Es geht doch nichts über ein gutes Buch, oder? Zum Welttag des Buches haben wir ein paar Lesetipps für Sie zusammengestellt:
Der 23. April ist der Welttag des Buches. 1995 erklärte die Unesco ihn zum weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte von Autorinnen und Autoren. Inspiriert vom katalanischen Brauch, zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken, gibt es an diesem Tag verschiedene Aktionen für Lesebegeisterte.
Sie haben auch mal wieder Lust auf ein gutes Buch? Das sind unsere Lesetipps:
"Demut" von Szczepan Twardoch
Eine Leseempfehlung von ZDF-Chefredakteur Peter Frey:
Der polnische Kult-Autor Szczepan Twardoch führt die Hauptfigur seines neuen Romans in die Schützengräben des Ersten Weltkrieg, ins revolutionäre Berlin und in seine Heimat Oberschlesien, das zwischen Deutschland und Polen zerrissen wird.
Zerrissen ist auch Alois Pekora zwischen seiner Heimat als Bergmannssohn, seiner Karriere als Leutnant, nebst Eisernem Kreuz, und in seiner rätselhaften Abhängigkeit zu Agnes, der Bürgertochter. Pokoras kurzes Leben zieht rasant, brutal und grell in der Schilderung von Gewalt, Sex und Lebenskämpfen an uns vorbei. Das Buch berührt, weil Pokora ausbrechen will - aber den Mächten nicht entfliehen kann, die ihn familiär, kulturell und politisch-national binden.
"Serge" von Yasmina Reza
Eine Leseempfehlung der stellvertretenden ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten:
Die französische Autorin Yasmina Reza ist die Meisterin der messerscharfen Dialoge und der Gleichzeitigkeit von Situationskomik des Alltags und Tragik des menschlichen Seins. Als Dramatikerin hat sie das auf die Spitze getrieben bis zur Grenze des Erträglichen. Wer je "Der Gott des Gemetzels" gesehen hat, großartig verfilmt mit Kate Winslet, Jodie Foster und Christoph Waltz, weiß, wie Reza eine Dynamik entfaltet, bei der eine Personenkonstellation im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Ruder läuft. Tragisch und witzig in einem.
Ähnlich ist das in ihrem jüngsten Roman "Serge": Drei Geschwister einer jüdischen Familie, jeder mit seinem mehr oder weniger problematischen Alltag beschäftigt, konfrontieren sich eher gezwungenermaßen als bewusst und freiwillig mit dem Schicksal ihrer mütterlicherseits jüdischen Herkunft. Im Zentrum des Romans ein gemeinsamer Besuch in Auschwitz, wo die ungarischen Vorfahren ermordet wurden.
Wie die touristische Reisegruppe umgeht mit dem eigenen Familien-Erbe der Shoa, das gleichzeitig nachwirkt und ignoriert wird, ist der Höhepunkt des Buches. Tragikomisch auf jeder Seite. Wie lange hält Erinnerung, wie ist sie zu retten für die Nachfahren der Täter und der Opfer? Und kann sie überhaupt konserviert werden? Auch das wird thematisiert. In "Serge", so glaubt die Kritik, hat Reza, selbst einer jüdischen Familie entstammend, auch ihre eigene Geschichte verarbeitet. Und vielleicht kann sie nur oder gerade deshalb so respektlos wie zutiefst menschlich über Auschwitz schreiben. Ein großartiges Buch mit Szenen und Dialogen, die man nicht mehr vergisst.
"Faust I" von Johann Wolfang von Goethe
Eine Leseempfehlung von Theo Koll, Leiter ZDF-Hauptstadtstudio:
"Nichts Bessres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
wenn hinten, weit in der Türkei,
die Völker aufeinanderschlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus…
… Und segnet Fried und Friedenszeiten." (aus "Faust I", Johann Wolfgang von Goethe)
Spätestens der Ukraine-Krieg macht deutlich um wieviel kleiner die Welt seit Goethes Osterspaziergang der plappernden Bürger geworden ist, wie nah das Aufeinanderschlagen der Völker heute gerückt ist. Die vielen Faust'schen Weltwahrheiten aber sind seit ihrer Veröffentlichung 1808 unverändert gültig geblieben.
Das Ringen der Menschen mit ihrem Himmel und der eigenen Hölle und dass der Mensch mitunter teuflischer als der Teufel selbst sein kann - Goethe hat fast 40 Jahre an Faust Teil 1 gearbeitet und darin viele der offenbar unveränderlichen inneren Gesetzmäßigkeiten unseres Seins herausgearbeitet. Für diesen kleinen, alten Text gilt Mephistos Satz: Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.
"Was man von hier aus sehen kann" von Mariana Leky
Eine Leseempfehlung von ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee:
Es gibt Bücher, die nicht alt werden. Mariana Lekys "Was man von hier aus sehen kann" ist so eines. Es erzählt in klugen, unaufgeregten Worten nicht nur die Geschichte von Luise, Selma und den Menschen in ihrem Dorf, sondern greift tief hinein ins Leben, die Liebe, die Sehnsucht und in die Bedeutung des menschlichen Zusammenlebens.
Seite für Seite blättert Mariana Leky auf, was uns als Menschen ausmacht: die Unvollkommenheit, das Ringen mit uns selbst und mit anderen, die Hoffnung, die Verzweiflung - und die oft vergessene Tatsache, dass wir all das nicht allein durchleben. Selma und ihr Okapi und all die anderen, liebenswert schrulligen Charaktere machen den Roman zum zauberhaften Denkanstoß und Herzenströster.
"Alles, was wir nicht erinnern – Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters" von Christiane Hoffmann
Eine Leseempfehlung von Susanne Biedenkopf, Leiterin ZDF-Hauptredaktion Wirtschaft:
"Heimat" lernte Christiane Hoffmann als "etwas immer schon Verlorenes kennen", ein Gefühl der Angst und der unbeantworteten Fragen. Als kleiner Junge floh ihr Vater mit seiner Mutter aus dem schlesischen Dorf Rosenthal. 75 Jahre später geht die Tochter diesen Weg, 500 Kilometer nach Westen.
Sie spricht mit den Menschen, sucht nach Antworten, beschreibt die Narben und Verletzungen, die den Frieden auf dem europäischen Kontinent bis heute so zerbrechlich machen. Ein sehr persönliches und zugleich politisches Buch von bestürzender Aktualität.
"Why we matter - Das Ende der Unterdrückung" von Emilia Roig
Eine Leseempfehlung von Andreas Wunn, Redaktionsleiter und Moderator ZDF-Morgenmagazin und ZDF-Mittagsmagazin:
Gerade für einen weißen Mann ist dieses Buch eine Herausforderung. Emilia Roig ist eine Schwarze Frau und französische Politikwissenschaftlerin, die schon lange in Deutschland lebt. Sie verbindet ihre eigene Geschichte mit einer politischen Abrechnung.
Glasklar zeigt sie auf, wo und wie Frauen, Minderheiten und andere in unserer Gesellschaft diskriminiert werden: in der Bildung, vor Gericht, bei der Arbeit, im Krankenhaus, in den Medien, zu Hause, auf der Straße. Ich bin mit Emilia Roig nicht immer einer Meinung, aber ich finde ihr Buch klug und wichtig.
"Geschichte eines Deutschen – Die Erinnerungen 1914-1933" von Sebastian Haffner
Eine Leseempfehlung von Ilka Brecht, Moderatorin und Leiterin des ZDF-Magazins "Frontal":
Sebastian Haffner, der mit Biografien über Hitler oder Churchill berühmt geworden ist, schrieb seine eigenen biografischen Erinnerungen bereits 1939 im Londoner Exil. Er hat sie aber zu seinen Lebzeiten - Haffner starb 60 Jahre später hochbetagt - nicht veröffentlicht. Vielleicht waren sie ihm zu privat. Und dennoch lassen sie sich als sein persönliches Erbe an die Allgemeinheit lesen, vielleicht sogar als Mahnung.
Denn seine "Geschichte eines Deutschen" leuchtet zugleich dunkle deutsche Geschichte aus. Und Haffner zeigt, wie eine Gesellschaft kippt: Etwa, wie der Aufstieg des Nationalsozialismus seinen Freundeskreis polarisiert, sogar zerreißt. Oder, wie seine Ausbilder im Studium - "in Ehren ergraute Richter" - sich aus Sorge, ihre Pensionsansprüche zu verlieren, nationalsozialistischen Unrechtsurteilen anschließen. Kurzum: Es ist erlebte Geschichte - und der Zeitzeuge Haffner beschreibt sie zu meinem Glück als Leserin auch noch quicklebendig.
"Die Spiele des Jahrhunderts. Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland" von Roman Deininger und Uwe Ritzer
Eine Leseempfehlung von Wulf Schmiese, Leiter "heute journal":
Vor 50 Jahren begann die Moderne. Am 26. August 1972 zeigte sich Deutschland der Welt im neuen Gewand: als glückliche, friedliche, heitere Bundesrepublik. Die Spiele von München waren eine Premiere in den Olympiaden der Neuzeit, durchchoreographiert vom Style der Schrift-Typo bis zu dem der Trainingsanzüge. Keines dieser Details ist bloßer Schmuck im grandiosen Buch von Roman Deininger und Uwe Ritzer.
Was sie aus der Tiefe rund um diese zwei Wochen geholt haben, entfalten sie glänzend als wesentliche Wendepunkte der Deutschen: 36 Jahre nach '36, den furchteinflößenden Propaganda-Spielen in Berlin, sollten diese so anders sein - leicht und unbeschwert.
Hans-Jochen Vogel, Willy Daume und Ottl Aicher hießen die großen Drei, die das politisch, sportlich und gestalterisch geschafft haben - fast jedenfalls. Am 5. September wurden Juden ermordet von palästinensischen Terroristen im Olympischen Dorf. Der Wille zum Weitermachen mit diesen Spielen überlebte: "The games must go on." Sport ist nur der Anlass dieser meisterhaft recherchierten und formulierten deutschen Geschichte. Jedes Kapitel hat Gold verdient.