Diese Woche debattiert der Bundestag über die Streichung von Paragraf 219a aus dem Strafgesetzbuch. Wie Abtreibung in Deutschland rechtlich geregelt wird und wurde. Ein Überblick.
Nicht nur in den USA, auch in Deutschland heizt sich die Diskussion über das Thema Abtreibung gerade auf. Am Freitag berät der Bundestag über den Gesetzentwurf der Ampelkoalition, das "Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch" aufzuheben. Wenn die Neuregelung irgendwann in Kraft tritt, ist der besonders umstrittene Paragraf 219a Geschichte. Im Strafgesetzbuch verankert bleibt Abtreibung hierzulande dennoch.
Werbeverbot
Durch das sogenannte Werbeverbot ist es Praxen und Kliniken in Deutschland untersagt, ausführlich darüber zu informieren, welche unterschiedlichen Methoden es für den Abbruch gibt. Seit einer Gesetzesänderung 2019 dürfen sie aber darauf hinweisen, dass sie den Eingriff grundsätzlich vornehmen.
Der zugrunde liegende Paragraf 219a soll nach dem Willen der Bundesregierung nun abgeschafft werden. "Wir wollen damit einen unhaltbaren Rechtszustand beenden", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Januar bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Es könne nicht sein, dass jeder alles zu dem Thema ins Internet stellen dürfe, ausgerechnet Expertinnen und Experten aber nicht.
Der Paragraf 219a, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, ist schon lange umstritten. Das Bundesjustizministerium will diesen Paragrafen nun streichen.
Im Strafrecht verankert
Unentschieden ist die Ampel dagegen bei dem anderen umstrittenen Paragrafen 218. Dieser stellt Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich unter Strafe. Unter bestimmten Voraussetzungen bleibt eine Abtreibung allerdings straffrei. Ob die Regelung so bestehen bleibt, ist noch unklar. Im Koalitionsvertrag heißt es, eine Kommission solle "Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs" prüfen.
- Derzeit ist eine Abtreibung nur straffrei, wenn die Frau sie selbst möchte und sich vorher bei einer staatlich anerkannten Stelle beraten lässt. Sie muss von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen werden, die nicht an der Beratung beteiligt waren, und innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis stattfinden.
- Ausnahmen gelten außerdem, wenn die Gesundheit der Schwangeren bedroht ist, und nach einer Vergewaltigung. Bei einer Abtreibung innerhalb von 22 Wochen nach der Empfängnis nach vorheriger Beratung macht sich zwar die Schwangere nicht strafbar, andere Beteiligte wie Ärztin oder Arzt dagegen schon.
Karlsruhe pfeift Politik zurück
Schon 1871 wurde Abtreibung in Deutschland ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Zweimal versuchte die Bundesregierung ab den 70er Jahren, das Abtreibungsrecht grundlegend zu reformieren, wurde jedoch jeweils vom Bundesverfassungsgericht gebremst.
In der DDR dagegen galt seit 1972 die Fristenlösung: Dort entschieden Frauen in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft selbst, ob sie diese fortführen wollten.
In der Bundesrepublik beschloss der Bundestag 1974 ebenfalls eine Fristenlösung für die ersten zwölf Wochen. Danach sollte ein Abbruch mit medizinischer Indikation zulässig sein. Das Bundesverfassungsgericht kippte diese Regelung jedoch ein Jahr später. Es stellte das "sich im Mutterleib entwickelnde Leben" unter den Schutz der Verfassung und bescheinigte ihm "Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren". Der Staat sei auch gegenüber der potenziellen Mutter verpflichtet, das ungeborene Leben in Schutz zu nehmen.
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Sondervotum
Die Richterinnen und Richter waren sich dabei aber keineswegs einig. Wiltraut Rupp-von Brünneck und Helmut Simon formulierten ein abweichendes Sondervotum. Rupp-von Brünneck zufolge war die "Weigerung der Schwangeren, die Menschwerdung ihrer Leibesfrucht in ihrem Körper zuzulassen", etwas "wesentlich anderes als die Vernichtung selbständig existenten Lebens".
Als Reaktion auf das Urteil verabschiedete der Gesetzgeber 1976 eine Neuregelung, der zufolge Abtreibungen nur in bestimmten Notlagen, etwa nach einer Vergewaltigung oder bei Gefahr für die Schwangere straffrei bleiben konnten - die sogenannte Indikationslösung.
Nach der Wiedervereinigung beschloss die Politik 1992 eine Fristenregelung nach Beratung, die aber wieder vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Dieses entschied, dass der Gesetzgeber einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbieten und der Schwangeren die grundsätzliche Pflicht auferlegen müsse, das Kind auszutragen. Daraufhin wurde der bis heute geltende Kompromiss ausgearbeitet.