Vor allem an Schulen in den USA tobt schon länger ein Kulturkampf um strukturellen Rassismus. Jetzt steht der "Black History Month" in der Kritik. Dabei gibt er vielen Hoffnung.
Es ist eiskalt an diesem Samstagmorgen, als Jawanna Hardy mit ihrem Van vor einem sogenannten "Project" im Südosten Washingtons hält. Aus den staatlich geförderten Wohnungen am Rande des Viertels Anacostia stürmen fünf Jungs zwischen neun und 13 Jahren, einer nur im T-Shirt. Hardy schickt ihn zurück, er soll sich eine Jacke anziehen, schließlich hat sie ihm die gerade erst gekauft.
Hardy ist Aktivistin, Vorsitzende einer Initiative, die sich "Guns Down Friday" nennt. Deren Ziel ist es, Kinder und Jugendliche von der Straße fernzuhalten. Denn dort wird in Washington D.C. nicht selten geschossen, 227 Tote gab es bei Schießereien im vergangenen Jahr. Selbst Kinder werden häufig zum Opfer - absichtlich oder unabsichtlich. Viele von Hardys Schützlingen haben Väter, Brüder, beste Freunde verloren. An Schießereien oder Drogen.
Der Black History Month in den USA steht unter Beschuss. Dabei gibt er People of Colour auch heute noch Hoffnung.
Ausflug zum Frederick Douglass Haus
Doch an diesem Samstag sind sie für gut zwei Stunden abgelenkt. Es ist Februar, "Black History Month". Deshalb hat sich Hardy überlegt, einen Ausflug mit den Kindern zu machen.
Sie fahren zum Frederick Douglass Haus, nur knapp zehn Minuten von ihrem Zuhause entfernt. Der "Black History Month" ist Douglass und Abraham Lincoln gewidmet. Beide wurden im Februar geboren. Die Jungs sind begeistert. Diese Aussicht auf Anacostia, das Herrenhaus im Kolonialstil - und überhaupt, die Geschichte von Frederick Douglass, der im 19. Jahrhundert selbst Sklave war und später einer der prominentesten Anführer der Abolitionistenbewegung wurde, die sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte. Das alles fasziniert sie.
Viele Kinder kennen gerade einmal Martin Luther King, erzählt Hardy. Dabei gebe es so viele historische Persönlichkeiten, die Herausforderungen gemeistert haben, die denen dieser Kinder gar nicht so unähnlich sind. Manche mussten Armut überwinden, einen erschwerten Zugang zu Bildung, natürlich auch Rassismus.
Debatte um "Critical Race Theory"
Doch bei Bildung zum Thema Rassismus läuten bei einigen Konservativen im Land die Alarmglocken. In Alabama zum Beispiel gehen einige Eltern auf die Barrikaden, weil sie den Lehrplan im Black History Month für "Critical Race Theory" halten. Damit meinen sie eine wissenschaftliche Theorie, die von Trump-Anhänger*innen zum Kampfbegriff erhoben wurde.
Grob zusammengefasst gehen Anhänger der Theorie davon aus, dass es in den USA immer noch systemischen Rassismus gibt. Sie gehen daher wissenschaftlichen Fragen nach, inwiefern sich in Politik, Recht und Gesellschaft rassistische Strukturen festgesetzt haben.
Dass es diese wissenschaftliche Theorie aus akademischen Journalen in den Mainstream geschafft hat, kam so: 2020 hatten die Proteste nach der Ermordung von George Floyd durch die Polizei zu neuen Debatten über strukturellen Rassismus geführt. Daraufhin gab der ehemalige Präsident Donald Trump ein Memo an Bundesbehörden heraus, in dem er vor Critical Race Theory warnte und sie als "spaltend" bezeichnete. Er hatte offenbar durch ein Interview auf Fox News von der Wissenschaftstheorie erfahren.
Systemischer Rassismus als Unterrichtsinhalt?
Seitdem haben Republikaner in mehreren Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, um das, was sie für Critical Race Theory halten, aus Schulen zu verbannen. Laut einer von der Nachrichtenorganisation Education Week zusammengestellten Liste haben im vergangenen Jahr 14 Staaten Gesetze oder Regeln erlassen, die systemischen Rassismus als Unterrichtsinhalt verbieten.
US-Präsident Biden erinnert an das rassistische Massaker von Tulsa, bei dem vor 100 Jahren bis zu 300 Schwarze getötet wurden. Wirtschaftshilfen sollen schwarze Viertel stärken.
Darunter auch Florida. Dort bezeichnete der republikanische Gouverneuer Ron DeSantis die Theorie als "staatlich sanktionierten Rassismus".
In New Hampshire verteidigte ein Sprecher des Gouverneurs das Verbot der Critical Race Theory im Unterricht.
Lehrer*innen sollten "diese wichtigen Lektionen während des Black History Month fortsetzten".
Kulturkampf um Rassismus, Identität, Sexualität
Doch dahinter steckt ein Kulturkampf, der in den USA um die Haltung zu Rassismus geführt wird, aber auch um Identität und Sexualität.
Kimberlé Crenshaw, Rechtswissenschaftlerin an der Columbia Law School, sagte der New York Times, die Kritiker*innen der Critical Race Theory drehten den Rassismus-Vorwurf quasi um.
Anfang dieses "Black History Month" bekamen 16 historisch Schwarze Colleges und Universitäten im ganzen Land Bombendrohungen. Das FBI identifizierte daraufhin sechs Jugendliche, die offenbar dahinterstecken und als "rassistisch motiviert" beschrieben werden. Es blieb bei der Drohung. Doch es zeigt, wie aufgeladen die Stimmung ist.