Tierversuche polarisieren. Für viele gilt: Tiere töten ist nicht in Ordnung. Weshalb sind wir in der Wissenschaft noch darauf angewiesen? Gibt es nicht schon bessere Alternativen?
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Die meisten von uns sind gegen Tierversuche. Klar, sie werden in aller Regel durchgeführt, um uns Menschen zu helfen, und das wissen wir mit Sicherheit zu schätzen, aber da muss es doch auch bessere Wege geben.
An denen wird tatsächlich gearbeitet, zum Beispiel in Form von Multi-Organ-Chips, die in der Lage sind, menschliches Gewebe quasi originalgetreu im Labor testbar zu machen. Egal ob Haut, Niere oder Darm: Die entsprechenden Zellen können mit diesen Chips untersucht und beforscht werden, ohne dass ein Tier dafür notwendig ist.
Chips haben ihre Grenzen - wenn es ums Gehirn geht
Aber diese Technik hat auch ihre Grenzen, zum Beispiel wenn es ums Gehirn geht. So kann man inzwischen zwar Nervenzellen auf einem Chip wachsen lassen, aber unser Denkapparat ist nun mal mehr als nur eine Masse von einzelnen Nervenzellen. So kann man im Labor testen, ob ein Medikament hilft, einen Nervenschaden zu verhindern oder zu heilen - aber ob das bei einer echten Patientin die gewünschten Auswirkungen hat, ob sie nachher wieder ein funktionierendes Gedächtnis oder eine intakte Aufmerksamkeitsspanne hat, darüber schweigt der Chip.
Könnten organähnliche Gewebestrukturen den ein oder anderen Tierversuch künftig überflüssig machen. Wo können Forscher heute bereits auf Tierversuche verzichten und wo nicht?
Daher sprechen sich Forschende gerade im Mental-Health-Bereich für die Notwendigkeit von Tierversuchen aus: Es sei "nach wie vor unvorstellbar", dass man neue Behandlungsmethoden für psychische Störungen entwickeln könne, ohne in irgendeiner Form ein Tiermodell mit einzubeziehen. Denn ein Chip-Gehirn, an dem man beispielsweise ablesen könnte, welche Veränderung an einer Nervenzelle zu der gewünschten Linderung einer Depression führt, wird auch in absehbarer Zukunft nur ein Element von Science-Fiction-Romanen sein.
Tierversuche oft in Grundlagenforschung zu psychischen Störungen
Im Gegensatz dazu sind die Mechanismen der Depression in Maus und Mensch vergleichsweise ähnlich: Zumindest kann man sich in beiden Wesen genetisch oder anderweitig bedingte, strukturelle oder funktionelle Veränderungen in Regionen wie der Amygdala oder dem Hirnstamm anschauen und prüfen, ob sich mit ihnen auch das Verhalten ändert. Auf die Frage, wie es ihr geht, gibt die Maus zwar ebenso wenig eine Antwort wie der Chip, aber dafür lässt sich ihr Problemlöse- oder Fluchtverhalten beobachten, was gewisse Schlüsse über ihr Innenleben zulässt.
Aus diesem Grund werden Tierversuche gerade in der Grundlagenforschung zu psychischen Störungen verwendet, wo es darauf ankommt, die Mechanismen im Gehirn zu verstehen, die zu diesen Störungen führen können. So ging es auch bei Ketamin: Das war als Wirkstoff schon länger bekannt, aber am Tiermodell konnten dann seine potenziell antidepressiven Eigenschaften gezeigt werden. Es entstand eine neue vielversprechende Behandlungsmethode, die es ohne Tierversuche aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben würde.
Revolutioniert die Partydroge Ketamin die Behandlung von Depressionen? Besonders Menschen mit starken Depressionen könnte sie Hoffnung schenken.
Tiermodell ist nur ein Modell
Und während Ketamin bereits in der Therapie eingesetzt wird, befinden sich gleichzeitig Dutzende andere potenzielle Antidepressiva in der Entwicklung. Ähnlich lief es bei Brexanolon, einem neuen Medikament, das gegen postpartale Depression helfen soll, derzeit in Deutschland aber noch nicht zugelassen ist. Diese Entwicklungen machen natürlich Hoffnung, Menschen mit zum Teil sehr schwerwiegenden psychischen Erkrankungen in der Zukunft besser helfen zu können.
Aber natürlich ist dabei auch Vorsicht geboten: Definitionsgemäß ist die Depression eine Erkrankung des Menschen. Wissenschaftlich gesehen gibt es also keine depressive Maus und kein Mäuse-Antidepressivum, auch wenn diese Verkürzungen in den Medien häufig anzutreffen sind. Wir müssen uns stets darüber im Klaren sein, dass ein Tiermodell eben genau das ist: ein Modell. Und wie der britische Statistiker George Box sagte: "Alle Modelle sind falsch, aber manche sind nützlich."
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Dass Tiermodelle für die Erforschung psychischer Störungen nützlich sind, ist wissenschaftlich eindeutig. Ob ihr Nutzen ausreichend ist, um Tierversuche zu rechtfertigen, ist allerdings keine wissenschaftliche, sondern eine ethische Frage.
Darf ich jemanden töten oder den Tod eines Menschen in Kauf nehmen, um Leben zu retten? Welches Leben retten wir dann bei Tierversuchen? Die ganze Sendung zur Kolumne von MAITHINK X.
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