Im Fall um die tödlichen Polizeischüsse auf einen 16-Jährigen in Dortmund ist der Schütze suspendiert worden. Neue Erkenntnisse in dem Fall könnte eine Tonaufnahme liefern.
Nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 16 Jahre alten Flüchtling in Dortmund ist der Schütze suspendiert worden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Ermittlerkreisen. Vier weitere Beamte wurden laut Polizei Dortmund zunächst intern versetzt. Die SPD fordert unterdessen eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, der kommende Woche tagen könnte.
Die Polizei hatte die Disziplinarverfahren gegen die Beamten publik gemacht. Dabei wurde aber nicht gesagt, wer von den fünf betroffenen Beamten suspendiert wurde. Auch auf Nachfrage machte die Polizei keine weiteren Angaben.
Nach den tödlichen Polizei-Schüssen auf einen 16-jährigen Senegalesen bei einem Einsatz in Dortmund wird ein Bericht der Landesregierung erwartet. War es Selbstverteidigung oder übertriebene Polizeigewalt?
Die Polizei war am 8. August zum Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung im Dortmunder Norden gerufen worden, in dem sich der 16-Jährige ein Messer mit einer 15 bis 20 Zentimeter langen Klinge an den Bauch hielt. Der Einsatz lief daher zunächst als Einschreiten bei einem Suizidversuch.
Ermittlungen gegen den Schützen eingeleitet
Der suspendierte Polizeibeamte hatte laut aktuellem Ermittlungsstand sechs Mal mit seiner Maschinenpistole auf den Jugendlichen geschossen. Vier Schüsse davon trafen laut einem neuen Bericht an den Innenausschuss des Landtags. Der 16-Jährige starb im Krankenhaus.
Gegen den Schützen wird zurzeit noch wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Laut dem Bericht an den Innenausschuss prüft die Staatsanwaltschaft, ob die Ermittlungen gegen den Mann wegen Totschlags ausgeweitet werden. "Aus der Prüfung an sich darf man aber nicht den Rückschluss ziehen, dass es so ist", betonte der zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Freitag.
Unklar, ob Jugendlicher wirklich die Polizei angriff
Der Bericht an den Innenausschuss wirft ein neues Licht auf den dramatischen Fall. So ist laut aktuellem Ermittlungsstand nicht klar, ob und wie der Jugendliche tatsächlich mit einem Messer auf die Beamten zugegangen ist. Entscheidend ist also die Frage, wie groß die Gefahr für die Polizisten tatsächlich war.
Laut dem Bericht und der Staatsanwaltschaft wird gegen drei weitere Beamte wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung im Amt ermittelt - sie hatten Reizgas beziehungsweise Taser eingesetzt.
Einsatz könnte "aus dem Ruder gelaufen sein"
Außerdem wird gegen den Einsatzleiter wegen der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung im Amt ermittelt. Dombert sagte, er habe die Wahl der Mittel und deren Reihenfolge festgelegt und das Kommando gegeben: "Jetzt besprühen."
Die Staatsanwaltschaft wird klären müssen, ob die Anwendung von Pfefferspray und dann zwei Tasern angemessen war. Man habe zunächst ein Vorermittlungsverfahren geführt, sagte Dombert.
Hoheitliches Handeln den Bürgern gegenüber stehe immer unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Und wir sehen hier diese Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt", sagte der Oberstaatsanwalt. Es sei zunächst nicht das mildeste Mittel gewählt worden, um den jungen Mann vom Suizid abzuhalten oder aber in Besitz des Messers zu kommen.
Tonaufnahme könnte neue Erkenntisse bringen
Der 29 Jahre alte Schütze hat sich laut Dombert nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sein Verteidiger habe mitgeteilt, dass er bei einer staatsanwaltschaftlichen Ladung keine Angaben machen werde, sagte er. Das gilt auch für die vier weiteren Beschuldigten. Diese hatten sich aber - wie auch die anderen Beteiligten - als Zeugen geäußert, bevor Ermittlungen gegen sie aufgenommen worden waren.
Neue Erkenntnisse erhoffen sich die Ermittler von einer Tonaufnahme des Einsatzes. Der Betreuer der Einrichtung, der den Notruf gewählt hatte und in der Nähe des Einsatzes blieb, sei während der ganzen Zeit in der Leitung geblieben, sagte Dombert.
Es seien der Betreuer und der Polizeibeamte in der Leitstelle zu hören. Im Hintergrund höre man auch Menschen sprechen und Knallgeräusche, die von Tasern oder der Maschinenpistole stammen könnten. Das Bundeskriminalamt (BKA) werte die Aufnahme noch aus, man warte auf das Gutachten.
Unklar ist weiter, ob die Waffe auf Dauerfeuer oder Einzelschuss eingestellt war. Die Maschinenpistole sei dem LKA übersandt worden, das eine Expertise dazu abgeben werde, sagte Dombert.