Das Werbungsverbot für Abtreibungen ist aufgehoben. Aber ein Schwangerschaftsabbruch ist immer noch illegal - wenn auch oft straffrei. Aktivistinnen wollen Paragraf 218 abschaffen.
Der Oberste Gerichtshof in den USA kippt am Freitag das Abtreibungsrecht. Am selben Tag schafft in Deutschland der Bundestag den Paragraf 219a, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, ab. Ist Deutschland so liberal bei Abtreibungen wie es scheint?
Abtreibungen sind immer noch eine Straftat, das ist in Paragraf 218 geregelt. Dort steht: "Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Der Abbruch bleibt allerdings straffrei, wenn sich die Schwangere beraten lässt und nicht länger als zwölf Wochen schwanger ist.
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Abtreibungen als Teil der Gesundheitsversorgung?
Aktivist:innen setzen sich dafür ein, dass der Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird. "Dass das eine Straftat ist, sendet ein Signal an die Gesellschaft", kritisiert Kate Cahoon, die seit acht Jahren beim Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung ist.
Cahoon und das Bündnis setzen sich dafür ein, dass Abtreibungen in einem anderen Bereich geregelt werden - "als Teil der Gesundheitsversorgung." Auch die Juristin und Politikwissenschaftlerin Sabine Berghahn kritisiert die aktuelle Rechtslage. "Die Frau kann nicht gerechtfertigt handeln. Sie bleibt eine Sünderin."
Das umstrittene Werbeverbot für Abtreibungen in Deutschland wird aufgehoben. Das beschloss der Bundestag. Für viele Ärzte und ungewollte Schwangere ist dies eine Erleichterung.
Kritik an immer weniger werdenden Ärzten
Laut Cahoon gebe es keine ausreichende medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen. "Die Situation ist problematisch in Deutschland. Die Gründe dafür lassen sich auch auf den Paragraf 218 zurückführen." Valentina Chiofalo, Juristin bei Doctors for Choice, die sich für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen, bestätigt das.
Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch werden derzeit in Deutschland nur bei medizinischen Gründen, beispielsweise Lebensgefahr, oder kriminologischen, wie etwa Vergewaltigung, von der Krankenkasse übernommen. "Zugang zum Schwangerschaftsabbruch sollte keine Kostenfrage sein", fordert Cahoon.
Der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof der USA hat in einem historischen Urteil das 50 Jahre lang geltende Abtreibungsrecht gekippt. Die US-Bundesstaaten können Abtreibungen jetzt stark einschränken oder verbieten.
Ampel-Regierung setzt Kommission zur Prüfung ein
"Das ist schon ein erster Schritt, aber das reicht noch nicht aus", verlangt Cahoon. "Wir erwarten konkrete Schritte zur Legalisierung", so die 33-Jährige. Auch Politikwissenschaftlerin und Juristin Berghahn ist kritisch.
Es brauche eine gemeinsame Aktion von Jurist:innen, Politker:innen und Soziolog:innen, die sich mit der Einstufung von Embryo und schwangerer Frau befassen.
"Eine gut besetzte Kommission, kreativ und rechtlich versiert, könnte eine Lösung finden, dass Schwangerschaftsabbrüche reglementiert sind aber keine Straftat", hofft Juristin Chiofalo. Um Paragraf 218 zu streichen, brauche es eine einfache politische Mehrheit, das heißt, die Ampel könne das entscheiden. Die neue Regel könne dann beispielsweise in das Schwangerschaftskonfliktgesetz aufgenommen werden.
Rosalyn Jonas wurde mit 19 Jahren schwanger und entschied sich für eine Abtreibung. Sie hofft, dass ihre Vergangenheit nicht bald Realität für viele Frauen in den USA wird.
AfD und Union gegen Legalisierung
Die FDP - die im Moment mit Marco Buschmann den Justizminister stellt - setzte sich zwar auch für die Abschaffung des Werbungsverbotes ein. Laut Cahoon könne es aber bei Paragraf 218 schwierig werden. Buschmann trennte in seiner Rede im Bundestag anlässlich der Abschaffung von Paragraf 219a die beiden Paragrafen klar.
CDU-Chef Friedrich Merz warnt vor einer Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens:
Die Unionsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) warnte davor, dass der Wegfall von 219a nur ein erster Schritt sei, den gesamten Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz warf der Ampel-Koalition im Bundestag vor, für sie habe "der Schutz des ungeborenen Lebens überhaupt keinen Stellenwert".
Thomas Seitz (AFD) spricht sich klar gegen die Aufhebung des Verbots von Abtreibungswerbung aus. Frauen sollten bei ungewollter Schwangerschaft eigenverantwortlich Sorge tragen.