Drei Monate 9-Euro-Ticket vorbei - Vorschläge für Nachfolger

    Nachfolger gesucht:Drei Monate 9-Euro-Ticket vorbei - und jetzt?

    von Christian Thomann-Busse
    01.09.2022 | 07:44
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    Wird es einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket geben - und wenn ja, in welcher Form? Eine Lösung scheint noch fern. Aber es gibt Vorschläge von Parteien und Verkehrsexperten.

    9-Euro-Ticket
    Es gibt zahlreiche Pläne zum Nachfolger des 9-Euro-Tickets.
    Quelle: Picture Alliance

    Insgesamt rund 52 Millionen verkaufte 9-Euro-Tickets sprechen eine klare Sprache: Viele Menschen in Deutschland nehmen ein günstiges Angebot gerne an, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil zu sein. Regional und deutschlandweit.
    Im Schnitt wurden laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rund 17 Millionen Tickets ausgegeben - in jedem der drei Aktionsmonate Juni bis August. Und das zusätzlich zu den rund zehn Millionen Abonnenten, die ohnehin ein reguläres Monatsticket bei ihrem Verkehrsverbund haben. Aber welche Nachfolgemodelle sind tatsächlich machbar?

    Vorschläge reichen von Monatskarte bis Jahresticket

    Mitte Juli hatte Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV, ein 69-Euro-Ticket in die Diskussion eingebracht. Zu diesem Preis sei ein bundesweit gültiges Ticket für Nahverkehrsverbindungen umsetzbar, so Wolff. Und das sogar zum 1. September.
    So sieht die Bilanz nach drei Monaten aus.31.08.2022 | 8:39 min
    Während dieser Vorschlag vor allem in Social Media auf starke Ablehnung stieß ("Viel zu teuer!"), fragten sich manche Inhaber von Nahverkehrs-Abos spätestens jetzt: "Wenn 69 Euro für eine bundesweite Gültigkeit machbar sind, warum zahle ich für meinen Verkehrsverbund dann bislang mehr als 150 Euro im Monat?"
    Gerade einmal zwei Tage brauchte die Opposition in Person von Markus Söder für einen weiteren Vorschlag: das 365-Euro-Jahresticket. Hochgelobt und erfolgreich in Wien - hochproblematisch bislang bei einigen Versuchen in Deutschland.

    • Insgesamt rund 52 Millionen Tickets wurden verkauft.
    • Weitere zehn Millionen sind an Abonnent*innen eines Monatstickets gegangen.
    • Laut VDV wurden zehn Prozent der Fahrten mit dem Ticket für eine Strecke genutzt, die sonst mit dem Auto gefahren worden wäre.
    • Insgesamt liegt der Anteil von aus anderen Verkehrsmitteln verlagerten Fahrten bei 17 Prozent.
    • Die Menge an eingespartem Treibhausgas schätzt der VDV auf 1,8 Millionen Tonnen.
    (Quelle: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen)

    Preis-Diskussion verdrängt Klimaziel Mobilitätswende

    Söders Forderung nach einer gleichzeitigen Verlängerung des Tankrabatts offenbarte außerdem ein aktuelles Wahrnehmungsproblem in der Diskussion um günstige Mobilität: Wenn fast ausschließlich über Geld für Tickets und Sprit gefeilscht wird, blenden so manche Akteure das eigentliche Ziel aus: die seit Jahren von Verkehrs- und Umweltexperten angemahnte Mobilitätswende.
    Die zumindest haben die Grünen bei ihrem aktuellen Konzept für einen 9-Euro-Nachfolger auf dem Schirm:

    Eine echte Verkehrswende kann nur gelingen, wenn sich die Menschen auf günstige und qualitativ hochwertige Verkehrsangebote dauerhaft verlassen können.

    Grünen-Bundesvorstand, Positionspapier zu 9-Euro-Ticket

    Finanzierbar sei, so die Grünen, ein regionales Ticket für 29 Euro sowie ein bundesweites Ticket für 49 Euro monatlich. Und zwar über den Abbau des Dienstwagenprivilegs durch stärkere Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes von Fahrzeugen: "Statt einer Begünstigung, die vor allem Gutverdienenden zugutekommt, ermöglichen wir damit eine verkehrspolitische Maßnahme mit Breitenwirkung, die zudem einen wirksamen Anreiz zum Klimaschutz setzt."
    Wofür das 9-Euro-Ticket genutzt wurde
    ZDFheute Infografik
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    Einen dringlichen Appell richtet das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende an die Bundesregierung. Darin heißt es:

    Es braucht eine Anschlussregelung, die bezahlbar, unkompliziert und bundesweit einheitlich ist. Es muss massiv in den Ausbau von Infrastruktur, in Personal und Fahrzeuge investiert werden.

    Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende

    Das Bündnis aus DGB, IG Metall, ver.di, SoVD, VdK, AWO, NABU, BUND, VCD und der EKD hält sich bei konkreten Vorschlägen für Ticket-Preise zurück. Aber die Forderung des Verkehrsclubs Deutschland VCD "für den Ausbau von Bus und Bahn in Deutschland" sowie für eine Nachfolgefinanzierung des 9-Euro-Tickets in Höhe von 15 Milliarden Euro zeigt die Dimensionen auf.
    Fast 40 Millionen Mal wurde das 9-Euro-Ticket in den letzten drei Monaten gekauft. Die Debatte um eine Verlängerung ist in vollem Gang. Trotzdem erhöhen einige Regionen ab September sogar die Preise. 27.08.2022 | 5:38 min

    Experten: Höchstgrenze bei 29 Euro

    Eine Zahl, über die an verschiedenen Stellen Konsens herrscht. Unter anderem auch beim Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Dessen Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung, Andreas Knie, hat bereits ganz konkrete Vorschläge auf dem Tisch.

    29 Euro sind die Grenze für viele, die wir neu erreichen wollen. Das wissen wir aus Nutzerbefragungen. Darüber erscheint ein Ticket nicht mehr attraktiv.

    Andreas Knie, Verkehrsexperte Wissenschaftszentrum Berlin (WZB),

    Auf dieser Basis hat das WZB ein All-In-Paket entwickelt, dass neben dem öffentlichen Personennahverkehr auch den Fernverkehr der Bahn sowie Sammeltaxis für die letzte Meile auf dem Land umfasst. Kosten laut WZB: 14 bis 16 Milliarden Euro jährlich. "Das kriegen wir locker rein, wenn wir die drei großen Privilegien Entfernungspauschale, Dieselsubventionierung und Dienstwagenprivileg abschaffen", sagt Knie.

    Ähnliche Nutzung wie bei Carsharing

    Klingt nach einem großen Rundumschlag mit dem dicken Knüppel - aber: "Wenn wir die Verkehrswende wollen, dann muss man einen Kracher rausholen." Der sehr niedrige Betrag von 29 Euro könnte gleichzeitig ein trickreicher Schachzug sein: "Wir gehen davon aus, dass nur ein kleiner Teil dann tatsächlich ständig fährt. Das kennt man vom Carsharing. Viele sind Mitglied, nutzen es aber nicht so häufig. Aber als Sicherheit ist man dabei."
    Dabei sein im öffentlichen Verkehr und bei der Verkehrswende: Mit dem Erfolg des 9-Euro-Tickets als Rückenwind und der Energiekrise vor Augen hat Deutschland jetzt alle Chancen, das Thema voranzutreiben. Welcher Vorschlag macht das Rennen? Fortsetzung folgt.

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