Arkadiusz Podniesinski und Maciej Nastaga waren nach der russischen Belagerung die ersten Helfer in Tschernobyl, brachten Medizin und Lebensmittel - Eindrücke ihrer Hilfsmission.
Torffelder, gesprengte Brücken, verminte Straßen. Allein der Weg war ein Abenteuer für sich. Als die Polen Arkadiusz Podniesinski und Maciej Nastaga sich auf den Weg machen, um als erste Hilfsorganisation nach dem Rückzug des russischen Militärs zu den Menschen in Tschernobyl zu gelangen, scheint die Mission einfacher als gedacht.
Doch dann sinkt der schwer beladene Bus von Nastaga mehrfach im Matsch oder Torf ein. Brücken sind unpassierbar, Straßen vermint, die Dörfer geplündert, hier und da ragen auch mal Raketen aus dem Asphalt.
"Selbstsiedler" von Tschernobyl sind alt
Seit Kriegsbeginn fahren der Dokumentarfilmer und Fotograf Podniesinski und Nastaga von der polnischen Stiftung Potrafię Pomóc (Deutsch: Ich kann helfen) in die Ukraine, um Hilfsgüter zu verteilen.
Das Gebiet um Tschernobyl ist bis heute Sperrgebiet, berichtet Podniesinski, der seit 15 Jahren beruflich dorthin reist. Er kennt Mitarbeiter des Kernkraftwerks und auch die Samosely, die "Selbstsiedler" von Tschernobyl, die nach dem Nuklearunglück von 1986 illegal in die verseuchte Sperrzone zurückgekehrt sind.
Kein Zugang für Hilfsorganisationen in Tschernobyl
Während der fast 45 Tage Belagerung durch russische Truppen war das Gebiet um Tschernobyl unzugänglich für Hilfsorganisationen. Podniesinski kundschaftete daher mit dem Geländewagen den sichersten Weg für Nastaga und seinen Bus voller Lebensmittel und den 15-Tonner mit weiteren Hilfsgütern aus. "Die Russen haben viel Zerstörung hinterlassen, Brücken in Schutt und Asche, verminte Straßen", sagt er.
Trotz GPS-Koordinaten seines Kollegen hatte Nastaga es schwer, bis nach Tschernobyl zu gelangen. Haltbare Konserven, Zucker, Salz und andere Lebensmittel ließen seinen überladenen Bus mehrmals in dem von Panzern und Militärfahrzeugen aufgewühlten Matsch einsinken.
Ein Torffeld wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Einmal versank er so tief in der lehmigen Erde, dass ihn nur noch ein ukrainischer Panzer herausziehen konnte. Irgendwann war auch seine Fahrwerkfeder hin. So schlich er mit 20 bis 30 Kilometern pro Stunde über die verwüstete Schlaglochpiste.
Vor 36 Jahren kam es zur Katastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl. Der Krieg ist bereits gefährlich nah an das Gebiet herangerückt. Was bedeutet das für Soldaten vor Ort?
Etwa 40 Kilometer vor dem vereinbarten Treffpunkt fing das GPS an zu spinnen, erzählt der 51-Jährige, auch der Mobilfunkempfang war gestört. Schlagartig veränderte sich die Szenerie. Unnatürlich abgebrannte Wälder, Raketen, die sich in Felder und Straßen wie Nägel hineingebohrt haben. An manchen Weggabelungen wartete er auf Einheimische, um zu fragen, ob die von der Navigation angezeigte Route auch sicher sei. Meist rieten sie davon ab.
Isolierte Siedler Samosely besonders betroffen
Nach drei Tagen traf Nastaga schließlich in Tschernobyl ein. Dort waren Häuser, Büros und Labore des Kraftwerks geplündert, Prozessoren und Festplatten aus den Computern gerissen, die Supermärkte ausgeräumt, berichtet Podniesinski.
Die isolierten Samosely traf es besonders hart. In ihre entlegenen Dörfer kam sonst alle zwei Wochen ein mobiler Kaufladen. Nun gelangte man nur noch mithilfe eines Bootes zu ihnen, da die Brücken zerstört waren.
Deutschlandweit gab und gibt es unzählige Hilfsaktionen für die Menschen in der Ukraine.
Nastaga schildert die Dankbarkeit der Menschen, denen sie Lebensmittel, Medikamente, Haushalts-und Hygieneartikel brachten. Viele wollten ihre Erlebnisse aus der Zeit der russischen Belagerung teilen. Wie sie durch den Knall der Überschallflieger aus Belarus stundenlang ohnmächtig in der Kälte lagen. "In dem einen Moment weinten sie, im nächsten Moment lachten sie uns wieder an", sagt Nastaga gerührt.
Ein Großmütterchen, erinnert er sich, wird ihm immer im Gedächtnis bleiben. Sie fragte nach einem Brot. Podniesinski zauberte einen letzten Laib aus dem Auto. Als er ihn der Frau überreichte, sah Nastaga ihre Reaktion:
- Fotograf in Tschernobyl: Keine hohe Strahlung
Der polnische Dokumentarfilmer Arkadiusz Podniesinski führt nach Abzug des russischen Militärs eigene Messungen am Kernkraftwerk in Tschernobyl durch - er gibt Entwarnung.