Die Erde soll sich höchstens um 1,5 Grad erwärmen - so das zentrale Ziel der Klimapolitik. Nun warnen die UN, die Schwelle könne bis 2026 überschritten werden. Was bedeutet das?
Wie ist die Prognose zur Erderwärmung?
Die globale Durchschnittstemperatur eines Jahres könnte bis 2026 erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. So liege die Wahrscheinlichkeit, dass im Fünf-Jahres-Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens ein Jahr die Grenze überschreite, bei fast 50 Prozent, berichtet die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf. Die Berechnungen hat die britische Meteorologiebehörde für die WMO vorgenommen. WMO-Generalsekretär Petteri Taalas betonte, dass die Schätzungen sehr zuverlässig seien.
Bei der Hochwasserkatastrophe im Westen und Süden Deutschlands haben mehr als 150 Menschen ihr Leben verloren. Werden solche Wetterextreme angesichts der Klimakrise zum Normalfall?
Das heißt nicht, dass die 1,5-Grad-Marke dauerhaft überschritten wird: In den Folgejahren könne der Wert auch wieder niedriger liegen, sagt die WMO. Im Schnitt rechnen Experten für die kommenden Jahre aber mit weiter steigenden Temperaturen.
Welche Temperaturen sagen die Experten vorher?
Die britischen Meteorologen gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in diesem und den kommenden vier Jahren zwischen 1,1 und 1,7 Grad über vorindustriellem Niveau liegen wird.
Für dieses Jahr rechnen die Meteorologen damit, dass es in Südwesteuropa und im Südwesten Nordamerikas trockener ist als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. In Nordeuropa, der Sahel-Zone, Nordostbrasilien und Australien dürfte es dagegen feuchter werden.
Schon vor 40 Jahren informierten die Medien darüber, dass wir auf eine Klimakrise zusteuern. Einer, der dies in aller Deutlichkeit vermittelte, war Hoimar von Ditfurth.
Warum sind die 1,5 Grad so wichtig?
WMO-Generalsekretär Taalas warnte, die Schwelle von 1,5 Grad sei nicht zufällig. Sie markiere "den Punkt, an dem Klimafolgen zunehmend schädlich für Menschen und für den ganzen Planeten werden". Taalas wiederholte die Warnungen vor einem fortgesetzten Treibhausgas-Ausstoß und den daraus resultierenden wärmeren und saureren Weltmeeren, einer Schmelze von Meereis und Gletschern, steigenden Meeresspiegeln und extremeren Wetterlagen. Die arktische Erwärmung sei unverhältnismäßig hoch.
Diese Warnungen beruhen auf Berechnungen von Wissenschaftlern. Sie gehen davon aus, dass, wenn das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird, der Meeresspiegelanstieg geringer ausfallen würde und dass das Meereis als Kältefaktor stabiler wäre. Sie haben berechnet, dass dadurch 20 bis 30 Prozent der Korallenriffe als Kinderstube der Ozeane knapp überleben könnten und dass das Dürre- und Überflutungsrisiko nicht so hoch wäre.
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Wie viel wärmer ist es auf der Erde bereits geworden?
Belastbare Wetterdaten gibt es seit 1881. Nimmt man dieses Jahr als Startpunkt, so hat sich der globale Temperaturdurchschnitt um gut ein Grad erhöht - mit starken regionalen Unterschieden. Auch differiert die Erwärmung über Land und über der Meeresoberfläche. Deutschland hat sich mit etwa zwei Grad stärker erwärmt als der globale Durchschnitt, bezogen auf das zurückliegende Jahrzehnt 2011 bis 2020.
Weltweit gesehen war das heißeste Jahr bislang 2016, als die globale Durchschnittstemperatur etwa 1,2 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Rekord bis 2026 gebrochen wird, liege bei 93 Prozent, so die WMO.
2021 lag die globale Durchschnittstemperatur nach dem vorläufigen Klimabericht der WMO 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Den endgültigen Wert veröffentlicht die WMO am 18. Mai.
Wie kam es zum 1,5-Grad-Ziel im Pariser Klimaabkommen?
2015 galt es noch als praktisch ausgeschlossen, dass die Marke von 1,5 Grad innerhalb von fünf Jahren erreicht wird. In dem Jahr einigte sich die Weltgemeinschaft im Pariser Klimaabkommen, die dauerhafte Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken.
Die Arktis erwärmt sich dreimal so schnell wie der Rest der Welt. Warum ist das so? Forschende des Alfred-Wegener-Instituts sind mit dieser Frage im Gepäck nach Spitzbergen gereist.
Leon Hermanson, Leiter der aktuellen Analyse beim britischen Wetterdienst Met, betonte, eine Überschreitung der 1,5-Grad-Marke in einem einzigen Jahr bedeute noch nicht den Bruch der Schwelle des Paris-Abkommens. Aber sie zeige,
Die Meldung aus Genf kommt zur Halbzeit zwischen der vergangenen Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow und der nächsten Konferenz COP27 in Ägypten. Im November werden dazu im Badeort Scharm el Scheich rund 30.000 Teilnehmer erwartet, darunter 120 Staats- und Regierungschefs. Beobachter ziehen zur COP-Halbzeit eine ernüchternde Bilanz beim Klimaschutz, auch wegen des Krieges in der Ukraine.
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von Moritz Zajonz