Konfliktmetall Zinn: Raubbau für den Elektronik-Boom
Konfliktmetall:Zinn: Raubbau für den Elektronik-Boom
von Doris Ammon
16.10.2022 | 17:10
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Auf der indonesischen Insel Bangka beuten 100.000 Arbeiter die reiche Zinnerzader dort aus. Das Metall ist für unseren Konsum unentbehrlich. Doch dafür wird die Natur zerstört.
Auf der indonesischen Insel Bangka beuten 100.000 Arbeiter eine Zinnerzader aus. Das Metall ist für unsere moderne Konsumwelt unentbehrlich. Doch dafür wird die Natur verwüstet.16.10.2022 | 28:45 min
Vor 300 Jahren entdeckten Bergleute auf der tropischen Insel reiche Zinnerzvorkommen. In den letzten 20 Jahren entfachte die wachsende Nachfrage auf dem Weltmarkt einen wahren Zinn-Rausch auf Bangka. Große Konzerne und illegale Schürfer verwüsten seitdem das Inselparadies.
Bangka liegt an der Ostküste Indonesiens und ist Teil einer riesigen Zinnader, die sich von Indonesien bis nach China erstreckt. Die Erzader ist das größte Zinnvorkommen der Welt. Mehr als 50 Prozent der weltweiten Produktion kommen aus dieser Region - Indonesien erzeugt die Hälfte davon.
Minen machen fruchtbare Erde zu Mondlandschaften
Die Umweltschäden durch den Raubbau sind enorm. Das Zinnerz wird mit primitiven Mitteln aus dem Boden geschlämmt. Die Minen machen die fruchtbare Erde zu Mondlandschaften, wo kein Halm mehr wächst.
Umweltschützer schätzen, dass die Gruben drei Viertel der Inselfläche bedecken - 65 Prozent der tropischen Wälder seien schon verschwunden. Sogar vor der Küste pflügen Konzerne und Glücksritter den Meeresboden um und vernichten ganze Ökosysteme auf der Suche nach immer neuen Zinnvorkommen.
“Die Anzahl der legalen und illegalen Zinnminen an Land und im Meer ist dramatisch gestiegen. Wir schätzen, dass es mittlerweile über 10.000 Minen hier auf der kleinen Insel gibt”, empören sich Umweltschützer der lokalen NGO Walhi - Friends of the Earth.
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Bis zu 150 tote Minenarbeiter durch Erdrutsche
Die illegalen Minen sind zudem ungesichert und lebensgefährlich. Jedes Jahr sterben allein auf Bangka 100 bis 150 Menschen durch Erdrutsche. Fischerei und Tourismusindustrie leiden. Eine Wiederaufforstung auf den schwer geschädigten Flächen ist erst nach Jahrzehnten wieder möglich - wenn überhaupt.
Die Naturzerstörung ist die direkte Folge des Elektronik-Booms: Smartphones, Tablets und Unterhaltungselektronik können ohne Zinn nicht produziert werden.
Zinn für Herstellung von Autoteilen und Konservendosen
Der Platzhirsch auf Bangka, der indonesische Bergbaukonzern PT Timah, ist der international größte Zinnproduzent und beliefert auch die deutsche Industrie: Die Stahlherstellung ist auf das weiche Metall angewiesen. Zinn steckt außerdem in zahlreichen Geräten der Medizintechnik, in Konservendosen und in vielen Autoteilen.
Der Bedarf an Zinn dürfte in den nächsten Jahren noch steigen. Doch die miserablen Bedingungen, unter denen das Metall geschürft wird, machen es zu einem der vier sogenannten Konfliktmetalle, zusammen mit Gold, Tantal und Wolfram.
Abbau von Zinn nicht einfach zu kontrollieren
Die EU-Konfliktmineralienverordnung soll verhindern, dass importierte Rohstoffe zu Elend und Ungleichheit in den Herkunftsländern beitragen. Unternehmen müssen seit 2021 sicherstellen, dass die importierten Rohstoffe aus nachhaltigem und umweltverträglichem Bergbau stammen.
Doch das ist nicht einfach. Ist das geschürfte Zinnerz erst zu Barren geschmolzen, kann seine Herkunft kaum noch nachgewiesen werden. Zudem ist der Anteil illegaler Kleinminen sehr hoch, was die Kontrollen erheblich erschwert.
WWF fordert transparente Lieferketten
Tobias Kind-Rieper, Rohstoff-Experte des WWF, beklagt: "Das Sanktionsrecht dieser Verordnung ist sehr schwach. Wir wissen nicht genau, wo die Rohstoffe herkommen, und Unternehmen müssen dies leider nicht offenlegen."
Nur durch transparente Lieferketten können wir nachvollziehen, was die Umwelt- und Sozialauswirkungen vor Ort sind.
Tobias Kind-Rieper, WWF-Experte
Außerdem wird immer noch viel zu viel gedankenlos konsumiert und viel zu wenig recycelt - obwohl das bei vielen Produkten möglich wäre. Dass sich an diesen Zuständen bald etwas ändert, ist unwahrscheinlich.
Die Bundesregierung will weniger Kinderarbeit und höhere Mindeststandards für Beschäftigte in Billiglohnländern. Daher unterstützt sie das geplante neue Lieferkettengesetz der EU.