Wollen Männer verhüten, ist die Auswahl an Mitteln sehr überschaubar. Geschlechterforscher Fabian Hennig erklärt, was sich ändern muss.
ZDFheute: 240 Millionen Kondome werden in Deutschland pro Jahr gekauft. Wenn man eine nicht dauerhafte Methode sucht, dann ist es am Ende das Kondom. Wie kann es denn sein, dass das so ungleich verteilt ist?
Fabian Hennig: Geschichtlich ist interessant, dass an hormonellen Mitteln für Männer schon relativ lange geforscht wird. Forschung dazu gab es bereits Ende der 50er Jahre. Und es wurde mehrfach bewiesen, dass Hormone im männlichen Körper, insbesondere Testosteron, aber oft auch in Kombination mit anderen Hormonen bei Männern verhütend wirken. Trotzdem haben es diese Präparate nicht zur Marktreife gebracht.
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ZDFheute: Was sind denn das für medizinische Lösungen?
Fabian Hennig: In den meisten Studien geht es gar nicht um eine "Pille für den Mann". Es gibt zum Beispiel Kombinationen aus Implantat und Spritze. Also so ein Implantat, das in den Unterarm kommt. Oder es gibt Patches, die man auf die Haut kleben kann. Schon seit den 80er Jahren werden Cremes, Gels zum Auftragen auf unterschiedliche Körperstellen entwickelt. Und natürlich gibt es auch welche, die orale Präparate zum Ziel haben. Auch daran wird aktuell geforscht.
ZDFheute: Und das sind alles auf jeden Fall Dinge, die über Hormone funktionieren?
Fabian Hennig: Das sind jetzt die Hormonellen. Das ist der Bereich, in den mit Abstand am meisten Forschungsgelder geflossen sind und der insbesondere in den westlichen Industrienationen vorherrscht. Es gibt auch andere Methoden, die teils auf Pflanzenextrakten basieren und es gibt auch Forschung zu einer Vasektomie, die wieder rückgängig gemacht werden kann.
Während die Antibabypille 60 Jahre alt wird, ist die seit Jahren angekündigte "Pille für den Mann" immer noch nicht auf dem Markt. Doch woran liegt das?
Es gibt auch Versuche mit Wärme. In den 70er Jahren gab es eine Männergruppe, die "Züricher Hodenbader", die sich diese Methode aneignen und ein eigenes Labor aufbauen, wo sie auch ihre eigenen Fruchtbarkeitsuntersuchungen durchführen und das eben als ein Verhütungsmittel nochmal entwickeln und propagieren.
ZDFheute: Wie genau funktioniert das?
Fabian Hennig: Das funktioniert so, dass bei 45 Grad täglich 45 Minuten lang die Hoden in warmem Wasser gebadet werden.
ZDFheute: Ich finde das irgendwie eine coole Vorstellung, dass so eine Gruppe von Jungs oder Männern sich überlegt, wir probieren das einfach mal aus.
Fabian Hennig: Also das waren Feministen, die haben das begründet als Beitrag gegen das Patriarchat.
ZDFheute: Wie würde sich denn die Welt verändern, wenn die Verhütungsfrage gleichberechtigt verteilt wäre?
Fabian Hennig: Wahrscheinlich würde es weniger ungewollte Schwangerschaften geben und Männer und Frauen könnten sich innerhalb von Sexualbeziehungen darüber austauschen, wer jetzt zu welchem Zeitpunkt die Pille nimmt. Man sollte sich davon aber keine Wunder erwarten.
- "Verhütung muss revolutioniert werden"
Zwei Studentinnen fordern von Politik und Pharmaunternehmen eine größere Vielfalt an Verhütungsmethoden für den Mann. Und mehr Geld für die Forschung zu Nebenwirkungen der Pille.
ZDFheute: Die Einführung der Pille hat ja Ende der 60er Jahre eine große politische Bedeutung gehabt für die Revolution des weiblichen Sexuallebens. Jetzt, bei der Vorstellung, dass die Pille für den Mann kommen würde, würde ich das auch erst einmal denken - was auch immer das dann für eine Revolution ist.
Fabian Hennig: Es kann einerseits sein, dass sie die Partnerin entlasten und andererseits kann es sein, dass sie sagen "Ich bin derjenige, der entscheidet". Die Pille ist nur deswegen so erfolgreich gewesen, weil es eben auch weibliche Emanzipationsbestrebungen abseits davon gegeben hat.
ZDFheute: Was muss sich denn in der Welt, in der Gesellschaft, in der Politik verändern, dass wir irgendwann zum Beispiel eine Pille für den Mann haben?
Fabian Hennig: Der Wunsch nach einer Pille für den Mann wird meistens entweder von Familienplanungsbehörden geäußert oder von Feministinnen, aber selten von Männern selbst. Von daher wäre das glaube ich ein wichtiger Ansatz, dass die Männer, die sich neue Verhütungsmittel wünschen, das eben auch artikulieren und sich dafür einsetzen, dass sie dann eben ein weiteres Mittel zur Hand haben.
Das Interview führte Salwa Houmsi.
Das komplette Gespräch finden Sie in Episode 10 von "Pitch, dem plan b-Podcast".