Ein Vogelzwitschern am Morgen kann ähnlich glücklich machen wie gutes Einkommen. Doch insbesondere Zugvögel sind großen Gefahren ausgesetzt. Was können wir für ihren Schutz tun?
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Die Flugleistungen von Vögeln sind unglaublich: Etwa 50 Milliarden Vögel ziehen weltweit jedes Jahr auf ihren saisonalen Wanderungen zwischen Nord und Süd hin und her. Küstenseeschwalben brüten beispielsweise in der Arktis und überwintern in der Antarktis - auf ihrer Reise zwischen Nord- und Südhalbkugel legen sie innerhalb eines Jahres bis zu 90.000 Kilometer zurück. Neben diesen extremen "Langstreckenziehern" gibt es auch geflügelte "Kurzstreckenzieher" wie Rotmilan oder Feldlerche, die in Deutschland brüten und im Mittelmeergebiet überwintern.
Als "Nomaden" bezeichnet man Vögel wie die Seidenschwänze. Sie brüten in der Taiga, im hohen Norden. Bei uns tauchen sie manchmal im Winter auf - dann aber auch gleich in großen spektakulären Gruppen, wenn sie Kälteeinbrüchen ausweichen. "Standvögel" wiederum verbringen das ganze Jahr in heimischen Gefilden.
Wenn in unseren Gärten der Frühling erwacht, sind die Vögel plötzlich alle wieder da. Doch oft ahnen wir gar nicht, was die gefiederten Helden alles erlebt und überlebt haben.
Zugvögel leben zwischen zwei Welten
Zugvögel haben theoretisch ein gutes Leben: Sie brüten bei uns, wenn das Laub auf den Bäumen frisch austreibt und es viel Raupennahrung gibt. Sie überwintern in Afrika oder am Mittelmeer, wo sie milde Winter erwarten. Ihre Herausforderung besteht darin, in beiden Welten zu leben und lange gefährliche Zugstrecken zu überwinden.
Vor dem Abflug müssen die Vögel in unserer - vom Menschen stark genutzten - Landschaft genug Nahrung finden, um sich ein dickes Fettdepot anzufressen, sozusagen einen "Reiseproviant". Gute Rastgebiete auf der Strecke sind notwendig, um "aufzutanken". Tausende Kilometer, unvorhersehbares Wetter, Feinde und die Jagd durch den Menschen sind weitere Gefahren für die gefiederten Reisenden.
NANO spezial: Seit 1970 sind 68 Prozent aller Vögel, Säugetiere, Fische, Amphibien und Reptilien verschwunden. Wie wäre es, 30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen?
Unter besonderem Druck stehen die Langstreckenzieher, die das Mittelmeer und die Sahara überwinden müssen. Ihre Bestände gehen im Vergleich zu Kurzstreckenziehern und Standvögeln deutlich zurück.
Ein zunehmendes Problem ist der Klimawandel: Zum einen wird die ohnehin schon lange Zugstrecke durch die Verschiebung der Klimazonen noch länger/beschwerlicher, zum anderen kommen Langstreckenzieher wegen ihres starren, genetisch festgelegten Zugprogramms teils so spät aus Afrika zurück, dass sie das beste Raupenangebot verpassen und für die Jungvögel weniger Nahrung zur Verfügung steht.
Milliarden von Zugvögeln sterben jedes Jahr auf ihren Reisen. Wir fliegen mit ihnen nach Italien und Sibirien und erleben hautnah, welche Strapazen die tapferen Vielflieger zu überstehen haben.
Dienstleister für Natur und Mensch
Zugvögel erfüllen, wie andere Vögel auch, in Ökosystemen wichtige Funktionen. Sie bekämpfen Schädlinge, z.B. Insekten in Apfelplantagen oder Mäuse auf Getreidefeldern. Sie verbreiten Samen und dienen damit der Regeneration/Vermehrung von Pflanzen. Sie bestäuben Blüten und sie transportieren, wenn sie Meeresfische fressen, mit ihrem Kot Nährstoffe aus dem Meer an Land.
Gleichzeitig sind sie Wächter, die Änderungen in der Umwelt anzeigen. Die dramatischen Rückgänge der Vögel in der Agrarlandschaft, also der Äcker, Wiesen und Weiden, sind ein Warnsignal für die Abnahme der Biodiversität in unserer Agrarlandschaft/Umwelt - auch mit möglichen Folgen für uns Menschen!
Was außerdem nicht fehlen darf: Vögel erfreuen uns mit ihrem Gesang, bunten Gefiedern und interessanten Verhalten. Die Zugvögel, die Laubsänger, Schwalben und Mauersegler sind mit ihrer Rückkehr aus dem Süden alljährliche Boten des Frühlings und Sommers.
Etwa eine halbe Milliarde Zugvögel ziehen jedes Jahr durch Deutschland. Allerdings: bei vielen Arten gehen die Bestände teilweise zurück. Am 8. Mai ist Welttag der Zugvögel.
Was können wir tun, um den Zugvögeln zu helfen?
Da Zugvögel in unterschiedlichen Welten leben und zudem auf dem Zug Rastgebiete brauchen, sind einfache Maßnahmen zu ihrem Schutz nicht ausreichend. Schutzmaßnahmen müssen gleichzeitig bei den Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten ansetzen. Bei uns in Mitteleuropa bedeutet das eine biodiversitätsfreundlichere Landwirtschaft, mehr Öko-Landbau und mehr Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft.
Die Rastgebiete entlang der Zugrouten müssen geschützt und die Überwinterungsgebiete dürfen nicht weiter reduziert werden. Hier müssen wir auch unser eigenes Konsumverhalten ändern: Kaufen wir beispielsweise bio-zertifizierten Kakao oder Kaffee, idealerweise aus traditionellem Anbau mit Schattenbäumen, so helfen wir auch den Zugvögeln. In solchen Plantagen finden die Tiere bessere Lebensbedingungen und mehr Nahrung.
Wir können vor der eigenen Haustüre etwas tun. Wiese statt Rasen, ein verwilderter Garten, am besten mit alten Obstbäumen, in der Stadt Parks statt Asphalt bieten Langstreckenziehern Lebensraum und Futter.
Schutz der Zugvögel auch unser Schutz
Eine wichtige Rolle spielt auch die konsequente Unterbindung der illegalen Jagd im Mittelmeerraum: Singvögel, aber auch große Greifvögel und selbst Weißstörche fallen dieser zum Opfer. Wir müssen jetzt und gemeinsam handeln, um die "Wächter der Natur" zu retten! Ihr Schutz ist auch unser Schutz!
In Deutschland kämpfen Vögel ums Überleben. Aber jeder von uns kann etwas beitragen, um diese Tierart vor dem Aussterben zu bewahren.
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