Das ukrainische Atomkraftwerk Tschernobyl ist ohne Strom. Die Internationale Atomenergie-Organisation gibt jetzt Entwarnung: Der Stromausfall habe keine Folgen für die Sicherheit.
Die Atomruine von Tschernobyl ist im Zuge der Kämpfe in der Ukraine vom Stromnetz abgeschnitten worden. Darum könnten verbrauchte Brennelemente nicht mehr gekühlt werden, hatte zunächst die staatliche ukrainische Atomenergiefirma Energoatom mitgeteilt und vor dem Austritt radioaktiver Substanzen gewarnt.
IAEA: keine kritischen Folgen für Sicherheit
Die Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA gibt am Mittwoch allerdings Entwarnung: Der Stromausfall hätte keine kritischen Folgen für die Sicherheit.
Dass die abgebrannten Brennelemente weniger Kühlung brauchen, liegt daran, dass das Atomkraftwerk schon so lange stillgelegt ist.
Im Kernkraftwerk Tschernobyl war es 1986 zu einem verheerenden Unfall gekommen, bei dem hunderte Menschen starben und sich radioaktives Material über ganz Europa ausbreitete. Im Jahr 2000 wurde dann der letzte Reaktorblock abgeschaltet und ein Schutzmantel soll verhindern, dass Radioaktivität austritt.
"Die Elemente klingen dort also seit mindestens 22 Jahren ab und werden deswegen nun keine problematische Hitzeentwicklung mehr zeigen", heißt es etwa in einem Statement von Georg Steinhauser, Professor für Umweltradioaktivität an der Universität Hannover.
Die Anlage verfügt zudem über Notfall-Generationen. Laut dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba haben diese Dieselgeneratoren in Tschernobyl Kraftstoff für eine Laufzeit von 48 Stunden.
Experte: Gefahr für Arbeiter, nicht für Allgemeinheit
In der Atomanlage lagern nach Angaben des Betreibers rund 20.000 Brennelemente. Diese werden in speziellen Abklingbecken gelagert.
"Sie erzeugen durch radioaktiven Zerfall Wärme und müssen ständig gekühlt werden, was durch das Pumpen von frischem, kühlem Wasser in die Becken erreicht wird", heißt es in einer Erklärung von Clarie Corkhill, Professorin für Kernmaterialabbau an der Universität von Scheffield.
"Ohne Stromversorgung könnte dieses Wasser langsam verdampfen, was zu einer Kontamination des Gebäudes durch geringe Mengen radioaktiver Isotope führen könnte", heißt es weiter.
Der Nuklearchemiker Mark Foremann von der Technischen Universität Schweden sieht deshalb eher die Arbeiter in Gefahr, als die Allgemeinheit. "Wenn die Wasserschicht über dem Brennstoff zu dünn wird, steigen die Strahlungswerte im Brennstofflager und in der Umgebung."
Behörde: Lage des Personals verschlechtert sich
Die russische Armee hatte das Gelände im Norden der Ukraine am ersten Tag ihres Einmarschs erobert. Mehr als 200 technische Mitarbeiter und Wachleute sind seitdem auf dem Gelände eingeschlossen. Der Behörde zufolge sind sie seit fast zwei Wochen ununterbrochen im Dienst, weil es unter russischer Kontrolle keinen Schichtwechsel mehr gegeben habe. Sie hätten zwar Wasser und Nahrung, aber ihre Lage verschlechtere sich immer mehr.
Normalerweise arbeiten mehr als 2.000 Menschen in rotierenden Schichten in dem Sperrgebiet. Die IAEA forderte Russland auf, die Mitarbeiter austauschen zu lassen, da Ruhezeiten für die Sicherheit der Anlage entscheidend seien.
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Der Chef der IAEA, Rafael Grossi, bekräftigte erneut sein Angebot, persönlich nach Tschernobyl oder an einen anderen Atom-Standort in der Ukraine zu reisen, um über die Sicherung der Nuklearanlagen in dem Krieg zu verhandeln.
Bereits am Dienstabend hatte Grossi mitgeteilt, dass "die Datenfernübertragung der im Kernkraftwerk Tschernobyl installierten Überwachungssysteme ausgefallen ist". Die Überwachungssysteme der IAEA sollen feststellen, ob radioaktives Material entweicht.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde aktualisiert, indem wir die Einschätzung der IAEA und der anderen Experten nachträglich hinzugefügt haben.
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