Welche Rolle spielen Wälder in unserem Leben? Eine weit größere, als viele denken. Höchste Zeit, dass wir verstehen: Der Wald geht uns alle an.
In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Der Tag hat kaum begonnen und Wälder haben unser Leben schon dutzendfach beeinflusst: Wahrscheinlich haben wir heute früh schon einen Kaffee oder Tee getrunken und dabei vielleicht gemütlich auf einem Holzstuhl am Küchentisch gesessen oder haben uns auf dem Weg zur Arbeit in Eile für einen To-Go-Becher aus Pappe entschieden. Möglicherweise fühlen wir uns aber auch nicht gut und haben eben ein Aspirin genommen oder die Nase mit einem Taschentuch geputzt. Im Alltag nimmt man es oft gar nicht wahr - aber all das schenkt uns der Wald.
Wichtige Rolle gegen Klimawandel
Doch was ist eigentlich ein Wald? Egal ob tropischer Regenwald, heimischer Buchenwald, ausgedehnte Nadelwälder der Taiga oder Mangrovenwälder entlang tropischer Küsten: Bäume dominieren immer das Landschaftsbild des Waldes. Heutzutage sind 26 Prozent der weltweiten Landfläche noch von Wäldern bedeckt, darin finden sich unglaubliche 80 Prozent der Artenvielfalt!
Wälder spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels, sie regulieren die Wasserversorgung in vielen Teilen der Welt und verhindern die Erosion von Böden. Sie ernähren uns, liefern wichtige Rohstoffe. Sogar mehr als ein Viertel der Medizin in unseren Apotheken geht auf Wirkstoffe zurück, die man in Pflanzen, Tieren und Bakterien aus Wäldern gefunden hat.
Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume
"Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht" - dieses alte Sprichwort hat sich tatsächlich ins Gegenteil verwandelt. Denn heutzutage sehen wir oft einen Wald, nur weil da ganz viele Bäume stehen. Eine Ansammlung von Bäumen macht aber noch keinen richtigen Wald, der uns versorgt, Artenvielfalt erhält und den Klimawandel bekämpft. Fichtenmonokulturen im deutschen Tiefland werden als düsterer Märchenwald bezeichnet, dabei ist ein Wald so viel mehr als die Summe seiner Bäume.
Damit ein Wald seinen wichtigen ökologischen Dienst leisten kann, muss er intakt sein, darf also niemals großflächig gerodet werden. In Deutschland ist zwar ein Drittel des Landes von Wald bedeckt, aber davon sind null Prozent Urwald. Als Urwald bezeichnet man einen Wald ohne sichtbare Einflüsse menschlicher Nutzung.
Umdenken in der Waldwirtschaft
Zum Glück gibt es seit Jahren ein Umdenken in der Waldwirtschaft Deutschlands und neben der Nutzfunktion wurde unseren Wäldern unlängst auch eine Schutzfunktion (für Biodiversität und Klima) sowie eine Erholungsfunktion zugesprochen. Man hat erkannt, dass artenreiche, sich selbst verjüngende Wälder, die heimische Baumarten verschiedener Altersstadien enthalten, nicht nur gesünder, sondern auch widerstandsfähiger sind. Gleichzeitig helfen sie, den Klimawandel besser zu bekämpfen.
Leider dauert der Prozess vom naturbelassenen Wald hin zum Urwald mehr als ein paar Jahrzehnte, da sprechen wir eher von einem halben Jahrtausend. Doch auch die langsam entstehenden naturnahen Wälder sind bereits extrem wertvoll. Deutschland gehört damit zu den wenigen Ländern mit einer positiven Entwicklung in Sachen Waldmanagement.
Wenn sich der Mensch weitgehend raushält, kommen einst vertriebene Waldbewohner zurück. Im Bayerischen Wald sind das Luchse, Wölfe, Fischotter und Auerhuhn.
Prognose für Amazonas-Regenwald düster
Blicken wir rüber zu einem der größten Urwälder der Welt: dem gigantischen Regenwald Amazoniens. Leider sieht die Prognose dort düster aus. Den Luxus, nach der Abholzung wieder aufzuforsten und zu einem naturnahen Wald hinzuarbeiten, gibt es dort nicht. Der Amazonas-Regenwald ist so groß, dass nur er selbst das Klima schafft, in welchem er existieren kann.
So können seine Bäume den Regen selbst auslösen: Sie atmen neben Wasser und Sauerstoff auch BVOCs (Biogenic volatile organic compounds) aus - sogenannte "Regensamen". Regentropfen können sich nicht einfach in der Luft bilden, sondern das Wasser muss sich an kleinsten Partikeln sammeln und zu einem Regentropfen wachsen. In Amazonien werden 95 Prozent der Regensamen vom Wald selbst erzeugt!
Amazonas-Regenwald: Ohne Bäume kein Regen
Ohne Bäume gibt es also keinen Regen und kein Nachwachsen des Regenwaldes. Schrumpft er zu sehr, wird das Klima kippen und ein Nachwachsen des Waldes unmöglich machen. Wann dieser Zeitpunkt erreicht sein wird, darüber sind sich Forschende noch uneinig. Teilweise wird bei derzeitiger Entwaldungsrate von zehn bis 15 Jahren gesprochen. Bereits jetzt sind wir an der Schwelle, an der die Wälder Amazoniens mehr CO2 ausstoßen als sie binden können.
Der Schutz intakter Wälder sollte für uns als Weltgemeinschaft oberste Priorität haben. Dazu muss die Politik verbindliche Regeln für alle aufstellen.
Jeder kann im Kleinen zum Waldschutz beitragen
Und auch wir können im Kleinen beitragen, indem man nachhaltiger konsumiert und/oder Waldschutzprojekte unterstützt. Ein einfaches Beispiel: Kaffee aus Agroforstsystemen schützt intakte Wälder, fördert den Lebensstandard von Kaffeebauern und ist bei uns in jedem Supermarkt zu finden. Waldschutz kann so lecker sein.
Wälder sind die größten Süßwasserspeicher der Welt, denn alles im Wald ist darauf angelegt, Wasser für schlechte Zeiten zu bunkern.
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