App forderte zum Stromsparen auf: Keine Blackout-Gefahr

    Blackout-Gefahr im Süden?:Was hinter der Strom-Warnung wirklich steckt

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
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    Eine App des Netzbetreibers TransnetBW forderte Kunden in Baden-Württemberg zum Stromsparen auf. ZDFheute erklärt, warum dahinter keine Blackout-Gefahr steckt.

    Nordrhein-Westfalen, Allrath: Strommasten stehen auf einem Feld.
    Redispatching, also das Umdisponieren der Kraftwerke, passiert ständig.
    Quelle: Federico Gambarini/dpa

    Die Mitteilung der App "StromGedacht" des Netzbetreibers TransnetBW klang besorgniserregend: Der Status für die Stromversorgung in Baden-Württemberg sprang am Mittwoch von grün ("Stromversorgung gesichert") zuerst auf gelb und ab mittags um 14 Uhr sogar auf rot. "Die Situation im Stromnetz ist angespannt", hieß es von der App. "Reduziere jetzt Deinen Stromverbrauch, um mitzuhelfen, das Stromnetz stabil zu halten". Der Ratschlag: "Verbrauch reduzieren".
    Nachdem Medien über die App-Warnung berichteten, entbrannte in den Sozialen Netzwerken eine Debatte, ob nun ein Blackout drohe. Die "Bild"-Zeitung schrieb in einem Kommentar zu der App-Mitteilung, Deutschland nähere sich wegen des Mangels an Strom "einem Schwellenland an". Die AfD versuchte, politisches Kapital aus der Meldung zu schlagen: "Grüne Mangelwirtschaft: Netzbetreiber fordern Bürger zum Stromverzicht auf" heißt es auf der AfD-eigenen Internetseite Blackoutmelder.

    Viel Lärm um nichts

    Doch die Aufforderung der App zum Stromsparen hat mit einem drohenden Blackout nichts zu tun, erklärt Karsten Wiedemann, Energieexperte und Journalist beim Branchenmagazin "Energate" im Gespräch mit ZDFheute: 

    Dass der Strom in Baden-Württemberg knapp wurde gestern - das stimmt so nicht.

    Energieexperte Karsten Wiedemann

    "Da ist schlicht etwas passiert, das schon seit Jahren passiert: Der Fahrplan der Kraftwerke wurde geändert, also umdisponiert, welche Kraftwerke welchen Strom wohin liefern, das nennt man Redispatch", so Wiedemann. Normalerweise komme viel Strom von Windkraftanlagen aus dem Norden.
    Doch wegen des verschleppten Netzausbaus der vergangenen Jahre reicht der Strom, der im Süden ankommt, manchmal nicht aus. Deshalb mussten gestern Kraftwerke dazugeschaltet und zusätzlich Strom aus der Schweiz importiert werden. So etwas passiere laut Wiedemann aber ständig. "Das einzige, was jetzt neu ist: Mit dieser App versucht TransnetBW, den Vorgang transparent zu machen."
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    Bei den App-Hinweisen geht es nur ums Geld

    Letztendlich geht es bei der App vor allem ums Geld: Denn solche Stromumleitungen und das Dazuschalten zusätzlicher Kraftwerke sind teuer, genau wie der Stromeinkauf aus dem Ausland. Alle Kosten werden am Ende über die Netzentgelte auf die Kunden umgelegt. Zudem gehen bei einem Redispatch in der Regel fossile Kraftwerke ans Netz, was den CO2-Ausstoß erhöht. "Diese App ist ein Versuch, gegenzusteuern, indem man den Verbrauchern sagt: Wenn ihr jetzt für kurze Zeit den Stromverbrauch reduziert, die Waschmaschine vielleicht nachts anstellt, spart das Geld", sagt Wiedemann.
    Erst vor zehn Tagen wurde die App von TransnetBW ins Leben gerufen, eine Premiere für deutsche Netzbetreiber: "Wir schaffen erstmals eine Möglichkeit für die Bevölkerung, den eigenen Stromverbrauch an die Situation im Stromnetz anzupassen", erklärte Transnet-BW-Chef Werner Götz stolz in einem Interview mit "energate".
    StromGedacht-App von Transnet BW
    "StromGedacht"-App von TransnetBW - missverständliche Texte führten zu Angst vor Blackout.
    Quelle: StromGedacht-App

    Kommunikations-Desaster für TransnetBW

    Doch mit den hohen Wellen, die die erste rote App-Warnung auslöste, hat man bei TransnetBW offenbar nicht gerechnet. Dabei liegt ein wesentlicher Grund für die Aufregung beim Betreiber selbst. Denn die Warnungen der App sind tatsächlich irreführend: Nur beim grünen Status steht, dass die "Stromversorgung gesichert" sei. Bei rot sollen die Stromkunden den "Verbrauch reduzieren" und "Haushaltsgeräte möglichst nicht nutzen" - das kann man durchaus so verstehen, dass die Stromversorgung eben nicht mehr gesichert ist. Und wenn man helfen soll, "das Stromnetz stabil zu halten" - wäre es instabil, wenn nicht genügend Verbraucher mitmachen?
    Warum der Text so missverständlich ist, ob nachgebessert wird, dazu wollte sich eine Sprecherin von TransnetBW nicht äußern. Per Mail teilte sie lediglich mit:

    Eine gelbe oder rote Ampelfarbe heißt nicht, dass mit Stromabschaltungen zu rechnen oder dass das Stromnetz instabil ist.

    Mitteilung von Transnet BW

    Bedarf für Nachbesserungen bei der App sieht auch Wiedemann: "Ich denke, man kann eine Menge daraus lernen, wie das gestern verlaufen ist. Man muss vor allem einen Weg finden, wie man das positiver formuliert."

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    Leuchttafel "Blackout".

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