Kandidaten für AfD-Bundesvorsitz: Wer Chrupalla beerben will

    Vor AfD-Parteitag:Chrupalla-Konkurrenz: Wer führt bald die AfD?

    von David Gebhard und Julia Klaus
    07.06.2022 | 18:44
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    Seit Jörg Meuthen entnervt hinschmiss, führt Tino Chrupalla die AfD alleine - und wenig erfolgreich. Welche Gegenkandidaten wollen ihn auf dem Parteitag herausfordern?

    Archiv: Das Rednerpult steht in Dresdener Messehalle beim Bundesparteitag der AfD.
    Chrupalla, Kleinwächter oder doch Höcke? Wer führt künftig die Alternative für Deutschland?
    Quelle: dpa

    Die fetten Jahre sind vorbei, dieses Gefühl über den Zustand ihrer Partei macht sich seit Monaten unter AfD-Politikern breit. In Hintergrundgesprächen wird wehmütig an die Zeit des Aufbruchs, des Wachstums und der Erfolge erinnert. Doch aus Sieges- sind längst Niederlagen-Serien geworden:
    • Bei den letzten zehn Wahlen in Ländern und im Bund fuhr die Partei Verluste ein.
    • In Schleswig-Holstein flog sie gar aus dem Landtag.
    • Die Mitgliederzahlen sind rückläufig.
    Der Parteitag in eineinhalb Wochen in Riesa soll die Wende bringen, ein Aufbruchssignal sein. Der wegen des desolaten Zustands der Partei angezählte Parteichef Tino Chrupalla will wieder antreten. Entweder in einer Einzelspitze - sollte die AfD ihre Satzung entsprechend ändern - oder wohl zusammen mit Co-Fraktionschefin Alice Weidel.

    Wer gegen Chrupalla antritt

    Nun steht fest: Chrupalla wird Gegenkandidaten bekommen. Norbert Kleinwächter, stellvertretender Fraktionsvorsitzende im Bundestag, erklärte am Dienstag gegenüber ZDFheute seine Kandidatur:

    Die AfD befindet sich in einer Krise, in einer Kommunikations- wie auch einer Identitätskrise und ich glaube, dass die AfD mit einem personellen, inhaltlichen, stilistischen und kommunikativen Neuanfang starten muss. Deshalb stehe ich zur Verfügung.

    Norbert Kleinwächter, Kandidat für AfD-Vorsitz

    Norbert Kleinwächter (AfD) während einer Sitzung des Deutschen Bundestags
    Auch den Brandenburger Abgeordneten Norbert Kleinwächter zieht es an die Spitze der AfD.
    Quelle: imago/Christian Spicker

    Kleinwächter fordert einen "Neuanfang auch an der Spitze - mit neuen Gesichtern, die neue Inhalte bringen, eine neue Sprache bringen, einen neuen Stil bringen, eine freundliche Kommunikation mit der Öffentlichkeit."

    Kino-Film: Kleinwächter und das N-Wort

    Dass der Brandenburger auf dem Parteitag eine Mehrheit hinter sich bringt, gilt als unwahrscheinlich. Er sei nicht einmal als Ersatzdelegierter gewählt worden, lästerte die Chefin seines eigenen Landesverbandes, Birgit Bessin, vor einigen Tagen.
    Kleinwächter gibt sich als für AfD-Verhältnisse eher gemäßigt. In einer Langzeitdoku über vier AfD-Parlamentarier, die derzeit im Kino läuft, erlebt man ihn als engagierten, sich selbst inszenierenden Parlamentarier. Es finden sich aber auch Szenen, in denen Kleinwächter Rassismus toleriert.
    Etwa, als beim Fußballschauen mit Parteifreunden eine rote Karte für den Nationalspieler Jerome Boateng mit "Abschieben"-Rufen kommentiert wird und Kleinwächter nicht einschreitet, sondern grinst und darüber Witze macht, man könne rote Karten künftig Geflüchteten an der Grenze hinhalten. In dieser Szenerie fällt dann auch das N-Wort - das aber will er damals nicht gehört haben, behauptet Kleinwächter nun gegenüber ZDFheute. Sonst hätte er eingegriffen, sagt er. Rassismus liege ihm fern.

    Nicolaus Fest: Beleidigung eines Verstorbenen

    Kleinwächter ist nicht der einzige Neue, der nun seinen Hut für den Parteivorsitz in den Ring wirft. Am Montag hatte der AfD-Europaabgeordnete Nicolaus Fest in einem Facebook-Video erklärt, dass auch er Vorsitzender werden möchte. "Die Partei ist in keinem guten Zustand", erklärt der zwischenzeitliche Berliner Landeschef.
    Nicolaus Fest (AfD) im Plenarsaal des Europäischen Parlaments
    Er will an die AfD-Spitze: Europapolitiker Nicolaus Fest
    Quelle: imago/Future Image

    Und weiter: "Wir brauchen einen Vorstand, der alle Seiten einbindet. Und wir brauchen Sprecher, die das auch leben. (...) Ohne Kleinkrieg, ohne Überheblichkeiten oder Herabwürdigung."
    Ohne Herabwürdigung? Das sagt ausgerechnet der AfD-Politiker, der jüngst zweifelhafte Berühmtheit über Deutschlands Grenzen hinweg erlangte, als er wenige Stunden nach dem Tod von EU-Parlamentspräsident David Sassoli in einer WhatsApp-Gruppe an Fraktionskollegen schrieb: "Endlich ist dieses Drecksschwein weg." 

    Was ist mit Björn Höcke?

    Auch der Thüringer Landesvorsitzende und Rechtsaußen Björn Höcke hatte eine Kandidatur mit ihm als Einzelspitze ins Spiel gebracht. Ob er tatsächlich antritt, ist aber kaum zu erwarten, denn eine Höcke-AfD würde besonders Wähler im Westen abschrecken. Das wissen auch die Delegierten.
    Stattdessen könnte er sich mit einem neuen Posten Einfluss sichern wollen. Im Antragsbuch für den Parteitag findet sich unter TOP-6 der Plan für eine "Parteistrukturreform". Darin vorgesehen ist ein Leiter, der den Bundesvorstand enger an Parteitagsbeschlüsse binden soll - das dürfte der Basis gefallen - und auch die Nachwuchsentwicklung verantwortet.
    Höcke werden Ambitionen dafür nachgesagt - und der Posten würde auch gut zu ihm passen: Unter Anhängern der Parteijugend wird der ehemalige Sportlehrer mitunter frenetisch gefeiert. Zudem hätte er so Einfluss auf die Bundespartei, ohne im Vorstand zu sitzen.

    • EU-Auflösung: Eine von Björn Höcke und Alexander Gauland eingebrachte Resolution sieht vor, dass sich die EU auflösen und durch einen Bund von Nationalstaaten ersetzt werden solle. Mit Russland solle man kooperieren und der Ukraine eine Nato-Mitgliedschaft verweigern.
    • Putins Propaganda: Eine andere Resolution, die sich gegen Waffenlieferungen ausspricht, warnt vor einem "Wiedererstarken ultranationalistischer Gruppierungen in der Ukraine" - damit ist wohl das Regiment Asow gemeint. Putin nutzt Asow immer wieder als vermeintlichen Beweis dafür, dass die gesamte Ukraine mit Nazis durchsetzt sei.
    • Neue Atomkraftwerke: Eine Resolution sieht den Bau neuer AKWs vor und schürt Angst vor einem Blackout.
    • Rehabilitierung von Andreas Kalbitz: Der aus der Partei ausgeschlossene Rechtsextreme Andreas Kalbitz soll wieder auftreten dürfen.
    • Mehr Alternativmedien: Die AfD solle einen eigenen TV-Sender aufbauen - und ihre Präsenz in Alternativmedien wie Bitchute, Parler und dem Trump-Netzwerk Truth Social ausbauen.

    Chrupalla gibt sich gelassen

    AfD-Chef Tino Chrupalla gibt sich gegenüber ZDFheute gelassen, was seine Herausforderer betrifft:

    Jedes Mitglied unserer Partei darf sich um ein Vorstandsamt bewerben. Die Entscheidung darüber treffen die Delegierten auf dem Bundesparteitag in Riesa.

    Tino Chrupalla, AfD-Bundessprecher

    Der Sachse weiß, dass es am Ende wahrscheinlich wieder reicht. Mit Alice Weidel zusammen oder vielleicht doch in einer Einzelspitze.
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