Darf der Staat Gendern verbieten? Was rechtlich zulässig ist

    Nach Beschluss in Thüringen:Darf man Gendern verbieten?

    von Max Kolter, Samuel Kirsch und Sarah Tacke
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    Thüringens Landtag will Gender-Sprache aus der öffentlichen Kommunikation verbannen. Doch Vorgaben für Sprache und Schrift darf der Staat nur begrenzt machen.

    Genderstern-Graffiti an einer Mauer in der Hafencity von Hamburg
    Das Genderstern-Graffiti soll in Thüringen keine Zukunft haben.
    Quelle: imago

    In Thüringen sollen die Landesregierung, Ministerien, Universitäten, staatliche Schulen und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Gender-Sprache mehr verwenden. Das hat der thüringische Landtag beschlossen. Ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion erreichte am Freitag eine knappe Parlamentsmehrheit.
    Entscheidend dabei ist das Wort "soll". Der Landtagsbeschluss hat nur appellativen Charakter. Er ist eine Aufforderung an die Landesregierung, Gender-Sternchen, Unterstriche und Doppelpunkte aus der öffentlichen Kommunikation zu verbannen.

    Darf der Staat das Gendern überhaupt verbieten?

    Doch wäre so ein Gender-Verbot rechtlich gesehen überhaupt zulässig? Darauf gibt es keine einheitliche Antwort. Denn inwieweit der Staat eine bestimmte Schreib- und Sprechweise verpflichtend vorgeben darf, hängt davon ab, für welchen Bereich dies gelten soll.
    Im Grundsatz gilt: Sprache gehört dem Volk. Von ihm wird sie gesprochen und geschrieben und dabei weiterentwickelt. So sieht es das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zur Rechtschreibreform aus dem Jahr 1998.
    Deswegen sind staatliche Sprech- oder Schreibverbote in der privaten Kommunikation, abgesehen etwa von strafbaren Beleidigungen, so gut wie ausgeschlossen. Insbesondere wie seine Bürger Worte aussprechen, darf der Staat nicht vorgeben.

    Geschlechtersensible Schreibweisen sind nicht anerkannt

    Für den öffentlichen Bereich gelten, zumindest was das geschriebene Wort angeht, etwas andere Regeln. Doch auch dort sind rechtliche Eingriffe nur begrenzt möglich und müssen begründet werden.
    Ein legitimer Grund für sprachliche Vorgaben kann darin liegen, die Einheitlichkeit der Schriftsprache zu sichern. Dazu gibt es die im "Amtlichen" Regelwerk festgelegte deutsche Rechtschreibung.
    Die sieht geschlechtersensible Schreibweisen wie den Gender-Stern nicht vor. Der Rat für deutsche Rechtschreibung entschied sich erst im vergangenen Jahr dagegen, Gender-Schreibweisen als rechtschreibkonform anzuerkennen.

    Staat darf auf Rechtschreibregeln pochen

    Weil das Regelwerk für Behörden, Einrichtungen der Rechtspflege und Schulen verbindlich ist, gilt dort faktisch schon jetzt ein Gender-Verbot. Der Staat ist für seine eigenen Behörden zuständig und führt nach dem Grundgesetz auch die Aufsicht über die Schulen, wo Schüler eine einheitliche Schreibweise erlernen sollen.
    Deswegen darf er hier auf die Einhaltung der Rechtschreibregeln pochen. Sollte allerdings ein Schüler, der unbedingt gendern möchte, dagegen vorgehen, wäre es nicht ausgeschlossen, dass Gerichte seine persönliche Handlungs- und Meinungsfreiheit höher gewichten als das Bedürfnis nach einheitlicher Schreibung.

    Ein Professor darf gendern

    Weniger weitgehend als auf die Schule ist der Einfluss einer Regierung auf die Universitäten. Denn sie genießen Wissenschaftsfreiheit. Professoren darf deswegen nicht verboten werden, in wissenschaftlichen Aufsätzen oder in ihren Vorlesungen zu gendern, selbst wenn es nicht rechtschreibkonform ist.
    Im Universitätsbetrieb kommt ein staatliches Gender-Verbot deswegen allenfalls für die Universitätsverwaltung jenseits von Forschung und Lehre in Betracht, wenn eine Hochschule beispielsweise Zeugnisse ausstellt. Was die Bewertung von Prüfungsleistungen an Hochschulen angeht, ist nach geltender Rechtslage Gendern weder verboten noch verpflichtend.
    Dass eine Landesregierung Professoren verpflichtet, Gendern in Klausuren als Fehler zu werten, dürfte durch deren Lehrfreiheit ausgeschlossen sein.

    Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird das Gendern nicht verboten werden können

    Schließlich fordert der thüringische Landtag auch ein Verbot von Gendersprache für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch Rechtsexperten gehen davon aus, dass man Journalisten das Gendern nicht wirksam verbieten kann.
    Grund dafür ist die verfassungsrechtlich garantierte Rundfunkfreiheit und wohl auch das Gebot der Staatsferne. Journalisten sprechen und schreiben in der Öffentlichkeit, prägen Debatten inhaltlich, aber auch sprachlich.
    Der Staat muss sich aus der öffentlichen Meinungsbildung heraushalten. Nimmt er Einfluss auf die Sprech- und Schreibweise von Medien, ist das rechtlich heikel.

    Was das Gender-Verbot des Thüringer Landtags ist

    Das heißt, der Rundumschlag, den der thüringische Landtag beschlossen hat, ist juristisch zwar nicht angreifbar, weil er keine Rechtskraft hat. Wäre der Beschluss aber ein per Gesetz angeordnetes Gender-Verbot wäre er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Bezug auf Universitäten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfassungswidrig.
    Und in Bezug auf Schulen, Behörden und Einrichtungen der Rechtspflege ist der Appell überflüssig, da hier bereits ein echtes Gender-Verbot besteht. Das zeigt, dass der Beschluss vor allem eines ist: Populistische heiße Luft.
    Max Kolter, Samuel Kirsch und Sarah Tacke arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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