Putins Zukunft: Ist ein Machtwechsel im Kreml denkbar?

    Szenarien zu Putins Zukunft:Ist ein Machtwechsel im Kreml denkbar?

    von Sebastian Ehm
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    Wladimir Putin umgab stets der Nimbus des Strippenziehers. Doch seit der Invasion in die Ukraine wächst der Druck. Ist ein Machtwechsel im Land denkbar? Vier Szenarien.

    Wladimir Putin am 28.10.2022 in Nowo-Ogarjowo
    Russlands Präsident Wladimir Putin: Ist ein Machtwechsel im Kreml möglich?
    Quelle: epa

    Es läuft nicht für Wladimir Putin. Nicht in der Ukraine und auch nicht in Russland. Probleme bei der Teilmobilmachung, Massenexodus junger Fachkräfte und immer härtere Sanktionen des Westens. Ein Frieden oder auch nur ein Waffenstillstand sind mit dem Kremlherrscher kaum denkbar und so fragen sich viele Beobachter, ob Putins Zeit abläuft.
    Doch liegt ein Regimewechsel im Bereich des Denkbaren? Gibt es gar jemanden, der ihm gefährlich werden könnte? In der Theorie gibt es vier Szenarien, wie Putins Herrschaft beendet werden könnte:

    Szenario 1: Revolution der russischen Bürger

    Vor der Macht der Straße haben fast alle autokratischen Herrscher Angst. Welche Welle der Solidarität und der Hoffnung Demonstrationen auslösen können, sieht man im Moment im Iran. In Russland gab es in den vergangenen Monaten immer wieder kleinere Proteste, eine Massenbewegung erwuchs daraus allerdings nicht.
    Das liegt vor allem daran, dass Versammlungen von den russischen Sicherheitskräften sofort brutal beendet werden. Festgenommene männliche Demonstranten bekamen sogar einen Einberufungsbescheid zur Front in der Ukraine. Viele Regimekritikerinnen und Regimekritiker haben deswegen das Land verlassen. Es erscheint derzeit unwahrscheinlich, dass die Bürgerinnen und Bürger Russlands Putin gefährlich werden.

    Szenario 2: Natürlicher Tod Putins

    Wladimir Putin ist 70 Jahre alt und erscheint gesund. Zwar wird in russischen Telegram-Gruppen immer wieder darüber spekuliert, ob Russlands Präsident vielleicht nicht doch schwer krank sein könnte, aber darauf deutet aktuell nichts hin.

    Szenario 3: Putsch innerhalb des Kreml-Machtapparats

    1991 hatten die Kommunisten schon einmal einen Putsch gegen den geschwächten Gorbatschow versucht. Damals weigerten sich Teile des Militärs der politischen Führung zu folgen. Demonstrationen gegen die Machtübernahme brachten die Putschisten zu Fall. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich der Sicherheitsapparat gegen einen geschwächten Putin wendet. Jannis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik hält das allerdings für unwahrscheinlich.

    Das ganze Regime ist so aufgebaut, dass alle Menschen, die in wichtigen Positionen sitzen, persönlich vom Schicksal Putins abhängig sind.

    Jannis Kluge, Russlandexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik

    Kluge sagt weiter: "In dem Moment, wo Putin nicht mehr da ist, sind auch diese anderen Figuren nicht mehr da."
    Wie sehr die führenden Personen des Sicherheitsapparats von Putin abhängig sind, konnte man in der denkwürdigen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am 21. Februar beobachten. Wie ein Oberlehrer fragte der Präsident jedes einzelne Mitglied ab, ob man die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängig anerkennen sollte. In einer einzigen öffentlichen Sitzung machte Putin damit den gesamten Sicherheitsrat zu Komplizen seines Vorgehens in der Ukraine. Es scheint, als wäre damit auch ein Putsch ausgeschlossen.

    Szenario 4: Putin überträgt die Macht friedlich

    Wahlen sind in Demokratien normalerweise der Weg für eine friedliche Übertragung der Macht. Die nächsten Wahlen in Russland stehen 2024 an und einige Beobachter hoffen darauf, dass die eine Wende einleiten. Doch auch das sei nicht sehr wahrscheinlich, meint Kluge.

    Es ist im Moment kein Problem für Putin, eine Wahl durchzuführen und diese dann auch zu gewinnen. Und natürlich werden dort auch keine Kandidaten zugelassen, die ihm in irgendeiner Form gefährlich werden könnten.

    Jannis Kluge, Russlandexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik

    Laut Kluge hätte Putin die Möglichkeit, einen Nachfolger zu bestimmen. Einen Thronfolger sozusagen, der langsam an die Macht herangeführt werde. Doch das Problem sei, dass die personalisierte Macht, die Putin in den letzten Jahren aufgebaut hat, nicht funktioniert, wenn am Horizont bereits der nächste Herrscher auftaucht.
    Jannis Kluge nennt das Prinzip Lame Duck. "Alle würden sich auf diesen Nachfolger stürzen und versuchen, zu ihm Beziehungen aufzubauen. Deshalb ist es in personalisierten Regimes in der Regel so, dass vorher nicht klar ist, wer der Nachfolger wird."

    Wie geht es im Kreml weiter?

    Da Putin fest im Sattel zu sitzen scheint, sich kein Machtwechsel in Russland ankündigt und auch ein Waffenstillstand oder gar Frieden zwischen Putin und der ukrainischen Regierung aktuell nicht denkbar ist, sind die Perspektiven laut Wissenschaftler Kluge dunkel.

    Ich denke momentan, dass uns der Krieg sehr lange begleiten wird und wir damit umgehen müssen. Auch für längere Zeit, wahrscheinlich mehrere Jahre.

    Jannis Kluge, Russlandexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik

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