Vom Zootier zum Futtertier? Zoos töten überzählige Tiere

    Vom Zootier zum Futtertier?:Zoos töten überzählige Tiere

    von Christine Seidemann
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    Für Zoobesucher sind Eisbärbabys, kleine Elefanten und Menschenaffen eine Sensation. Aber Zoos züchten heute so erfolgreich, dass ihnen langsam der Platz ausgeht.

    Ein Giraffenbulle wird in einem Gehege an ein Löwenrudel verfüttert.
    Selten waren deutsche Zoos bisher bereit, offen darüber zu sprechen, welche Tiere sie töten. Erstmals im Rahmen einer Dokumentation gewähren Zoobetreiber nun einen tiefen Einblick.30.10.2022 | 28:45 min
    Zoos verstehen sich als Artenschutzzentren, die Tiere züchten, um Arten zu bewahren, die in der Natur aussterben. Doch solche "Reservepopulationen" machen nur Sinn, wenn der Genpool so groß ist, dass es nicht zu Inzucht kommt. Die bittere Wahrheit ist: Auch Zootiere, die zu stark vom Aussterben bedrohten Arten gehören, können für diese Zuchtprogramme "überzählig" werden.

    Populationsmanagement im Zoo

    Im Wuppertaler Zoo ist ein neues Elefantenbaby geboren worden - ein Weibchen. Darauf hatte Zoodirektor Arne Lawrenz gehofft, denn im Zuchtprogramm für afrikanische Elefanten wird es für Bullen langsam eng.
    Das liegt daran, dass weibliche Tiere lebenslang zusammenbleiben und große Herden bilden, während die Bullen abwandern. In der Natur sterben viele jung. Im Zoo werden auch Elefantenbullen alt und es wird zunehmend schwierig, sie über einen langen Zeitraum gut unterzubringen.
    Umdenken bei Zucht von Zootieren
    Das System Züchten und Verfüttern wird in vielen Zoos bisher nur hinter den Kulissen praktiziert. Dieses Umdenken würde nicht nur die Zucht erleichtern, es wäre auch besser für die Tiere, meint Biologin Silja Herberg.28.10.2022 | 5:22 min
    Um überzählige Elefantenbullen aufzufangen, gründen die Zoos in den letzten Jahren Junggesellengruppen. Doch es ist eine Frage der Zeit, bis auch die voll sein werden - maximal zehn Jahre, schätzt Arne Lawrenz. Trotzdem will er nicht aufhören zu züchten.

    Natürlich freut sich jeder, wenn hier ein kleiner Elefant rumwackelt, aber ich kann ganz klar sagen, dass wir nicht züchten, um Besucher anzulocken, sondern weil wir hier stabile selbsterhaltende Populationen aufbauen wollen. Dafür brauchen wir den Nachwuchs.

    Arne Lawren, Wuppertaler Zoodirektor

    Auch der Direktor des Tiergarten Nürnbergs, Dag Encke, argumentiert gegen Zuchtstopps: "Wenn wir nicht mehr weiter züchten, weil wir so viele alte Tiere haben, dann geht die Alterspyramide nach oben, wird blattförmig.
    Dann leben wir in der Illusion: Ja, wir haben doch hier genug Tiere, es sind doch noch soundso viele da. Aber wenn keiner mehr davon fortpflanzungsfähig ist, dann ist die Art tot."

    Erst züchten, dann verfüttern

    Auswilderung ist nur für wenige Zootiere eine Option. Die natürlichen Lebensräume, in denen sie sicher leben, schrumpfen. Einige Zoos praktizieren eine Strategie, die "Breed and Feed" genannt wird. Sie verfüttern Jungtiere, die keinen Platz in der Zucht finden, an ihre Raubtiere. Der Deutsche Zooverband (VdZ) erklärt:

    Aus unserer Sicht und aus Tierwohlgründen ist es sinnvoller, qualitativ hochwertiges Fleisch von Zootieren zu verfüttern, das nachhaltig und mit hohem Tierschutzanspruch produziert wurde, als Fleisch aus Massentierhaltung einzukaufen.

    Deutscher Zooverband (VdZ)

    "Verfüttert werden bisher hauptsächlich überzählige Huftiere, wie Ziegen, Antilopen, Zebras oder Hirsche."

    Rein rechtlich können in Deutschland alle Wirbeltierarten zum Zwecke des Verfütterns getötet werden.

    Deutscher Zooverband (VdZ)

    Dem Verband, sei "allerdings bewusst, dass das Töten und Verfüttern von Tierarten, die in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert einnehmen - zum Beispiel Gorillas, Eisbären oder Elefanten -  wahrscheinlich nicht akzeptiert werden würde."

    Ist Zuchtstopp eine Alternative?

    Ein Zuchtstopp könnte zwar verhindern, dass die Zoos zu voll werden, würde jedoch auch natürliche Verhaltensweisen weiter einschränken. Im Zoo können Raubtiere nicht jagen und Elefanten keine langen Wanderungen unternehmen. Ohne Zucht entfielen auch die Chance auf Partnerwahl, Paarung und die Möglichkeit, Jungtiere großzuziehen.
    Auch innerhalb der Zoos ist ein Streit darüber entbrannt, was wichtiger ist: Ein möglichst langes Leben für jedes Zootier? Oder ein möglichst abwechslungsreiches, mit Jungtieren und Artgenossen? Letzteres würde die Erhaltungszucht erleichtern, wohl aber auch bedeuten, dass in Zukunft mehr Zootiere jung getötet werden.
    Der Wuppertaler Zoodirektor Arne Lawrenz ist überzeugt, dass Zoos die Fragen nicht alleine beantworten sollten: "Es ist wichtig, dass wir darüber reden und die Leute darüber nachdenken, wie sie das finden."
    Quelle: ZDF

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