Eine Jury aus 30 Kritikern empfiehlt jeden Monat zehn herausragende Sachbücher. Sie vertiefen Gesellschaftsfragen und helfen dabei, Debatten besser zu verstehen.
1. (-) Maria Popova: Findungen
Diogenes, 896 Seiten, 28 €
Quelle: Diogenes
"Unser Streben nach Wahrheit" schreibt Maria Popova, werde von "unsichtbaren Verbindungen" geleitet. Etwas Neues entstehe dann, wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Ideen zufällig begegnen. Die in Bulgarien geborene Intellektuelle porträtiert deshalb Geistesgrößen, die etwas zum ersten Mal gedacht haben: Rachel Carson etwa, Begründerin der amerikanischen Umweltbewegung. 57 Punkte
2. (9) Katharina Pistor: Der Code des Kapitals
Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft
Suhrkamp, 440 Seiten, 32 €
Quelle: Suhrkamp
Wie entsteht Kapital? Für Karl Marx war die Antwort klar: Indem Kapitalisten die Arbeitskraft ihrer Angestellten ausbeuten. Die Juristin Katharina Pistor sieht das anders: "Nicht ein physischer Produktionsprozess, sondern die rechtliche Codierung ist das Entscheidende." Heißt: Kapital wird nicht in Fabriken geschaffen, sondern hinter den verschlossenen Türen der Anwaltskanzleien. 48 Punkte
3. (3) Bettina Stangneth: Sexkultur
Rowohlt, 288 Seiten, 22 €
Quelle: Rowohlt
Sex ist so natürlich, wie er Spaß machen kann. Und trotzdem: Im 21. Jahrhundert empfinden wir unsere Sexualität – das innere Tier – vor allem als Problem: Als Ursache von Missbrauch und Unzufriedenheit. Die Philosophin Bettina Stangneth plädiert für einen ehrlichen, einen positiven Blick auf die schönste Sache der Welt. Ein Hohelied auf die leidenschaftliche Liebe. 35 Punkte
3. (-) Julian Barnes: Der Mann im roten Rock
Kiwi, 304 Seiten, 24 €
Quelle: Kiwi
Die Belle Époque ließe sich aus Sicht vieler großer Persönlichkeiten erzählen: Oscar Wilde etwa, Guy de Maupassant oder Marcel Proust. Der Schriftsteller Julian Barnes wählt für sein buntes Epochenporträt eine Figur, die heute weitestgehend unbekannt ist: Den Arzt Dr. Samuel Pozzi. Ein Freigeist, Visionär und Intellektueller, der sie alle kannte. 35 Punkte
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5. (-) Alex Ross: Die Welt nach Wagner
Rowohlt, 912 Seiten, 40 €
Alex Ross: Die Welt nach Wagner
Quelle: RowohltNicht um Richard Wagners Leben geht es in Alex Ross‘ Buch, sondern um sein Nachleben. Der Literaturkritiker des Magazins New Yorker zeigt: Mehr noch als die Musik hat Wagner die Philosophie, die Literatur und die Kunst beeinflusst. Wir blicken auf die Welt durch Wagners Augen. Ein Blick, der von Genie und Wahn geprägt ist. 34 Punkte
6. (-) Judith Butler: Die Macht der Gewaltlosigkeit
Suhrkamp, 250 Seiten, 28 €
Judith Butler: Die Macht der Gewaltlosigkeit
Quelle: Suhrkamp"Viele halten das Eintreten für Gewaltlosigkeit für unrealistisch, aber vielleicht sind sie zu gebannt von der Realität", schreibt die Philosophin Judith Butler. Dagegen sollten wir uns fragen, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen. Ihre Antwort ist klar: In einer Welt radikaler sozialer Gleichheit, gewaltlos erkämpft - aber mit aller Macht. 33 Punkte
7. (-) Christopher Clark: Gefangene der Zeit.
DVA, 337 Seiten, 26 €
Christopher Clark: Gefangene der Zeit. Geschichte und Zeitlichkeit von Nebukadnezar bis Donald Trump
Quelle: DVAOb Brexiteer-Spindoktor Dominic Cummings oder Donald Trump: Die Machtmenschen der Gegenwart mögen wie ein vollkommen neuer Typus wirken. Dabei hat schon Otto von Bismarck einen aggressiven, populistischen Politikstil gepflegt, den sich Cummings heute zum Vorbild nimmt. In 13 Essays zeigt der Historiker Christopher Clark auf, wie Vorstellungen von Macht über die Geschichte hinweg fortwirken. 30 Punkte
7. (-) Hans Ulrich Gumbrecht: Prosa der Welt
Suhrkamp, 400 Seiten, 36 €
Hans Ulrich Gumbrecht: Prosa der Welt, Denis Diderot und die Peripherie der Aufklärung
Quelle: SuhrkampDenis Diderot war anders. Anders als die anderen Aufklärungsphilosophen Voltaire, Rousseau oder Kant, findet der Romanist Hans Ulrich Gumbrecht. Diderot dachte nicht in geschlossenen Systemen, verzichtete auf Schlüsselbegriffe, mied es, sich festzulegen. Wegen dieser Offenheit ist der "Denker der Kontingenz" noch heute aktuell. 30 Punkte
9. (2) Philippe Sands: Die Rattenlinie
S. Fischer, 544 Seiten, 25 €
Philippe Sands: Die Rattenlinie- ein Nazi auf der Flucht: Lügen, Liebe und die Suche nach der Wahrheit
Quelle: S. FischerAls "Rattenlinien" bezeichneten US-Agenten Nazi-Fluchtrouten nach dem Krieg. Einer dieser flüchtigen NS-Verbrecher war Otto Wächter, einst Gouverneur in Polen. Nach einer Begegnung mit dessen Sohn erzählt Philippe Sands, britischer Anwalt und Bestseller-Autor, von Wächters Lebensweg. Eine Geschichte von Liebe, Intrigen, Spionage – und den Verstrickungen der katholischen Kirche. 27 Punkte
10. (6) Christina Pareigis: Susan Taubes.
Wallstein, 472 Seiten, 29 €
Christina Pareigis: Susan Taubes. Eine intellektuelle Biographie
Quelle: Wallstein1939 betrat Susan Taubes als Elfjährige den Boden von New York. Vor ihr lag ein kurzes Leben, verstreut auf der ganzen Welt: Sie lebte in Harvard, Jerusalem oder Paris. Wie sehr diese Ortlosigkeit des jüdischen Exils das intellektuelle Werk der Schriftstellerin Taubes prägte, zeigt diese Biografie. Dabei blieb Taubes‘ Fluchtpunkt immer Budapest, die Stadt ihrer Kindheit. 26 Punkte