in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) zugetragen hatte. Er habe vor der Tat zu viel getrunken "und die Sicherung ist durchgebrannt", berichtete der Angeklagte. Er habe bereits sieben bis acht Halbliter-Dosen Bier intus gehabt und sich an einer Tankstelle mit weiterem Bier eindecken wollen. Dort habe er sich provoziert gefühlt, weil der Tankstellen-Mitarbeiter ihn kategorisch auf die Maskenpflicht hingewiesen habe und ihm kein Bier verkaufen wollte.
Der Angeklagte habe sich deshalb an einer anderen Tankstelle damit versorgt. Zu Hause habe er sich immer mehr über das Verhalten des Tankstellen-Mitarbeiters aufgeregt. Er habe einen geladenen Revolver aus seinem Nachttisch geholt und sei erneut zu der Tankstelle gefahren mit dem Entschluss, den Angestellten zu erschießen, "um ein Zeichen zu setzen".
"Hahn gespannnt und abgedrückt"
In der Tankstelle habe er seine Maske heruntergezogen, "die Waffe gezogen, den Hahn gespannt und abgedrückt". Was genau in seinem Kopf vorgegangen sei, daran erinnere er sich nicht mehr, antwortete der Angeklagte auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Claudia Büch-Schmitz.
Der Angreifer leidet nach eigenen Worten an Asthma und einer Verengung der Luftröhre. Deshalb habe er keine Maske tragen wollen. Ein Attest, das ihn von der Maskenpflicht befreit hätte, habe er nicht gehabt, antwortete er der Richterin. Es sei ein "erniedrigender Gedanke" für ihn gewesen, seinen "Gesundheitszustand offenbaren" zu müssen.
Wegen der Corona-Regeln immer mehr isoliert
Er habe sich im Lauf der Monate immer mehr isoliert. Er habe sich in Internet-Foren informiert, immer mehr in einer "Blase" gelebt und sei auch sprachlich "verroht". Mit Blick auf die Corona-Maßnahmen und die Politiker fühte der Angeklagte hinzu:
Er habe das Gefühl gehabt, dass der Staat immer schärfer seine Bürger überwache "wie früher in der DDR". Die Familie des Angeklagten war Mitte der 1970er Jahre aus der DDR geflüchtet.
Anklage auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes
Nach seiner Sicht waren die Corona-Beschränkungen auch dafür verantwortlich, dass er nicht zur Beerdigung seines Vaters habe gehen dürfen. Dieser habe sich nach einer schweren Krebserkrankung im Jahr 2020 erschossen und zuvor auch seine Frau - die Mutter des Angeklagten - mit einem Schuss ins Gesicht schwer verletzt. Auch sie habe er wegen der Auflagen nicht im Krankenhaus besuchen dürfen. Inzwischen sei die Mutter an Krebs gestorben. Der Revolver, mit dem er auf den Tankstellen-Mitarbeiter schoss, habe früher seinem Vater gehört.
Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Angeklagt ist der 50-jährige Deutsche auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Die Anwälte hatten vor Beginn des Prozesses deutlich gemacht, dass sie Zweifel daran haben, dass bei der Tat die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe erfüllt sind.