9-Euro-Ticket-Nachfolger droht die Verspätung

    Vor Verkehrsministerkonferenz:9-Euro-Ticket-Nachfolger droht die Verspätung

    Christiane Hübscher im Inside-PolitiX-Studio
    von Christiane Hübscher
    |

    Was nützt das beste Nahverkehrsticket, wenn kein Bus mehr kommt? Die Verkehrsminister der Länder streiten mit Volker Wissing ums Geld.

    Bevor heute und am Donnerstag in Bremerhaven die Verkehrsminister der Länder zusammenkommen, wurde in den Staatskanzleien viel gerechnet: Ist ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket für 49 Euro - das ist der Preis, auf den alles hinauszulaufen scheint - auch wirklich ausfinanzierbar? Die Länder sind skeptisch, ist zu hören: Denn noch sind die Fahrgastzahlen nicht zurück auf Vor-Corona-Niveau. Und man bräuchte wohl zusätzlich ein verbilligtes Ticket, beispielsweise für Kinder und Bürgergeldbezieher. Das macht es komplizierter und teurer.
    Das 9-Euro-Ticket war auch ein Verkaufsschlager, weil es so bestechend einfach war. Ein Preis für alle. "Das war eine große Sache", so Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang September im Bundestag, deshalb werde es eine Fortsetzung geben, zu einem vertretbaren Preis. Und selbst FDP-Finanzminister Christian Lindner gab schließlich sein Nein auf: Der Weg für das Nachfolgeticket schien frei. Bund und Länder wollen sich hälftig die Finanzierung teilen, die 1,5 Milliarden Bundesmittel sollen nicht nur einmalig, sondern dauerhaft aus dem Haushalt kommen.

    Knackpunkt: Wer finanziert Modernisierung des ÖPNV?

    Doch nun stockt es seit Wochen. Und der geplante Start des Tickets zum 1. Januar ist in Gefahr. Denn hinter den Kulissen läuft das Schwarze-Peter-Spiel.
    Aus den Ländern hagelt es Vorwürfe Richtung Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), er blockiere die nötigen Regionalisierungsmittel. Damit gemeint sind die 1,65 Milliarden, die die Länder jährlich noch zusätzlich zum Ticket fordern, um den Nahverkehr weiter auszubauen. Um neue Züge und Busse zu kaufen, Strecken zu digitalisieren. Aber Wissing will von noch mehr Geld nichts hören.

    Wissing: ÖPNV ist Landesaufgabe

    Sein Fokus liegt vorerst auf dem Ticket: "Alles miteinander zu verbinden bedeutet, man verhakt sich und nichts geht voran. Deswegen hab ich den Ländern geraten, dass wir einen Punkt nach dem anderen abarbeiten", so der Bundesverkehrsminister gegenüber dem ZDF. Was die Regionalisierungsmittel betrifft, spielt er den Ball zurück:

    Wie hoch ist der Beitrag, den die Länder selbst leisten? Denn der ÖPNV ist ja am Ende eine Landesaufgabe und keine Bundesaufgabe.

    Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister

    Tatsächlich steht die Erhöhung der Regionalisierungsmittel im Ampel-Koalitionsvertrag. Im aktuellen Bundeshaushalt aber taucht der Posten nicht auf. Gleichzeitig kämpft auch der ÖPNV mit massiven Preissteigerungen für Benzin und Diesel.

    Krischer: Ticket und ÖPNV-Ausbau zusammendenken

    Und so fordern selbst Ampelpartner jetzt Bewegung von Wissing. Man müsse beides zusammendenken: Das Ticket und den Ausbau des Nahverkehrs, so Oliver Krischer, grüner Verkehrsminister in NRW, gegenüber ZDFheute:

    Das beste Ticket ist nur halb so viel wert, wenn Länder und Kommunen wegen der enormen Kostensteigerungen das Angebot deutlich reduzieren müssen. Aber genau das droht, wenn der Bundesverkehrsminister seine Finanzverpflichtungen im Rahmen der Regionalisierungsmittel nicht einhält.

    Oliver Krischer (Grüne), Verkehrsminister NRW

    Müssen Verbindungen im Nahverkehr eingestellt werden?

    Während also Berlin aktuell mit einem eigenen 29-Euro-Ticket experimentiert, drohen sie in den Flächenländern damit, bald erste Verbindungen einstellen zu müssen, wenn vom Bund nicht mehr Geld für die Sachkosten komme. "Dann wären wir gezwungen, das Angebot beispielsweise an Wochenenden oder am Abend auszudünnen", prophezeit der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Herrmann von den Grünen, der in Stuttgart gerade neue Doppelstockzüge für den kommenden Tiefbahnhof bestellt hat.
    Über alle Parteifarben hinweg sind die Länder enttäuscht: "Ich kann nur an den Bund appellieren, wie im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt, zu seiner Verantwortung zu stehen", sagt der brandenburgische Infrastrukturminister Guido Beermann von der CDU. "Andernfalls rückt nicht nur unser Ziel, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln, in weite Ferne."
    29-Euro Ticket
    Seit 1. Oktober gibt es in Berlin eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket: das 29-Euro-Ticket. Das Ticket soll vorab aber nur befristet für das Stadtgebiet gelten.05.10.2022 | 1:48 min

    Kritik aus Ländern an Bundesregierung

    Olaf Scholz mischt sich in den Streit bisher nicht ein und Finanzminister Lindner scheint nicht bereit zu sein, die geforderten Regionalisierungsmittel locker zu machen. Jetzt komme es auf das Verhandlungsgeschick des FDP-Verkehrsministers an, so Landesministerin Susanne Karawanskij aus Thüringen. Neben all den anderen Krisen dürfe der Verkehrssektor nicht hinten runterfallen.

    Wenn die Bundesregierung eine Verkehrswende wirklich ernst meint, dann muss sie uns die nötigen Mittel für den ganzheitlichen Ausbau des ÖPNV-Angebots zur Verfügung stellen.

    Susanna Karawanskij (Die Linke), Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft in Thüringen

    Unklar, ob Wissing seinen Länderkollegen auf der zweitägigen Verkehrsministerkonferenz in Bremerhaven noch entgegenkommt. Aus vielen Ländern heißt es, der geplante Starttermin am 1. Januar sei mittlerweile schon aus organisatorischen Gründen "sehr ambitioniert".
    Volker Wissing aber bleibt Optimist: "Wir sollten dieses Ziel nicht so schnell aufgeben. Ich werde das weiterhin mit Ehrgeiz vorantreiben."

    ÖPNV und 9-Euro-Ticket