Viel Geld, viel Aufregung, viele Infektionen, aber auch neue sportliche Rekorde und begeisterte Fans - die Bilanz der Olympischen Spiele in Tokio ist vielschichtig.
Zwei Wochen Olympia gehen zu Ende. Besonders umstrittene Spiele waren es und die teuersten. Experten schätzen die Gesamtkosten auf umgerechnet bis zu 25 Milliarden Euro. Viele Japanerinnen und Japaner haben die Sorge, dass ihr Land und damit letztlich sie alle auf einem Teil davon sitzen bleiben. Zumal die Versicherungen gegen Einnahmeausfälle offenbar nicht alles auffangen.
Fehleinschätzung der Politik und Höchstleistung der Teams
Viel gab und gibt es zu diskutieren. Trotzdem würde ein simples "Hätten sie am besten alles abgesagt!" auch diesen Spielen nicht gerecht. Ebensowenig wie reine Lobeshymnen des IOC-Präsidenten Thomas Bach, für den Olympia erwartungsgemäß "ein großer Erfolg" war. Wer auf der Suche ist nach einfachen Lösungen, muss scheitern. Auch die olympische Welt lässt sich nicht nur einteilen in Schwarz und Weiß.
Bestandteil einer überaus komplexen Gesamtlage war u.a. die krasse Fehleinschätzung von Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga, der im Januar verkündete, dass die Spiele ein Beweis sein sollten "für den Sieg des Menschen über das Coronavirus". Tatsächlich machten dann nicht nur die Olympia-Teams Schlagzeilen mit ihren Leistungen, auch die Infektionszahlen stiegen auf neue Rekordwerte.
Waren es in Tokio Anfang Juli noch 500 neue Fälle am Tag, meldeten die Behörden Anfang August über 5.000. Das Impfen läuft nach wie vor nicht rund, gerade mal etwas mehr als 30 Prozent der Menschen sind voll geimpft.
Zustimmung zu Regierung gesunken
Auch Olympia als ein Symbol für den Wiederaufbau Japans - zehn Jahre, nachdem ein Erdbeben einen Tsunami und die Atomreaktorkatastrophe in Fukushima ausgelöst hatte - klingt in den Ohren einiger zehntausend Menschen wie Hohn. Denn sie konnten immer noch nicht in ihre Heimatorte zurückkehren.
Sugas Regierung bekam die Quittung dafür, dass sie trotz breiter Ablehnung der Bevölkerung an Olympia festhielt. Die Zustimmungswerte für die Regierung sanken, im Juli waren es laut TV-Sender NHK nur noch 33 Prozent, ausgerechnet kurz vor den Unterhaus-Wahlen, die es bis zum Herbst geben soll.
Journalisten kritisieren komplizierte Corona-Regeln
Was es hieß, in dieser Lage Olympia abhalten zu wollen, offenbarte sich im "Playbook", einem Regelwerk mit Verhaltensmaßnahmen vor der Einreise und während des Aufenthaltes. Zu den besonders diskutierten Vorschriften gehörten weniger die permanenten PCR-Tests - die immerhin dafür sorgten, dass positive Fälle schnell erkannt wurden.
Schelte gab es von manchen Journalistinnen und Journalisten für die komplizierten Quarantäneregeln und den damit verbundenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Lediglich vorher festgelegte Orte durften während der ersten 14 Tage aufgesucht werden, der Supermarkt war einer davon. Ob Einreisende geimpft oder ungeimpt kamen, spielte für Japans Behörden keine Rolle.
Besonderen Unmut, so erzählte uns ein Kollege aus den USA, lösten diese Maßnahmen bei Journalistinnen und Journalisten aus, die schon jahrelang im Land sind, für die aber dieselben Regeln galten wie für die neu Eingereisten. So entstand bei manchen der Eindruck, die Quarantäne sei nur ein Vorwand, um fremde Medien in Schach zu halten und Schlagzeilen vor allem von der inländischen Presse bestimmen zu lassen.
Japaner zunehmend begeistert von Sportlern
Aber da war ja noch der Sport: Die Höchstleistungen der Athletinnen und Athleten, die sich jahrelang auf Olympia vorbereitet hatten. Tränen der Freude über Edelmetall, Tränen der Enttäuschung. Sportarten, die sonst keine oder nur geringe mediale Aufmerksamkeit bekommen. Die spontane Olympia-Begeisterung vieler Japanerinnen und Japaner, als ihre Teams Goldmedaillen einsammelten im Schwimmen, im Judo, im Skateboarden.
Der Nationalstolz öffnete daraufhin nicht nur die Herzen, sondern auch die Portemonnaies. Während die Olympia-Shops vor den Spielen leer blieben, kamen die Helferinnen und Helfer mit dem Nachfüllen der Regale in den vergangenen Tagen teilweise kaum nach. Kleine Notiz am Rande: Auch der Umsatz von OLED-Fernsehern stieg im Juli im Vergleich zum Juni um 40 Prozent an.
Trotz widriger Umstände Zufriedenheit
Wie sagen sie doch gleich in Japan? "Ganbarimasu!" Was so viel heißt, wie "Durchhalten und dabei das Beste geben!" Nach unserer 14-tägigen Quarantäne durften wir uns als ZDF-News-Reporter frei bewegen. Wo auch immer wir unterwegs waren, trafen wir stets auf freundliche, respektvolle Menschen.
Die Japanerinnen und Japaner haben den widrigen Umständen getrotzt. Abseits dieser Mischung aus Sport, Kommerz, Pandemie und Politik haben sie beste Werbung gemacht - für sich, ihre Stadt und ihr Land.
Tom Palluch ist ZDF-Reporter in Tokio