Den "Frieden im Geist der Menschen verankern": Mit diesem Auftrag trat die Unesco 1945 ihre Arbeit an. Seitdem hat die Organisation ihr Aufgabenfeld stark erweitert. Zu weit?
Den "Frieden im Geist der Menschen zu verankern" – diesem Auftrag stellt sich die UNESCO seit 1945. Ihr Ziel: der Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit.
Schulen zerstört, Kulturgüter in Trümmern, Menschen traumatisiert von Terror und Faschismus. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges sollten die Länder Bildung und Kultur gemeinsam wiederaufbauen, um den Frieden dauerhaft zu sichern.
Unter dem Dach der Vereinten Nationen entstand dafür 1945 die "United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization", kurz: Unesco. In der Unesco-Verfassung vom 16. November 1945 steht:
Die UNESO hat zu wenig Geld für zu viele Aufgaben
Seitdem hat die Unesco ihren Tätigkeitsbereich stark vergrößert. Ihr aktueller Aktionsplan "Agenda 2030" setzt ambitionierte Ziele in vielen Bereichen, unter anderem:
- Armutsbekämpfung,
- Denkmalschutz,
- Wasserversorgung,
- Chancengleichheit,
- Wirtschaftswachstum,
- Klimaschutz,
- nachhaltige Produktion.
Ziele, denen die Organisation bei einem Zweijahresetat von rund 1,2 Milliarden kaum gerecht werden kann.
Eine weitere Unesco-Aktion: Gegen Gewalt an Frauen
Die Unesco ist abhängig von ihren Mitgliedsstaaten
Dr. Andrea Rehling, Zeithistorikerin am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, sieht die Mitgliedsstaaten in der Pflicht, weil die Staaten die Träger der Organisation seien. Und das sowohl finanziell als auch in der Durchführung der Programme in ihrem Land.
Rehling sagt: "Wenn die Unesco ihre Ziele nicht erreicht, dann sind in erster Linie die Staaten verantwortlich, die die Ziele nicht umsetzen." Und sie warnt.
Konflikte innerhalb der Unesco kosten Geld
Die Anzahl der Mitglieder ist seit 1945 stetig angewachsen, von ursprünglich 28 auf heute 193 Teilnehmerstaaten. Das birgt Konflikte, die Auswirkungen auf den Etat und das Ansehen der Organisation haben. Zwei Beispiele:
- Als die Unesco 2016 historische Berichte über Kriegsverbrechen Japans an der chinesischen Bevölkerung im Jahr 1937 zum Weltkulturerbe erklärte, setzte Japan seine Beitragszahlungen vorerst aus.
- Auch der Nahostkonflikt schwächt die Organisation. 2011 nahmen die Unesco-Mitglieder Palästina in ihren Reihen auf. Nur 14 Länder stimmten dagegen, darunter Deutschland, die USA und Israel. Die Vereinigten Staaten zahlten danach auch keine Mitgliedsbeiträge mehr und verkündeten mit Israel 2017 ihren Austritt aus der Organisation.
Die Kehrseite des Weltkulturerbes: Massentourismus
Die Unesco ist vor allem für die Liste des Weltkulturerbes bekannt, die inzwischen fast 1.500 Stätten und immaterielle Kulturgüter zählt. Das Welterbe-Siegel gilt nicht nur als Ausdruck besonderer Wertschätzung durch die Organisation, sondern auch als Garant für kulturelles Image, Touristenströme und millionenschwere Subventionen.
Doch auch die "Welterbe-Medaille" hat ihre Kehrseite. Der Massentourismus wandelt sich vielerorts vom Segen zum Fluch. Einheimische werden verdrängt, Rituale und Traditionen mitunter durch Auflagen des Denkmalschutzes behindert.
Scheitert die Unesco an sich selbst?
Und auch die moderne Stadtentwicklung gerät immer wieder in Konflikt mit der Unesco: London, Barcelona und nicht zuletzt Dresden - wer zu viel baut, riskiert seinen Status als Weltkulturerbe.
Interessenskonflikte und selbstgesetzte Ziele stellen die Unesco vor eine Zerreißprobe. Im 75. Jahr ihres Bestehens droht sie an ihren eigenen Ansprüchen zu scheitern.
Kai Jostmeier ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte.