Annalena Baerbock hat ihre größte Fangemeinde unter den 18- bis 34-jährigen Wahlberechtigten. "Sie trifft ihren Nerv", sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun. Und erklärt, warum.
Noch eine Woche bis zur Bundestagswahl: Und bei der Frage, welcher der drei Kandidaten den Kanzler-Job machen soll, sind sich die meisten Generationen einig: Olaf Scholz gewinnt in der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen bei den Wahlberechtigen älter als 60 Jahre, in der Gruppe der 35- bis 59-Jährigen und auch bei den unter 34-Jährigen.
Vor allem Jüngere wünschen sich Baerbock
Bei den jungen Wählenden aber liegt Annalena Baerbock nur knapp hinter Scholz. 33 Prozent wünschen sie sich als Kanzlerin. Die Tatsache, dass Baerbock bisher keine Regierungserfahrung hat, stört die jüngeren Wählenden kaum. Uwe Jun, Politikwissenschaftler an der Universität Trier, erklärt:
Überzeugen könne die Grünen-Kandidatin die jüngeren Menschen vor allem mit dem Versprechen, tatsächlich für Veränderung zu sorgen.
Baerbock punktet mit dem Thema Zukunft
"Weder Scholz noch Laschet erwecken den Anschein, dass sie für Veränderung stehen. Ganz anders Baerbock - und das versucht sie, in ihrer Kampagne klar zu machen. Damit trifft sie den Nerv der Jüngeren", erklärt Jun.
Darauf setzte Baerbock auch beim TV-Triell. Mit Erfolg: Laut Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen kürten 52 Prozent der 18- bis 34-jährigen Zuschauenden die Grünen Kandidatin danach zur Gewinnerin. Die beiden älteren Wählergruppen sahen SPD-Kandidat Scholz klar vorne.
Junge Menschen entscheiden nach Themen
Die Entscheidung, welche Partei sie wählen, treffen alle auf Grundlage von Themen und Kandiaten, erklärt Jun. Entscheidend dabei sei die Perspektive, die sich je nach Alter und persönlicher Situation deutlich unterscheide.
Für die jungen Wählenden seien vor allem Positionen zum Klimawandel, Digitalisierung und Freiheitsrechte entscheidend. "Ein Beispiel ist die Legalisieurng von Cannabis: Bei Älteren kaum ein Thema, bei Jüngeren umso mehr. Und damit punkten Grüne, aber auch die FDP."
Vor allem junge Leute wählen Kleinparteien
Die Themensetzung sei bei der jungen Wählergruppe besonders entscheidend, weil im Vergleich mit den Eltern und Großeltern weniger bereits an eine Partei gebunden sind. Auch ein Grund, warum vor allem junge Menschen eher eine kleine Partei wählen.
Zu sehen war das bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die "Sonstigen" bekamen in den drei Ländern nach Auswertungen der Forschungsgruppe Wahlen von den 18- bis 29-Jährigen zusammen je ein zweistelliges Ergebnis - hier wurden die Altersgruppen anders eingeteilt.
In Sachsen-Anhalt waren es in dieser Altersgruppe sogar 22 Prozent, die einer kleinen Partei ihre Stimme gaben - so viel wie sonst keiner Partei.
Mehr dazu, warum junge Menschen kleine Parteien wählen, in dieser Folge zoomIN:
Klimawandel, Afghanistan, Corona - junge Wähler*innen hoffen bei der Bundestagswahl auf einen politischen Wandel: Die 18-29-Jährigen machen 14,4 Prozent aller Wahlberechtigten aus.
Unter 30-Jährige sind kleinste Wählergruppe
Einen großen Einfluss auf das Endergebnis werden die Stimmen der jungen Wählenden wohl nicht haben. Bei der Bundestagswahl machen die 18- bis 29-Jährigen laut Schätzungen des Statistischen Bundesamt nur 14,4 Prozent aller Wahlberechtigten aus. Sie sind die kleinste Gruppe. Und: "Sie sind außerdem die Gruppe, die am wenigsten von ihrem Wahlrecht gebraucht macht," sagt Jun. Er ist skeptisch, ob es bei dieser Bundestagswahl anders sein wird.
Das Thema Klimaschutz bewege zwar viele junge Menschen und treibe sie zur Wahlurne, jedoch treffe diese Annahme vor allem auf "formal besser Gestellte" zu. Dazu zählen zum Beispiel Studierende. Die junge Wählerschaft sei zu heterogen, um eine Prognose abzugeben, so Jun.
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